Riesenapplaus für „Lear“ an der Oper Frankfurt

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DerChristian /

Mit einem Riesenapplaus ist an der Oper Frankfurt vom Publikum die erste Premiere in dieser Saison aufgenommen worden: Der neue Generalmusikdirektor Sebastian Weigle dirigierte den „Lear“ von Aribert Reimann. Damit stand er zum ersten Mal in seiner Funktion bei einer Neuproduktion am Pult. Ein grandioser Einstand – zumal der „Lear“ musikalisch eine der schwierigsten zeitgenössischen Opern ist.

Der „Lear“ zählt zu den am meisten gespielten zeitgenössischen Opern, doch noch nie war er in Frankfurt zu sehen gewesen. Doch jetzt hat sich Regisseur Keith Warner dem Stück aus dem Jahr 1978 angenommen – und herausgekommen ist eine der emotionalsten und zugleich tiefgründigsten Lesarten, die die Oper Frankfurt seit langem präsentiert hat.
Warner ist in Frankfurt kein Unbekannter. Er hat hier unter anderem Rossinis „Aschenbrödel“ oder Brittens „Death in Venice“ realisiert. Doch so scharfsinnig seine Interpretationen auch in der Vergangenheit stets waren, dieses Mal ist ihm ein richtig großer Wurf gelungen. Denn er verdichtet den Shakespeareschen Stoff auf geradezu beängstigend-packende Art auf die inneren Befindlichkeiten der Protagonisten und arbeitet Polaritäten heraus: Gut gegen Böse, Alt gegen Jung, Mann gegen Frau, Modern gegen Alt. Diese Positionen übersetzt er in bezwingende Bilder, überträgt sie in ein sorgsam gesponnenes Geflecht intensiver Symbole. Den bösen Schwestern ist die Sphäre der Dunkelheit, des Schwarzen vorbehalten, während Cordelia, die Gute, stets in reinem Weiß daherkommt. Das Gefolge von Goneril und Regan trägt schwarze Schlachterschürzen. Lediglich der Narr gerät bei ihm zu einer Art allwissendem Erzähler puppenspielerhaften Zuschnitts.
So entwirft Warner Welten und Parallelwelten, spannt Räume auf und setzt diese in Beziehung zueinander. Dabei setzen er und sein Bühnenbildner Boris Kudlička auf massig Nebel-, Licht und Windeffekte, generieren Stimmungen der Beklemmung und der Fatalität – wenn sich etwa der König als verrückter, alter Mann, als abgerissener Penner auf einer endzeitlichen Mülldeponie inmitten eines Berges von Altkleidern und Unrat wiederfindet. Packendstes Bild ist dabei ein Vorhang aus feinem Nieselregen, auf den Warner kommentierende Symbole projizieren lässt. Das ist Regiearbeit im ureigensten Sinne. Zugleich extrahiert er aber auch aus der Handlung eine Art Zahlenmystik. Allgegenwärtig ist bei ihm dabei das Tryptichon als Metapher.
Hinzu kommt eine musikalische Leistung, die sich sehen lassen kann. Weigle hatte bis auf ganz wenige Wackler das Orchester sicher im Griff. Zupackend, kommentierend, feinfühlig. Hervorragend einfach. Mega-Applaus gab es auch für Wolfgang Koch in der Titelrolle sowie Britta Stallmeister in der Rolle der lieben Tochter Cordelia. Fein und nuaciert, klar und sorgsam in der Tongebung. Den Narren spielte übrigens kein Geringerer als Graham Clark – einer der bedeutendsten Loge- und Mime-Interpreten aus Bayreuth!
Zugegeben, insgesamt war das kein leichter Tobak; doch Genuss war gestern – heute gibt es endlich wieder ’was zum Nachdenken. So muss Oper sein!


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