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Knasttheater

Von Liebe, Macht und Freiheit

Nach der „Zauberflöte“ traut sich das Knasttheater diesmal an einen Stoff voll großer Emotionen: „Carmen.“ Lesen Sie in diesem Artikel vom Januar 2011, wie das Projekt seinen Anfang nahm.
Sich mal eben spontan entscheiden, heute Abend gehe ich ins Knasttheater – keine Chance. Anfang Juni brachten Theatermacherin und Regisseurin Maja Wolff (das Publikum kennt sie als Anton LeGoff und vom Grüne Sose-Festival) und Ulrike „Uli“ Pfeiffer, Bassistin bei Kick la Luna und den Friends In High Places (da singt sie auch) als Musikalische Leiterin die „Zauberflöte“ mit Studenten und Studentinnen der Fachhochschule Frankfurt und mit Gefangenen aus der Männer- und Frauenhaftanstalt in Preungesheim auf die Bühne. Um dabei zu sein, musste man sich lange vorher für einen der raren Plätze anmelden, frühzeitig in der Oberen Kreuzäckerstraße seinen Namen auf einer Liste abgleichen lassen, den Personalausweis abgeben und sämtliche mitgebrachten Gegenstände in Schließfächer neben der Außenpforte verstauen. Mit den restlichen Ein- und Auslassprozeduren ist man von Sicherheitschecks an Flughäfen bestens vertraut. Nur war hier der Warteraum weit karger und der Weg ans Ziel führte durch mehrfach gesicherte Schleusen und viel Beton mit scharfem Stacheldraht. Ein Abenteuer also auch für die Gäste, diese „Zauberflöte“, nicht nur für die Mitwirkenden.

„Ihr habt Sachen aus uns herausgekitzelt, deren wir uns gar nicht bewusst waren“, „Wir konnten unsere Fähigkeiten und Begabungen einsetzen“ oder auch „Endlich wurden wir mal als Menschen wahrgenommen“ waren am Ende der dritten Aufführung der vor Publikum und auch unter Tränen geäußerter Dank der Sträflinge an die Arbeitskameraden auf Zeit. Schließlich lieferte Mozart nur die Motive. Wer schon immer mal rappen wollte, sich eigentlich als unentdeckte R&B-Sängerin sah oder passionierter Breakdancer begriff – alles war möglich im Konzept, wurde aufgegriffen und in die Adaption integriert. Die Originalmusik kam vom Band, dem Chor oder einer quietschenden Geige. Trommeln, Fässer und Mülltonnen peppten die Live-Performance auf. Ein Hauch von Women On Drums und „Stomp“, nicht nur wegen der Besenkür, machten die Geschichte um Papageno, Prinz Tamino und Pamina zu einem wahrhaft rasanten, so noch nie gesehenen Singspiel.

Perfektion konnte dabei keiner wirklich erwarten. Montags treffen, beschnuppern, warm werden, Dienstag, Mittwoch und Freitag spielen – da blieb keine Zeit zum Ausproben und rund machen. Glücklicherweise – denn nur so war gewährleistet, dass dank viel Spontaneität und Improvisation der freche, frische Charakter der Show in der Turnhalle bewahrt blieb und Mozart sich so erwies als das, was er wohl war: ein musikalisches Genie zwar, aber eben auch der Rock’n’Roller Amadeus, der nicht nur Kunst für die Hochkultur fabrizierte, sondern auch in Momenten wohl so etwas war wie der Dieter Bohlen seiner Zeit wenngleich sein Gassenhauer „Pa-pa-pa-pa-pa-pa-pageno“ unbestritten mehr Qualität hat als „Ma-ma-macita“.

Nach der Auszeichnung durch die Theo-Prax-Stiftung für den „Mozart hinter Gittern“ 2010 planen Maja Wolff und Ulrike Pfeifer mit den Studierenden und der Leitung der Justizvollzugsanstalt Frankfurt am Main IV nun Großes. „Ich freue mich, dass wir die erfolgreiche Theaterarbeit 2011 in noch erweiterter Form fortsetzen können“, geht auch Anstaltsleiter Uwe Röhrig begeistert und voller Elan an die immer neuen Aufgabenstellungen einer solchen Zusammenarbeit. Als „Objekt der Begierde“ haben die Initiatorinnen des außergewöhnlichen Musiktheaterprojekts diesmal „Carmen“ auserkoren. Die Bizet-Oper ist für die Theaterfrau Wolff und die Musikerin Pfeifer – beide als Dozentinnen fest oder mit Lehrauftrag an der FH tätig – gleichermaßen eine Herausforderung. Denn sie verlangt dem gesamten Team wie zuvor schon „Die Zauberflöte“ darstellerisch und musikalisch einiges ab. „Es ist eine tolle Story um Liebe und Eifersucht, die Figur Carmen ist nicht nur als Frau spannend. Was passiert mit der Psyche der Männer, was mit der Carmens? Und es sind natürlich auch eine Menge bekannter Songs zu hören“, schwärmt Maja Wolff und verspricht: „Wir werden den Stier bei den Hörnern packen!“

Bis zu zehn Monate Vorbereitung braucht eine solche Aufführung in der JVA, viel organisatorische und logistische neben der künstlerischen Arbeit. Was die Studenten mit Wolff und Pfeifer vorbereiten, wird dann in Preungesheim mit den Gefangenen – Männern und Frauen getrennt – um deren Ideen ergänzt geprobt, entwickelt und umgesetzt. Nur einmal pro Woche ist das möglich. Für die Studierenden des Fachbereichs 4, Soziale Arbeit und Gesundheit, Schwerpunkt „Kultur und Medien”, Chance und Ausprobieren, Gelerntes im theaterfremden Umfeld umzusetzen. „Für die Studenten ist das schon ein ungeheures Erlebnis, in Grenzbereichen zu arbeiten und sich im sozialen Feld zu erproben“, ist Wolffs Erfahrung aus den letzten drei Jahren. Es prallen Welten aufeinander, aber in der konzentrierten und disziplinierten Arbeit hin auf das Ziel Aufführung bauen sich Berührungsängste und Vorurteile zwischen „Drinnen“ und „Draußen“ Stück für Stück ab. Lernen voneinander ist eine Losung. „Schließlich ist unsere Arbeit hier im Gefängnis viel mehr als bloße Freizeitbeschäftigung der Häftlinge“, betont Wolff die „kunsttherapeutische Maßnahme“, die das Projekt auszeichnet und die das Lob von Politik und Medien findet. Und die soll in Zukunft noch stärker da greifen, wo die größte Hürde auf die Straftäter wartet: vor der Entlassung.

Erschienen im Journal Frankfurt 01+02/2011. Beachten Sie auch unsere Geschichte im aktuellen Journal Frankfurt (Ausgabe 25/2011), und diesen Artikel drüben im Blog.
 
22. November 2011, 10.49 Uhr
Detlef Kinsler
 
 
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