Schicke Ästhetik und burleske Figuren: Theatertreffen in Berlin

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esther boldt /

Lokalpatriotisches zuerst: Obgleich letztlich keine Frankfurter Produktion eingeladen wurde, standen drei Inszenierungen des schauspielfrankfurt zur Diskussion: Die "Orestie" in der Regie von Karin Neuhäuser, Armin Petras' "Horns Ende und In seiner frühen Kindheit ein Garten" sowie Jan Neumanns "Liebesruh". Ein kleiner Grund zur Freude.

Tatsächlich zu sehen sind aber zehn andere "bemerkenswerte" Inszenierungen des letzten Jahres. Wie Dimiter Gotscheffs "Tartuffe" vom Thalia Theater Hamburg. Der Regisseur hat Molières Originaltext mit seinem Hausgott Heiner Müller, Seneca und anderem Textmaterial montiert, das ihm und seinen Schauspielern bei den Proben in die Hände gefallen ist. Thematisch setzt Gotscheff auf bürgerliche Bigotterie, Dekadenz und natürlich auf religiösen Fanatismus. Dafür spitzt er die Figuren bis ins äußerste zu, hysterische Charaktere schreien und rennen über die nahezu kahle Bühne und lassen wenig Raum für Differenzierungen. Einen präzise inszenierter, grandios besetzter Heidenspaß, das sicher, aber was jenseits dessen bleibt, ist unklar - allzu sehr wirkt auch die gesellschaftspolitische Ebene Scherenschnittartig. So war auch das Publikum geteilter Meinung, "Buh"- und Bravo"-Rufe hielten sich die Waage. Beim anschließenden Publikumsgespräch gab Gotscheff sich wortkarg und ließ lieber seinen Dramaturgen Claus Caesar und seine Schauspieler sprechen.

Auch Sebastian Nüblings "Dido und Aeneas" vom Theater Basel kommt in erster Linie gutaussehend und genau gearbeitet daher. Auf ein politisches Interesse wird allerdings scheint's ganz verzichtet: Nübling verschneidet Henry Purcells Barockoper mit Christopher Marlowes Tragödie. Ein ästhetischer Querschläger aus Oper, Schauspiel und etwas Tanz, der das Geschehen um Karthagos Königin Dido und den Trojaner Aeneas gänzlich in ein Festgelage verlegt, von der Vorspeise bis zum Espresso danach. Auch hier wird Dekadenz zelebriert, ohne weitere Bedeutung zu behaupten, andere Horizonte zu öffnen. Ein Erlebnis allerdings ist Sandra Hüllers Dido, die zwischen seichter Oberfläche und unlesbarer Tiefe changiert.


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