Musikalische Wende: Waltraud Meier singt „Wesendonck-Lieder“

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DerChristian /

Manchmal ist es nur eine Petitesse, zuweilen lediglich eine Zugabe, die einem Konzert einen ganz besonderen Dreh gibt: Als am Sonntagabend die Sopranistin Waltraud Meier am Ende ihres Auftritts in der Alten Oper in den tosenden Applaus hinein auf die Bühne trat, war wohl jedem im Publikum klar, dass hier eine der größten Wagner-Sängerinnen, die die Welt gerade zu bieten hat, am Werk ist. Gesungen hatte sie zuvor die „Wesendonck-Lieder“ von Richard Wagner. – Doch dann gab es eine Zugabe. Das „Mild und leise“ der Isolde. Jene Passage aus dem „Tristan“, mit der die Meier einst an den größten Häusern rund um den Globus ihre Erfolge feierte. Hochemotional wie eh und je, perfekt in der Intonation, mit einer Textverständlichkeit, die keinen Vergleich scheut. So kennen wie sie aus Bayreuth, Paris und München. Doch wo waren jene klaren Höhen, jene voll Emphase geschmetterten Spitzen? Was 1993 bis 1999 in der Heiner Müller-Inszenierung des „Tristan“ die halbe Welt vor Ehrfurcht erstarren ließ – verhalten, zurückgenommen, stellenweise gar leicht angeraut. Fast hätte man es bei den „Wesendonck-Liedern“ schon vermuten können, die Zugabe aber zeigte es dann in schonungsloser Klarheit: Waltraud Meier ist keine Isolde mehr. Auch keine Kundry. Eher eine Venus oder vielleicht auch eine Brünhilde. Vorbei ist jene Epoche, die Zeiten, in denen ein Auftritt den anderen jagte, fordern ihren Tribut an Stimme und Kraft. Das ist freilich nicht grundsätzlich schlimm oder bedeuernswert. Denn Waltraud Meier besinnt sich zum Glück auf den dramatischen Liedgesang. Die „Wesendonck-Lieder“ gestaltet sie wie keine andere. Da macht sich die jahrzehntelange Erfahrung hundertfach bezahlt. Und das Mahler Chamber Orchestra unter Daniel Harding hätte sie im Handumdrehen zum musikalischen Stichwortgeber degradieren können. Das scheint sie zu wissen. Trauern wir also nicht vergangenen Zeiten hinterher, sondern freuen uns, dass Waltraud Meier die Wende eingeleitet hat. Denn in ihrem (neuen) Metier ist und bleibt sie einfach die Größte.

Bild: Alte Oper Frankfurt/Anna Meuer


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