Im S&K-Prozess geht es um Betrug im ganz großen Stil. Doch im Gerichtssaal wird lieber über Befangenheit von Schöffen oder Richtern sowie über die Zulassung von Tonaufnahmen diskutiert. Dabei warten noch 900 Zeugen.
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Es gibt viel zu besprechen im Gerichtssaal 1 im Gebäude E des Frankfurter Landgerichts. Zur Verhandlung steht – eigentlich – ob insgesamt sechs Angeklagte rund um das Unternehmensgeflecht von S&K mehr oder weniger des bandenmäßigen Betrugs mittels eines ausgeklügelten Schneeballsystems schuldig sind, bei dem Anleger rund 240 Millionen Euro verloren haben. Doch bislang ist man von Wahrheits- geschweige denn Urteilsfindung auch mehr als ein Vierteljahr nach Prozessbeginn noch Ewigkeiten entfernt. Die mehr als 1700 Seiten starke Anklageschrift ist zwar verlesen, doch das juristische Klein-Klein der rund 19 Anwälte, die als Verteidiger fungieren, hält den Prozessfortgang auf. Längst geht niemand der Beteiligten mehr von einem Prozessende in diesem Jahr aus, offen wird von 2017 gesprochen. Kein Wunder bei 877 Seiten Beweismittel und insgesamt 884 Zeugen. Und so dümpelt der Prozess dahin wie ein Kahn auf dem Atlantik bei Flaute. Kein Land in Sicht, aber viel Meuterei auf der Bounty.
Noch bevor Richter Alexander El Duwaik den Antrag der Verteidigung auf Befangenheit der Schöffen – die angeblich von den manipulativen Ausführungen in der Anklageschrift beeinflusst sein sollen – ablehnen kann, schmettert ihm eine Verteidigerin erneut einen Antrag entgegen, in dem diesmal er und seine Richterkollegen im Fokus stehen. Der Mandant Hauke B. zeige sich besorgt, dass die Richter befangen sein könnten, letztlich hätten die Richter Einfluss darauf genommen, wie die Verteidigerin mit ihr zur Verfügung gestelltem Datenmaterial umzugehen habe. So habe man ihr untersagt dieses Material an Dritte weiterzugeben und generell fühle sie sich in dem Recht der freien, unabhängigen Berufsausübung verletzt. Ein Richter dürfe einem Anwalt keineswegs vorschreiben, wie dieser seinen Beruf auszuüben habe. Der Antrag war lang, natürlich lag er nicht schriftlich in Kopie für alle Beteiligten vor und so gab es am 28. Verfahrenstag von 34 bisher veranschlagten Prozesstagen, von denen sechs ausfielen, wieder eine 30-minütige Unterbrechung – fürs Kopieren und zur Lektüre. Ein sich in aller Regelmäßigkeit wiederholendes Schauspiel. Solche Pausen dehnen sich aller Erfahrung nach auch immer aus, so wie auch die Verhandlung bisher kaum jemals pünktlich um 9 Uhr begonnen hat. Wozu auch die Eile.
Nach der Pause entspann sich eine Diskussion darüber, ob Audiodateien, also Telefonmitschnitte, von den Angeklagten nur in Beisein der Verteidiger angehört werden dürften oder nicht oder ob sie an Verteidigungshelfer weitergeleitet werden dürfen. Es dauert gemeinhin, bis über derartige Anträge entschieden ist. Inzwischen wurde ein altes Thema wieder neu aufgerollt: Die Sitzordnung im Gerichtssaal. Keineswegs wollte nämlich die Verteidigung hinnehmen, dass die Zeugen zwischen Staatsanwaltschaft und Richterbank platziert werden. Man einigte sich darauf, so technisch möglich, von den zumeist nicht genutzten Tischen der Nebenbeteiligten einige zu entfernen und es so zu ermöglichen Zeugen in der Mitte des Saals zu befragen. Es folgte ein weiterer Antrag, erneut wegen etwaiger Löschungen von Beweismaterial, das als Datei im Polizeipräsidium zugänglich sein sollte. Wieder (theoretisch) 15 Minuten Pause. Als danach ein Verteidiger mit einem seitenlangen Text angesichts der Fülle der zu verhandelnden Masse im Verfahren eine Tonträgeraufzeichnung beantragt, kann der Richter nur noch die Backen aufblasen. Selbstredend ist das im Gerichtssaal gesprochene Wort nachvollziehbarer, wenn es aufgezeichnet wurde, doch anders als in vielen Ländern, gehört die Tonaufzeichnung und schon gar nicht die Bildaufzeichnung in Deutschland kein Standardprozedere. Und so zog sich das Gericht zur Beratung zurück und der Verhandlungstag war um 12.30 Uhr beendet. Weiter geht es am Mittwoch. Was bisher geschah, lesen Sie hier: