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Die Wächter der Bären

Dosch@Berlinale 2011: Sie haben, wenn Sie die täglichen Berlinale-News verfolgen, sicher schon gehört, dass Wim Wenders hier erfolgreich seinen Tanzfilm „Pina“ aufgeführt hat (dessen unangenehm verzerrte 3D-Optik anscheinend niemandem aufgefallen ist). Dass es eine Ingmar Bergman-Retrospektive gibt. Dass Armin-Mueller Stahl den – schnarch – Ehrenpreis bekommt.

Oder dass Werner Herzog eine neuen Dokumentarfilm fertig hat … (wecken Sie mich!).  Aber es dürfte Ihnen wohl noch keiner von Titeln erzählt haben wie „Spiders in 3D“ („8 Legs. 3 Dimensions. 1 Disaster.“), „Deep Winter“ („Two Friends. One Dream. One Mountain.“) oder – yes! –  „Off Duty“ („They Took His Badge. He Kept His Gun.“). Auch die laufen bei den 61. Internationalen Filmfestspielen. Natürlich nicht in einer der Hauptsektionen (wäre doch mal lustig, einen Film wie „Underground“ („You Can Run. You Can Hide. But They Will Always Find You.“) im Wettbewerb zu finden), sondern auf dem Filmmarkt, wo man nur als „Seller“ oder „Buyer“ Zutritt hat und vom japanischen Kunstporno über Kleinkinderanimation bis zum hammerharten Horror so ziemlich alles angeboten bekommt, was gerade frisch abgedreht in den Regalen liegt. Fett Werbung gemacht dafür wird in den täglich erscheinenden Branchenmagazinen, wo dann einem Streifen wie besagtem „Spiders in 3D“ ganzseitige Anzeigen eingeräumt werden. Und es gibt Momente, da würde ich wirklich gerne manch taiwanesischen Zombiestreifen gegen irgendeinen internationalen Wettbewerbsbeitrag eintauschen, wo man sich nach geschlagenen 45 Minuten immer noch fragt: Wann passiert denn endlich mal was? Oder noch schlimmer: Wann hat das Grauen endlich ein Ende?


Denn hier – Dingdong! Fanfare! Tusch! –  ist sie wieder: die alljährliche Berlinale-Wettbewerbsschelte! Das gewohnte Was-hat-der-Kosslick-denn-hier-schon-wieder-für-Filme-ausgesucht-Gejammer. Der wie üblich völlig unkonstruktive Also-so-ein-Programm-hätte-auch-ein-Blinder-mit-nem-Krückstock-zusammenstellen-können-Sermon. Auf den ersten Blick wirkte das Wettbewerbsangebot 2011 wie Mischsalat in der Plastikbox aus dem Kühlregal: zuammengestückelt, keine Höhepunkte, dröge (den Eröffnungsfilm der Coens mal außen vor gelassen). Da half es auch nichts, dass ich mit dem argentinischen Politdrama „El Premio“ gleich zu Beginn eine Überdosis kunstbeflissen ins Endlose gedehnte Langeweile durchsitzen musste. Doch dann kam überraschenderweise Schwung in die Sache: Der amerikanische Bankerfilm „Margin Call“ erwies sich als packend, ironisch, äußerst effektiv. Die deutsche Immigrationskomödie „Alemanja“ wusste zu amüsieren. Die modernisierte Shakespeare-Adaption „Coriolanus“ von Hauptdarsteller und Debütregisseur Ralph Fiennes (der Lord Valdemort aus Harry Potter, liebe Popcornfreunde) hatte echte Wucht. Die französische Komödie „Les Femmes Du 6eme Etage“ konnte mit Charme und Humor überzeugen. „The Future“, der neue Film von und mit der Amerikanerin Miranda July, kam zwar nicht an ihren wunderbaren Erstling „Me, You and Everyone We Know“ heran (nach wie vor einer meiner Lieblinge der letzten 10 Jahre), war mit seiner schrullig-neurotischen Sensibilität aber für einige zauberhafte Momente gut. Klar, eine Auswahl von 22 Preisanwärter-Filmen (davon sechs außer Konkurrenz) birgt natürlich mächtige Qualitätsunterschiede. Jedem recht machen kann es keiner. Aber von meiner persönlichen Warte aus betrachtet muss ich nun zugeben: Es hätte insgesamt schlimmer kommen können – und war es auch schon. Obwohl man sich eine „Plattform für das Kino das 21. Jahrhunderts“, wie Festivalboss Kosslick die „Competition“ so dicklippig ankündigte, dann doch um einige Dimensionen spektakulärer vorstellt – das ist es mit ein bisschen 3D nicht getan.


Aber man kann ja  getrost in den anderen Sektionen Zuflucht suchen. In Berlin immer wieder gerne genommen: Das so genannte „Panorama“, eine Art Auffangbecken für (mehr oder weniger) „unabhängiges Kino“, bietet eine bunte Mischung aus Genres, Thematiken und Ländern, wo es sich immer lohnt, mal tiefer die Nase reinzustecken. Hier habe ich dann auch (genau wie vor 12 Monaten mit „Red Hill“) meinen diesjährigen Berlinale-Lieblingsfilm gefunden: die irische Krimikomödie „The Guard“. Super! Also … echt bloody fucking great! Angesiedelt im idyllischen Conemara, wird hier ein bulliger, ungehobelter Streifenpolizist in eine Mordserie verwickelt, hinter der vom FBI gesuchte Drogengangster stecken. Aber das ist eigentlich wurscht. Es geht vor allem darum, wie der Autor/Regisseur John Michael McDonagh seine Horde angeschrägter Genre-Figuren hier mit einem rattenscharfen Schwarzhumor und zum Wiehern komischen Dialogen ins Rennen schickt, dass man sich unweigerlich an –  ja, Tarantino auch, aber vor allem an – „Brügge sehen … und sterben“ erinnert fühlt. Und nicht nur, weil Brendan Gleeson den Bullen („Guard“) spielt. Wenn man dann noch herausfindet, dass es sich bei John Michael McDonagh um den Bruder (!) von „Brügge“-Regisseur Martin McDonagh handelt, wundert einen gar nix mehr: ein neuer Film-Favorit ist geboren. Ich kann nur hoffen, dass die deutschen Kinogänger dieses herrliche Ding zu sehen kriegen. Was dann allerdings von der breiten irischen „Fuck-you“-Dialogspur nach der fucking Syncho übrig bleiben wird, lässt mir jetzt schon die verfickten Haare zu Berge stehen. Untertitel würden da helfen. Aber wir müssen ja hier nicht ins Detail gehen. „The Guard“ sollte man jedenfalls gesehen haben, wenn einem nicht gerade der Sinn nach grobkörnigem Sozialrealismus mit tiefsinniger politischer Botschaft ganz ohne Musik steht. Ich habe ihn gesehen. Und kann jetzt eigentlich zufrieden nach Hause fahren.

 
16. Februar 2011, 09.47 Uhr
Andreas Dosch
 
 
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