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Foto: Harald Schröder
Foto: Harald Schröder

Synodaler Weg

Maria, schweige nicht

Heute kommt in Frankfurt erstmals die Synodalversammlung zusammen. Bis Oktober 2021 wird es bei insgesamt vier solcher Versammlungen um die Zukunftsfähigkeit der katholischen Kirche gehen. Katholische Feministinnen fordern bereits länger eine grundlegende Reformation.
„Frauenlob wird gerne von Kirchenmännern gesungen, die aber allein bestimmen, wo Frauen ihre Talente in der Kirche einbringen dürfen. In ihrer Mitte dulden sie nur eine Frau: Maria. Auf ihrem Sockel. Da steht sie. Und darf nur schweigen. Holen wir sie vom Sockel! In unsere Mitte. Als Schwester, die in die gleiche Richtung schaut, wie wir.“

Offener Brief an Papst Franziskus und die Synode der Bischöfe aus Anlass des Sondergipfels im Februar 2019 zum Thema der sexualisierten Gewalt in der Kirche

Fast 1,5 Milliarden Mitglieder zählt die katholische Kirche weltweit, Tendenz: sinkend. Zumindest in Deutschland; allein 2018 erklärten über 200 000 Menschen ihren Austritt. Zwar gehören hierzulande immer noch rund 23 Millionen Menschen und damit immerhin 28 Prozent der Gesamtbevölkerung dem katholischen Glauben an, dennoch schlägt die Deutsche Bischofskonferenz (DBK) Alarm: Die derzeitige Austrittsrate ist die höchste seit dem Zweiten Weltkrieg. Geht das so weiter, prognostiziert die DBK, wird sich die katholische Kirche bis 2060 halbiert haben. Die andauernden Missbrauchsskandale und eine fehlende Transparenz seitens der Kirche sowie das Festhalten an patriarchalen Strukturen haben einen tiefgreifenden Vertrauensverlust bewirkt. Auch innerhalb der Kirche rumort es inzwischen so laut, dass es bis in den Vatikan zu hören ist.

Im Mai 2019 erlebte der Ruf der Basis nach Veränderung mit der Gründung der Initiative Maria 2.0 einen vorläufigen Höhepunkt: Hunderte Frauen demonstrierten eine ganze Woche auf dem Münsteraner Domplatz gegen die männlich dominierten Machstrukturen der katholischen Kirche. In einem offenen Brief an Papst Franziskus, den inzwischen 42 000 Menschen unterschrieben haben, heißt es, die Unterzeichnerinnen und Unterzeichner stünden „enttäuscht und wütend vor dem Scherbenhaufen unserer Zuneigung und unseres Vertrauens zu unserer Kirche. Darum fordern wir, wie schon viele vor uns: kein Amt mehr für diejenigen, die andere geschändet haben an Leib und Seele oder diese Taten geduldet oder vertuscht haben, die selbstverständliche Überstellung der Täter an weltliche Gerichte und uneingeschränkte Kooperation mit den Strafverfolgungsbehörden, den Zugang von Frauen zu allen Ämtern der Kirche, die Aufhebung des Pflichtzölibats, kirchliche Sexualmoral an der Lebenswirklichkeit der Menschen auszurichten.“

Die Empörung unter konservativen Katholiken war und ist angesichts dieser Revolte groß; der emeritierte Kurienkardinal Paul Josef Cordes beispielsweise warf Maria 2.0 ein „freches Lügenmanöver“ vor und der Augsburger Bischof Konrad Zdarsa sagte, die Initiative handle „nicht im Sinne des katholischen Glaubens“. Doch es finden sich auch Unterstützer unter den Klerikern. In Frankfurt stellte sich schon früh Stadtdekan Johannes zu Eltz hinter die Frauen, die im Mai entschieden, sich den Protesten anzuschließen und während der Aktionswoche ihren Ehrenämtern sowie den Gottesdiensten fernzubleiben. Die Forderungen der Frauen könne er nachvollziehen, sagte der Stadtdekan. Eltz erregte selbst bereits mehrfach mediale Aufmerksamkeit durch seine progressiven Forderungen: Im Januar 2018 sprach er sich öffentlich für die Segnung gleichgeschlechtlicher Paare innerhalb der römisch-katholischen Kirche aus, 2019 unterzeichnete er einen offenen Brief an Kardinal Reinhard Marx mit der Forderung nach einem neuen Umgang mit Sexualmoral und Homosexualität. Die Maria 2.0-Aktivistinnen ermunterte er, weiterhin vehement für die Erneuerung der katholischen Kirche einzutreten.

