Eine Jury hat über das Unwort des Jahres entschieden. Unter den insgesamt 1316 Einsendungen machte der von der Trump-Sprecherin Kellyanne Conway verwendete Begriff "alternative Fakten" das Rennen.
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Die feierliche Amtseinführung von Donald Trump und die Berichterstattung über die angeblich geringer ausgefallenen Besucherzahlen als damals bei Obama führte dazu, dass ein Sprecher der Trumpadministration wider besseren Wissen oder Videobeweisen behauptete, dass es noch nie eine besser besuchte Amtseinführungszeremonie gegeben habe. Später sah sich Trump-Beraterin Kellyanne Conway (im Foto auf dem Cover des Stadtmagazins New York) dazu genötigt, diese falsche Behauptung als „alternative Fakten“ zu umschreiben. Laut der Jury, die am Dienstag in Darmstadt das Unwort des Jahres 2017 bekannt gegeben hat, ist der Begriff ein Sinnbild für die sich ausbreitende Praxis, den Austausch von Argumenten auf Faktenbasis durch nicht belegbare Behauptungen zu ersetzen, die dann mit einer Bezeichnung wie „alternative Fakten“ als legitim gekennzeichnet werden. Von den insgesamt 1316 Einsendungen entfielen 65 auf den Begriff „alternative Fakten“.
Außerdem weit vorne landeten Begriffe wie „Shuttle-Service“, womit die Seenotrettungseinsätze von Nichtregierungsorganisationen im Mittelmeer gemeint sind, die Menschen helfen, die in Schlauchbooten flüchten. Der innenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Stephan Mayer, hatte geäußert, das bedeute „de facto […] ein[en] Shuttle-Service zum italienischen Festland beziehungsweise den italienischen Inseln“. Die Jury urteilt, mit dem Ausdruck würden auf zynische Weise sowohl die flüchtenden Menschen als auch diejenigen diffamiert, die ihnen humanitäre Hilfe leisten. „Shuttle-Service“ stehe stellvertretend für Tendenzen im öffentlichen Sprachgebrauch, die Grenzen des Sagbaren in eine menschenverachtende, polemisch-zynische Richtung zu verschieben.
Ebenfalls ein heißer Kandidat für das „Unwort des Jahres“ ist der Begriff „Genderwahn“ gewesen, der vor allem in konservativen bis rechtspopulistischen Kreisen zunehmend Bemühungen um Geschlechtergerechtigkeit in undifferenzierter Weise diffamiert, so die Begründung der Jury.
Die zehn häufigsten Einsendungen aus den Zuschriften an die Jury, die allerdings nicht zwingend den Kriterien der Jury entsprechen, waren Babycaust [122x], alternative Fakten [65x], Nazi [34x], Sondierungsgespräche [27x], ergebnisoffen [21x], Jamaika-Koalition [18x], atmender Deckel [16x], Obergrenze [16x], Fake News [16x] und Bio-Deutsche(r) [15x]. zu der Jury gehören die vier Sprachwissenschaftler Nina Janich/Sprecherin (TU Darmstadt), Kersten Sven Roth (Universität Düsseldorf), Jürgen Schiewe (Universität Greifswald) und Martin Wengeler (Universität Trier) sowie der Autor und freie Journalist Stephan Hebel. Als jährlich wechselndes Mitglied war in diesem Jahr die anonyme Street Art-Künstlerin Barbara beteiligt.