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Roter Stern im Gemeindehaus
So günstig, verrät mir eine Kollegin von der Rundschau am Eingang, bekommt man Kaminer sonst nicht zu sehen. 8 Euro, sonst sei es gut das Doppelte. Ich habe keine Ahnung, ist meine erste Kaminer-Lesung. Und dann noch in der Jüdischen Gemeinde, was bedeutet, dass die Spannung durch Taschenentleerungen und Piepsgeräte am Eingang noch erhöht wird. Kaminer kennt das alles, es ist sein, wie er selbst erstaunt feststellen muss, siebter Auftritt im Frankfurter Gemeindezentrum in der Savignystraße. Für den zehnten Besuch in Frankfurt hatte die Gemeinde einst leichtsinnigerweise eine große Party in Aussicht gestellt. Es sieht nun fast so aus, als käme sie nicht drumherum, denn Wladimir Kaminer sagt, dass er gerne nächstes und übernächstes Jahr wiederkommen würde und das Jahr danach auch und dann müsse es ja die versprochene Party geben. In Frankfurt darf er nicht nur aus seinem jeweils neuen Buch vorlesen, sondern auch neue Textchen vor einem Saal ausprobieren, der an diesem Dienstagabend nicht nur fast vollständig belegt ist, sondern dessen Besucher auch von der ersten Minute an gutgelaunt lachen und auf die nächste Pointe schielen. "Ich war im Kaukasus, weil Arte eine Reportage über meine Großmutter drehen wollte. Das muss man sich mal vorstellen. Doch das Team kam nicht, wegen des dort aufflammenden Konfliktes. Ich hatte also einige Zeit zum Schreiben", so Kaminer. Dann legt er los. Erzählt von der Deutschen Botschaft in Minsk, die Liebesbeweise einfordert, damit ein Deutscher eine Ausländerin heiraten darf. Erzählt vom Sponsorenlauf an der Berliner Grundschule seines Sohnes, und davon warum diesem verwehrt wird "Alien trifft Predator 2" zu sehen (ab 18), aber nicht "Neues vom Wixxer" (ab 6). Und erklärt nebenbei, dass es in Berlin, im Gegensatz zu Frankfurt, keine Sehenswürdigkeiten gebe. "Entweder werden sie gerade abgerissen oder aufgebaut oder sie sind eigentlich keine. Der Mauerpark zum Beispiel ist typisch für Berlin. Er besitzt weder eine Mauer, noch ist er ein Park." Die Touristen kämen dennoch. Und Kaminer sieht sie und erzählt davon, schmückt aus und verliert sich in Gedankenspielen, welch praktische Vorzüge phosphorreiches Dosenhundefutter hat (es bringt Häufchen im Mauerpark zum Leuchten) und dann liest er wieder weiter mit seinem angenehmen russischen Akzent. Zum Schluss bedankt er sich (auch dafür, dass keiner Fragen an ihn hatte) und gibt noch Autogramme, beim Rausgehen gibt es keine Taschenentleerungen und kein Gepiepse, die Spannung ist weg, ersetzt durch die Gewissheit die nächste, meine zweite Kaminer-Lesung im kommenden Jahr schon mal vorzumerken. Und dann die danach. Und dann die Russendisko im Gemeindehaus.
9. Dezember 2008, 23.57 Uhr
Nils Bremer
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