Innerhalb kürzester Zeit entwickelte sich aus der als Aktionswoche geplanten Demonstration im Frühjahr eine bundesweite und bis heute anhaltende Protestwelle. In Frankfurt trifft sich die Maria 2.0-Ortsgruppe seither jeden zweiten Donnerstag um 19 Uhr auf dem Domplatz zu einem gemeinsamen Protest. Eine der Aktivistinnen ist die Rechtsanwältin Monika Humpert. Sie sieht sich als Fürsprecherin „für alle, die eine Hoffnung sehen, dass sich Kirche zum Guten weiterentwickeln kann.“ Die Notwendigkeit, dass sich Kirche verändern muss, steht für die Anwältin außer Frage, denn diese sei stets präsent, sagt sie. „Wer sich zur Kirche bekennt, muss viele Kröten schlucken. Man muss viel in Kauf nehmen, was man eigentlich nicht möchte. Und man kann das Gefühl bekommen, dass einem nichts anderes übrigbleibt. Nur im Kleinen bleibt die Möglichkeit, das eigene ‚Kirchenbiotop‘ so zu gestalten, dass man sich wohlfühlt.“ Sie mache wirklich viel in der Gemeinde, auch daher sei ihr wichtig, kritisch aufzutreten und Dinge zu hinterfragen. „Für mich ist der schönste Geist die Vernunft und das größte Glück, in einer Zeit und einem Umfeld zu leben, in dem ich als Frau meinen Kopf verwenden darf. Denken, nachdenken, vordenken – das ist meine große Lust im Leben.“ Die Aufbruchsstimmung innerhalb der Kirche sei grundsätzlich da, ebenso wie der Wille zur Umstrukturierung, sagt Humpert, auch, wenn jede Veränderung erst einmal negativ besetzt sei.

„Frauen sind Kirche, sie gestalten sie wesentlich mit und sind unverzichtbar für eine glaubwürdige Kirche“, sagte im Juli 2017 Maria Flachsbarth, Präsidentin des Katholischen Deutschen Frauenbundes (KDFB), der die Initiative Maria 2.0 unterstützt. „Wir haben eine Wirkmacht in der Gesellschaft – wenn wir glaubhaft auftreten“, sagt auch Ulrike Gerdiken, Vertreterin der Einzelmitglieder des KDFB auf Bundesebene. „Aber manche Männer in der Kirche treten eben nicht so auf, dass wir eine glaubhafte Position in der Gesellschaft einnehmen können.“ Für sie steht fest: Frauen gehören in die Ämter – auf Augenhöhe mit den Männern und mit gleicher Macht. Denn: „Die Missbrauchsstudie hat deutlich gemacht, wo die Fehler liegen – und die finden sich in den eindeutig männlichen Strukturen.“ Ulrike Gerdiken lehrt an der Katholischen Hochschule in Mainz am Fachbereich für Soziale Arbeit und Sozialwissenschaften. Seit zwei Jahren engagiert sie sich im Katholischen Frauenbund; ihr politisches Arbeiten hat sie, so sagt sie, im katholischen Jugendverband gelernt: „Wir sind dort in jeder Hinsicht basisdemokratisch vorgegangen. Dieses verbandliche Arbeiten ist für mich auch innerhalb der Kirche wichtig, da es ein Korrektiv ist.“ Bei jungen Frauen beobachte sie heute etwas, dass sie aus ihrer eigenen Jugend kenne: die Annahme, es sei nicht notwendig, sich feministisch zu engagieren, „da wir ja alles dürfen und gleichberechtigt sind. Mit dem Einstieg in den Beruf und auch mit dem genaueren Kennenlernen der kirchlichen Strukturen außerhalb des Jugendverbandes und der Gemeinde habe ich natürlich gemerkt, dass wir weder in der Gesellschaft noch in der Kirche gleichberechtigt sind.“

