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Sonnenschein und Kellerkinder
Gestern war ja allerbestes Wetter. Eigentlich der richtige Tag, um die ersten zaghaften Gehversuche des Frühlings zu genießen, ein Tag für Spaziergänge oder kleine Radtouren, fürs Bücherlesen am Mainufer oder Fußballspielen im Grüneburgpark. Einige hundert vor allem männliche und junge Menschen zog es hingegen ins Casino des I.G.-Farbenhauses, um Videospiele zu spielen. Ich war auch da, bei der Olymptronica. Zumindest für eine halbe Stunde. Denn: Videospiele, das ist nichts mehr für mich.
Vorbei an einer hypernervösen Security, die selbst den versnobtesten Clubs der Stadt zur Ehre gereicht hätte, hinein in die heiligen Hallen - vor mir Nintendo DS, rechts im Auditorium die Wii, links Retrocomputer und Manga-Mädchen, die sich, wusste ich auch nicht, Gothic Lolitas nennen. Aber da da auch verkleidete Jungs dabeiwaren, weiß ich jetzt nicht so ganz, ob ich mich nicht geirrt habe.
Ach, Videospiele. Ich gebe zu: als Teenager hätte ich ganz genauso gehandelt. Hätte also das schöne Wetter ein solches sein lassen und wäre in Zelda, in SimCity oder in Manic Mansion versunken. Alles vergessene Zeiten. Heute spielt man WiiSports und das soll fitmachen. Oder man tippt auf einem Nintendo DS herum und das soll intelligent machen (die Veranstalter hatten sogar eine Schultafel angebracht und Pulte aufgestellt, auf denen die Minikonsolen lagen, was ich relativ grotesk fand). Das alles kann nur eines bedeuten: die Industrie fasst die Kinder von Eltern ins Auge, die selbst mit Videospielen großgeworden sind, und die wissen, was für ein großer Spaß und welch grandiose Zeitverschwendung dahintersteht. Ihnen muss man erklären, dass Videospiele auch schlau und schlank machen können. Und dann die Erwachsenen selbst, die andere große Zielgruppe. Partygames sind total "in" (sagt man eigentlich noch "in"? Oder schon wieder "hip"?). Und dann auch so Gehirnjoggingspiele (Zielgruppe: Rentner). Und für die Frauen Karaoke-Spiele.
Doch machen wir uns nichts vor: junge, männliche Wesen sind nach wie vor der Traum eines jeden Spieleentwicklers. Vielleicht haben die Leute von Nintendo auch deswegen schlanke, junge Frauen in weiße Ganzkörperanzüge gesteckt, die kokett fragen, ob man auch mal spielen möchte. Nein, ich möchte nicht mehr spielen, manchmal denke ich, ich habe in meiner Kindheit und Jugend meine mir zugedachte Computerspiel-Zeit aufgebraucht. Ich gehe lieber nach draußen, lasse die Kellerkinder zurück, schnuppere Sonnenschein und gehe in den Grüneburgpark zum Spazieren. Auch wenn das für die Marketingabteilung von Nintendo jetzt keine gute Nachricht ist aber: vielleicht bin ich zu alt für sowas.
8. März 2009, 12.17 Uhr
Nils Bremer
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