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Theorie und Praxis – MUSIK, MUsik, musik...



Eigentlich wollte ich über die zwei Events auch zwei Blogs schreiben. Doch als ich nach dem Vortrag über die Reise durch die Musikgeschichte auf dem Konzert von „Tante Renate“ eintraf, fiel mir auf, wie gut doch eigentlich beides in einer Geschichte zusammenpassen würde. Zuerst die Theorie und darauf folgend eben die aktuelle Praxis. Auch musste ich den Vortrag früher verlassen, weil das Konzert bereits angefangen hatte. Oder besser gesagt anfangen hätte sollen – zum Glück ist bei solch kleineren Events auf Verspätungen Verlass – und so ging das vorher Studierte fließend in das auf der Bühne live Gespielte über. Zumindest gedanklich, denn eine kurze hektische Zugfahrt, um vom Offenbacher Marktplatz zum Sachsenhäuser Clubkeller zu gelangen, war auch noch mit eingebaut.

Im Kinder-, Jugend- und Kulturzentrum in Offenbach begann der Abend. Hier stand Martin Hübscher alias DJ Double D vor der Tafel. Es erinnerte schon etwas an den Musikunterricht in der Schule. Als Einstieg ein kleines Brainstorming mit dem Publikum: Welche Musikstile gibt es denn überhaupt? „Ich habe hier keinen Anspruch auf Vollständigkeit der Stile, ich möchte hauptsächlich die Entwicklung und die Zusammenhänge darstellen“, erklärte Hübscher gleich zu anfangs. Die verschiedenen Richtungen sollten nicht nach dem Schubladenprinzip eingeteilt werden, sondern man müsse sich die Musikentwicklung eher wie einen großen Baum vorstellen, mit vielen Verästelungen und Ausprägungen. Eigentlich seien alle Musikrichtungen irgendwie verwandt, denn sie haben sich durch übergreifende Spielarten weiterentwickelt und gegenseitig mutiert.

Vor sieben Jahren entwickelte der DJ und auch Radio-Sendungsmacher mit der Modern Musik School ein Konzept für interessierte Nachwuchs-DJs. Seit dem gibt es die Vibra-School of Djing, mittlerweile mit über 30 Filialen deutschlandweit und einer davon in Offenbach. Normalerweise trägt der gelernte Radio- und Fernsehtechniker Hübscher den Abriss der Musikgeschichte des 20. Jahrhunderts in mehreren Teilblöcken vor. Doch an diesem Abend mussten wir mit einer dreistündigen Zusammenfassung vorlieb nehmen. Viel mehr Input auf einmal kann man als Zuhörer auch kaum aufnehmen. Von der Entstehung des ersten Grammophons und der Langspielplatte, über die Entwicklung des Gospels aus Gesang, Musik und Tanz vom Kontinent Afrika, bis hin zu Ausschmückungen durch die unterschiedlichsten politischen und kulturellen Einflussfaktoren, klapperte Hübscher die verschiedenen Stile ab. Auch gab’s jeweils ein Hörbeispiel zur akustischen Verdeutlichung.

Um zehn hieß es für mich dann jedoch die Sachen packen und zum nächste Schauspiel. Schlimm, wenn einem so viel am Abend geboten wird und man sich nicht entscheiden kann. Wollte einfach beides. Die Entwicklung der Musikrichtungen ab den 90ern hab ich also leider verpasst. Doch als ich die Tür zum Clubkeller öffnete bekam ich eine Schallwelle von genau diesem entgegengeschmettert. Durch den Gewölbebau des Kellers bekommt die Akustik einen derartigen Effekt, zusätzlich noch die Lichtspielereien und alles voller tanzendem Feiervolk. So viel passen jetzt auch nicht in die unterirdische Räumlichkeit, aber dennoch ein sehr aufputschender und animierender Effekt. Außer dem gelben Clubkellerschild ahnt man auch kaum, dass hier nebenan eine Party steigen könnte.

Es ist eine Freude dem Herrn mit dem Frauennamen beim Abgehen zuzuschauen: Der Tante Renate. Die Experimentierleidenschaft des Ein-Mann-Bandlers zeigt sich eben nicht nur in dem Produkt, sonder auch darin, wie’s gemacht wird. Norman Kolodziej, wie der Hamburger im normalen Leben auch noch genannt wird, beschreibt seine Musik: „Eine erfrischende Symbiose aus rockenden Elektro- und Indieelementen.“ Und eigentlich alles was er sonst noch so in die Finger kriegt. „Die Leute bekommen die ganzen Feinheiten gar nicht so mit. Dass das alles live überhaupt so funktioniert. Ich bin da sehr detailbedacht“, so Renate. Mit altem Amiga und C64-Demomusik fing die Spielerei ehemals an. Keyboardtöne, E-Gitarre, Computerbeats – es ist im elektronischen Zeitalter simpel alles miteinander zu verknüpfen. Und so mischt Kolodeziej Sachen zusammen, die theoretisch so eigentlich gar nicht zusammenpassen. Aber der Auftritt bewies das Gegenteil. Man muss nur wissen wie. „Von nichts kommt nichts, obwohl ich nichts check, geht alles“, meinte der Multiinstrumentenspieler. So konnte ich einer Techno-Alternativpopkomposition erleben, in die auf einmal eine gecoverte Version von „Reign in Blood“ der Band „Slayer“ mit einfloss. Und es war echt der Hammer. Nicht wenige haben die abgehende Tante in ihre Verwandtschaft mit aufgenommen und die Menge bedankte sich mit ausgeflipptem Abgespacke auf der Tanzfläche der musikalischen Absurdität.

Wie konnte mir nun die Verwandtschaft der Musikstile nun besser verdeutlicht werden als durch eine derartige Vorführung? Vor allem sind den Möglichkeiten durch Computer und elektronisches Gerät kaum Grenzen gesetzt. Es gibt nichts, was nicht kombiniert werden könnte. Der Musikchirurg „Der Tante Renate“ war das perfekte Beispiel, um mir die Art und Weise zu verdeutlichen wie Musikstile miteinander verbunden werden können, neue dadurch entstehen und die meisten sich eigentlich gar nicht so fremd sind, wie man zuerst denkt.
 
4. Dezember 2008, 07.00 Uhr
Günther Michels
 
 
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