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JBBG – Lehrstunde für Daheimgebliebene
Wo waren eigentlich die Frankfurter Jazzkritiker und Musiker (einzig Martin Lejeune wurde gesichtet, dabei gab’s auf der Bühne gar keinen Gitarristen), als JBBG, ehemals Jazz Big Band Graz, ihr Debüt am Main in der Brotfabrik gaben? Einladungen gingen an alle in der Stadt relevanten Jazzeinrichtungen, sogar das hr Big Band-Management wurde informiert. Und stehen im Konzertprogramm des Orchesters all seine Termine, hatten die Kollegen zumindest keinen Gig parallel, probten aber vielleicht für ihr Swinging Christmas im – sic – Südbahnhof. So verpassten sie eine Lehrstunde in Sachen Big Band.
„Wir befinden uns auf einer einwöchigen Clubtournee – Deutschland, eine Winterreise“, führte einer der beiden JBBG-Köpfe (der in der Lederhose), Saxophonist Heinrich von Kalnein, den Abend ein. Nach Festivalauftritten vor bis zu 2.500 Besuchern jetzt als die intimen Konzerte in den „angesagten Clubs“. Da schwang keinerlei Ironie mit, obwohl man sie hätte herausfiltern können. Denn für 18 Musiker auf der Bühne und einem Tourtross von 23 Leuten – und den sensationellen Vorberichten hätten der Laden gerammelt voll sein müssen. „Wir spielen übrigens 90 Minuten durch und machen keine Pause. Aber jetzt stelle ich erst mal die Musiker vor...“
Und los ging die Reise durch das Programm „Electric Poetry & Low Fi Cookies“, die große Bläsersektion, Saxophone links, Trompete rechts, Posaunen im Bühnenhintergrund, im Halbkreis um die Rhythmussektion. Die Projektionen der beiden „VJs“ von Ochoresotto, leisteten auch Infodienste. Kompositionstitel und Komponisten sowie Solisten wurden anfangs eingeblendet – eine gute Orientierung. Ansonsten arbeiteten sie mit Grafiken, Symbolen, auch konkreten Bildern/Filmen, alte Big Band-Aufnahmen, Tänzerinnen, alles in subtilen Zusammenspiel mit Licht und Musik – nichts überdeckte sich.
Was die Kompositionen vom anderen Band-„Boss“,Trompeter Horst-Michael Schaffer, betrifft, so gehen JBBG tatsächlich neue Wege und stoßen – wie versprochen – neue Türen auf für das Format. Und das nicht nur, weil der Drummer mal in Drum’n’Bass-Manier davon zieht oder Samples und Elektronik einsetzt, Schaffer seine Trompete wie eine Gitarre klingen lässt, Ambient-Atmosphären aufgebaut werden, Laptop-Ästhetik aufkommt und mit Klang-Collagen und Spracheinspielungen („What is poetry?“) gearbeitet wird. Das tun andere – wenn auch nicht so konsequent – auch. Aber es ist die ganze Attitude dieses Orchesters, die alles so frisch und lebending und in keinem Moment antiquiert wirken lässt, selbst dann nicht, wenn man bewusst mit Zitaten aus der Big Band-Geschichte arbeitet oder James Bond-Komponist John Berrys Stil streift (kaum hat man das freudig erkannt, lösen die VJs das auch optisch auf).
Besonderer Bonus ist der Special Guest Barbara Buchholz am Theremin. Wie viel Alternative Bands schleppen das Gerät mit und entlocken ihm doch nur schrille, undefinierte Töne. Die Berlinerin ist eine Meisterin, steht voll konzentriert, sieht dabei aus wie eine Magierin, die der Ätherwellengeige mit einer Choreographie der Hände (de.wikipedia.org/wiki/Theremin) wunderschöne Melodien entlockt – faszinierend wie die Zugabe, eine Neubearbeitung von Simon & Garfunkels „Sound Of Silence.“ Hey – so macht Big Band Spaß!
Fotos: Detlef Kinsler
11. Dezember 2008, 11.04 Uhr
Detlef Kinsler
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