Sie werde oft gefragt, wie sie als moderne, denkende Frau überhaupt noch Mitglied der Kirche sein könne, erzählt Gerdiken. Für sie sind die vielen Kritikpunkte jedoch kein Grund, die Heimat, die sie in der Kirche gefunden hat, aufzugeben, sondern vielmehr Ansporn, sich für Veränderung einzusetzen. Modernes Denken, Feminismus und der Glaube an Gott und die katholische Kirche schließen sich für sie nicht aus. „Die Botschaft Jesu Christi ist eine wertvolle und lebenswerte Weltanschauung“, so Gerdiken, „mit der man Gesellschaft sehr gut gestalten kann – wenn man sie denn so auslegt, wie er sie gemeint hat. Nämlich so, dass alle Menschen gleichberechtigt und liebenswert sind. Und dass es für uns alle wichtig ist, das Leben so zu gestalten, dass es wirklich für alle lebenswert ist.“ Monika Humpert stimmt ihr darin zu, im Glauben gebe es viele schöne Gedanken, Sätze und Bilder, die sie und andere Menschen tragen. „Diese ‚religiöse Melodie‘ empfinde ich als Lebensbereicherung und echten Schatz“, so die Anwältin, „und es ist mir wichtig, diese Melodie für meine Kinder zu erhalten.“ Dazu gehöre aber auch, bisher geltende Regeln und Richtlinien zu hinterfragen – selbst die Bibel. Die Botschaften, die in der Bibel geschrieben stehen, müssen für das Heute übersetzt werden, sagt Ulrike Gerdiken, bestimmte Dinge müssen neu gedeutet werden: „Die Bibel wurde in einer Zeit geschrieben, da war das Patriarchat selbstverständlich. Das können wir nicht einfach auf das Heute übertragen.“

Am 1. Advent begann der „Synodale Weg“; die deutschen Bischöfe hatten diesen im Frühjahr 2019 ausgerufen, als Reaktion auf die Vertrauenskrise, welche der Missbrauchsskandal hervorgerufen hat. In den kommenden zwei Jahren wird die Synodalversammlung, bestehend aus Mitgliedern der Deutschen Bischofskonferenz, des Zentralkomitees der deutschen Katholiken sowie weiterer Vertreterinnen und Vertreter geistlicher Dienste und kirchlicher Ämter, für vier Plenarsitzungen im St. Bartholomäus-Dom in Frankfurt zusammenkommen. Die Mitstreiterinnen von Maria 2.0 und des KDFB setzen große Hoffnungen in den Synodalen Weg. Vier Themen wurden festgelegt, deren Diskussion die Reformation der katholischen Kirche einleiten soll: Macht und Gewaltenteilung in der Kirche, Sexualmoral, priesterliche Existenz und – natürlich – die Rolle der Frau und ihr Weg in die Ämter. Im Oktober 2021 wird sich zeigen, ob die katholische Kirche bereit ist für das 21. Jahrhundert. Bis dahin werden die feministischen Katholikinnen weiterkämpfen, denn, so Ulrike Gerdiken, „Kirche ist eben mehr, als nur im weihrauchgeschwängerten Sonntagsgottesdienst zu sitzen.“
 
30. Januar 2020, 12.58 Uhr
Ronja Merkel
 
Ronja Merkel
Jahrgang 1989, Kunsthistorikerin, von Mai 2014 bis Oktober 2015 leitende Kunstredakteurin des JOURNAL FRANKFURT, von September 2018 bis Juni 2021 Chefredakteurin. – Mehr von Ronja Merkel >>
 
 
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