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Go hard or go home

Ich bin dann mal rüber gemacht, nach Offenbach. Nicht ganz freiwillig. Aber was will man tun, wenn einem die Frankfurter ständig in den Ohren liegen, welch Insel der Glückseligkeit der Offenbacher Wochenmarkt sei. Argwöhnisch machte ich mich mit dem kleinkarierten Körbchen auf den Weg.
Am Wilhelmsplatz angekommen, suchte ich den genius loci, den Geist dieser gepriesenen Stätte. Zunächst, ein etwas kurioser Ort: Unter mir Tausende toter Offenbacher (die auf dem Areal bis 1832 bestattet wurden), oben Äpfel und Birnen. Sei’s drum. Ich schlenderte durch die Standreihen, roch hier, schmeckte da und war augenblicklich Teil einer heilen Landlust-Welt, die man fast nur noch aus schwedischen Kinderfilmen kennt. Herrlich, wie sich hier Bohème und junges Biedermeier zunicken und die charmante Knurrigkeit Odenwälder Marktbeschicker keinem wehtut. Ich spürte, in diesem Notting Hill am Main haben sich alle lieb, man fährt Mini, rettet Wale, ist irgendwo Premium-Mitglied und glaubt an FarmVille und Pastinaken. Ich kam mit dem munteren Pferdemetzger ins Gespräch, der mir riet den Kopf abzuschalten und von seinen Frikadellen zu probieren. Anderen schmeckt so ein Klops köstlich, die Schlange am Stand bewies es. Was der Fleischer nicht wusste: Immer wenn es bei meinen Großeltern Schweinebraten gab und mein Opa leise „wieherte“, um – ach wie lustig – seine Enkel an den Speiseplan im russischen Winter 1942 zu erinnern, gab es Riesenärger, da wir uns weigerten aufzuessen. Ein frühes Trauma also.
Mit Gäulen kennt sich die alte Lederstadt übrigens bestens aus, edle Stücke werden daraus gemacht, Aktentaschen zum Beispiel. Brauchbar ist nur Leder aus den Hinterbacken schwerer Kaltblutpferde und manchen Frankfurter Banker wird es überraschen, dass er mit einem zähen – pardon – Pferdearsch aus Offenbach im Meeting sitzen. Ein hartes Fell kommt auch den Frankfurtern zugute, die es in Offenbachs großes „Opernhaus“ treibt, das für seine Lustspiele weithin bekannt ist. Es liegt hier irgendwie in der Luft, das pikante Thema, selbst im Ledermuseum, wo ein ausgestellter Fetisch-Schuh von 1910 das Fürchten lehrt. Das heiße Luderding, der Absatz wie eine Reitgerte geschwungen, hätte gewiss dem Praktiker und Namengeber Leopold von Sacher-Masoch gefallen, der unweit von Offenbach 1895 seinen letzten Seufzer tat. Allerdings nicht aus Lust.
Um es kurz zu machen, wer Idylle aushalten kann, ist auf dem Wochenmarkt richtig. Offenbach hat beides, Zuckerbrot und Peitsche, Markt- und Lusttreiben. Klar, Frankfurt auch, nur eine Spur rastloser. Und wer sich im Grunde so ähnlich ist, mag sich nicht wirklich. Dabei gibt es schöne Beispiele, wie sich Hund und Katz zusammenrauften. Etwa in den 1890er Jahren, als die modernen Offenbacher das zweite Krematorium in Deutschland bauten. Lange Zeit stand die Anlage still, bis man sich mit dem ungeliebten Nachbarn als „Freunde der Feuerbestattung Frankfurt-Offenbach“ organisierte. Von da an rauchte der Kamin.
 
18. Februar 2011, 12.23 Uhr
Viola B. Hollings
 
 
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