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Foto: picture alliance/dpa/Getty Images Europe/Pool | Thomas Lohnes
Foto: picture alliance/dpa/Getty Images Europe/Pool | Thomas Lohnes

Lübcke-Prozess: Tag zehn

In die Ecke gedrängt

Am Montag, dem zehnten Verhandlungstag, wurde die Befragung des Hauptangeklagten Stephan Ernst im Lübcke-Prozess fortgeführt. Dabei ging es unter anderem verstärkt um die Rolle des Mitangeklagten Markus H.
Drei Versionen der Tatnacht hat Stephan Ernst bisher geschildert und doch ist es die erste Version, auf welche die Richter des 5. Strafsenats sowie Oberstaatsanwalt Dieter Killmer immer wieder zurückkommen. Denn an manchen Fragen wird deutlich, welche der mittlerweile drei Versionen der Tatnacht ihrer Meinung nach am meisten überzeugt. Richter Koller macht es dann noch deutlicher: Als Ernst angibt, nicht bereits vor der Tatnacht am 1. Juni 2019 mit einer Waffe zu Walter Lübckes Haus gefahren zu sein, erinnert Koller an eine Szene aus Ernsts erstem Geständnis. In dieser hatte er angegeben, sich bereits im Juni 2018 auf der Terrasse mit einer Waffe in der Hand versteckt zu haben. „Das war sehr eindrücklich. Wenn das gelogen gewesen sein sollte, haben Sie sehr gut geschauspielert“, sagt Koller. Er habe den Beamten etwas vorgemacht, um den Eindruck eines „Psycho-Nazis“ zu erwecken, erklärt Ernst. Warum dieser Eindruck erweckt werden sollte, kann Ernst nicht erklären. „Ich verstehe den Sinn dahinter nicht“, sagt der Vorsitzende Richter Thomas Sagebiel.

Es ist zunächst ein mühsamer Verhandlungstag. Stephan Ernst nuschelt häufig seine Antworten ins Mikrofon, redet teilweise viel zu schnell und antwortet bei vielen Fragen meist mit „Wie soll ich das erklären?“ und einem darauffolgenden Satz, den man wohl nur als den Versuch einer Erklärung bezeichnen kann. Besonders Oberstaatsanwalt Dieter Killmer gibt sich mit diesen Versuchen nicht zufrieden. Wie bei einem Ping-Pong-Spiel schießt Killmer nach jeder zögerlichen Erklärung Ernsts sofort mit einer Frage zurück und für den Angeklagten wird es während der Befragung durch Oberstaatsanwalt Killmer das erste Mal spürbar beklemmend im Gerichtssaal. In dieser Situation, in der sich der Angeklagte sichtlich angegriffen fühlt, bekommt man in diesem Prozess erstmals einen anderen Eindruck von Stephan Ernst. Der 46-Jährige wirkt plötzlich gar nicht mehr so lethargisch.

Auch Oberstaatsanwalt Killmer zeigt Skepsis bezüglich der von Ernst beschriebenen Rolle des Mitangeklagten Markus H. Ernst hatte sowohl in seiner zweiten als auch in seiner ersten Version der Tatnacht angegeben, mit Markus H. nach dem Mord an Walter Lübcke nicht mehr gesprochen zu haben. Beide hätten sich für ein Treffen im Schützenverein verabredet, zu diesem soll es jedoch nicht mehr gekommen sein. Ernst erläuterte, er habe im Bereich für Bogenschießen auf H. gewartet, dieser sei jedoch nicht aufgetaucht. Als Ernst sich auf den Weg zur Arbeit gemacht habe, habe er auf dem Parkplatz des Vereins Markus H.s Auto gesehen, kontaktiert habe er ihn jedoch danach nicht. „Sie haben einen Mord begangen, das treibt Sie um und dann haben Sie die Gelegenheit, mit der einzigen Person, die davon weiß, zu reden und als diese nicht zu Ihnen kommt, denken Sie sich 'Na gut, dann fahre ich halt zur Arbeit‘?“, fragt Killmer nach.

„Reichsbürger“ mit Vorliebe für NS-Devotionalien


Es war die Frage, mit der am vergangenen Mittwoch Stephan Ernst für Überraschung sorgte: War der Schuss auf Walter Lübcke abgesprochen und geplant oder nicht? Ernst geriet bei dieser Frage ins Stocken. In der Einlassung wird Markus H. mit den Worten zitiert: „Wenn er blöd kommt, schießt du.“ Als Ernst von Richterin Adlhoch direkt befragt wurde, sagte er aus, es sei besprochen gewesen, „so oder so“ einen Schuss abzugeben. Dann besprach sich Ernst mit seinem Verteidiger, trat erneut vor das Richterpult und sagte: „Auf Herrn Lübcke zu schießen, war definitiv geplant.“ Und wie Ernst vergangenen Freitag in der Verhandlung zugab, stand der Plan bereits im April 2019. Treibende Kraft dahinter soll weiterhin Markus H. gewesen sein.

Auch das Bild, das Ernst am Montag von seinem einstigen Freund und „Mentor“ zeichnet, belastet Markus H. schwer. Ernst beschreibt Markus H.s politische Einstellung „in Richtung Reichsbürger“, für ihn sei die „BRD kein souveräner Staat“. Der Holocaust soll er als übertrieben dargestellt betrachtet haben. Markus H. habe zudem laut Ernst einen „Fetisch“ für NS-Devotionalien. Auf Fotos von Markus H.s Wohnung sind Zinnfiguren zu sehen. Eine von ihnen stellt einen SS-Offizier dar, der den Hitlergruß zeigt. Zudem habe die Polizei bei der Wohnungsdurchsuchung eine originale Zyklon-B-Dose gefunden, die H. offenbar als Stifthalter benutzt hatte.

Am kommenden Donnerstag, 13. August, wird die Befragung von Stephan Ernst fortgesetzt.
 
11. August 2020, 10.33 Uhr
Elena Zompi
 
 
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