Nach am Vortag musste man sich Sorgen machen, ob die Idee, beim „Music Discovery Project“ Klassik auf Techno treffen zu lassen ausgerechnet am Vatertag ein Publikum finden würde. Und dann setzte am gestrigen Abend nach 18 Uhr doch der Run auf die Tickets für das Konzert des hr Sinfonieorchesters mit den DJs Tom Wax und Boris Alexander ein und der Sendesaal war bis auf den letzten Platz ausverkauft und das Publikum saß sogar noch auf den Treppen.
Mit leichter Verspätung ging's dann los und die Neunte von Dvorák ist auch ganz pur schon ein aufwühlendes, schönes wie dynamisches Stück Musik. Mit den Videoprojektionen von Andy Belau und Jonathan Kunz fing es zunächst ganz heimelig an - die Weite und Schönheit der Natur war Thema in schier endlosen Variationen. Aber es blieb nicht bei dieser Marlboro-Werbung-Ästhetik. Ganz langsam wurde die "Neue Welt" in ihren ganzen Widersprüchen dargestellt, kamen industrielle Bilder ins Spiel, um schließlich kalifornische Wellenreiter auf den großen Projektionsleinwänden links und recht von der Bühne mit Kriegsszenen aus dem Irak zu konfrontieren. Eine Bilderflut, die in Kombination mit der Musik, ihren markanten Themen, nicht ohne Wirkung beim Publikum blieb.
Erst ganz zum Schluss kamen Wax und Alexander auf die Bühne. Und während das Orchester sich für einen Moment zurücklehnte, übernahmen sie erst einmal mit Orchestersamples eine langsame, noch vorsichtige Annäherung an die musikalischen Themen, um dann Beats und Geräusche zu unterlegen bevor dann das Orchester einsetzte, um die "Sinfonie aus der Neuen Welt" gemeinsam zum Höhepunkt zu führen. Lustig zu beobachten war Paavo Järvis Kampf mit dem Kopfhörer und tatsächlich: Ob das rhythmisch immer synchron war, was man da in relativ kurzer Probezeit gemeinsam erarbeitet hatte, sei einmal dahin gestellt. Klar ist, dass die Rhythmik einer klassischen Komposition oft komplexer ist, als das im Kopf von DJs, die in Techno und House zu Hause sind, verankert sein mag. So richtig zerstückelt und verzerrt - wie angekündigt - wurde Dvorák letztlich nicht. Da war dann der Respekt viel zu groß (oder stießen die DJs an ihre Grenzen). Jedenfalls war es ein gelungener Abend, mehr als nur ein Experiment, nämlich ein Weg, junges, anderes Publikum an Klassik heran zu führen, letztlich dann auch ohne "Hilfsmittel" in ganz purer Form. denn hallo: wer richtig hingehört hat, sich von der Projektion nicht zu sehr hat ablenken lassen, hat gehört, wie sehr ein Sinfonieorchester "rocken" kann (eine Kesselpauke macht locker jeden noch so deftigen Computerbeat platt) und wie "Klassiker" wie die "Sinfonie aus der Neuen Welt" eben auch Folk, Jazz, Weltmusik und - wenn man sich die Ohrwurmqualitäten mancher Motive klar macht - sogar Pop ist.