Fortsetzung folgt - das verspricht Joschka Fischer schon im Vorwort: "Abschließende Urteile mögen sich die Leserinnern und Leser bitte bis zum Schluss meiner Erinnerungen aufsparen." Gern, Herr Vize-Kanzler: ziehen wir also ein Zwischenfazit. Im ersten Teil seiner Autobiographie, die am 4. Oktober erschienen ist, beschreibt Fischer seine Sicht auf "die rot-grünen Jahre", wie es im Untertitel heißt. Und noch sachlicher geht es weiter: "Deutsche Außenpolitik - vom Kosovo bis zum 11. September". Ist das der Fischer, den wir kennen? Geradezu milde schaut er uns vom Cover an - irgendeine Mischung aus Hundeblick und Weltschmerz. Und tatsächlich geht es erstaunlich zu in Joschkas Welt. Selbst Helmut Kohl findet lobende Erwähnung: "Gerade in dieser historischen Begründung für Verlässlichkeit und Kalkulierbarkeit der deutschen Außenpolitik wie auch in der Europapolitik stand ich dem abgewählten Kanzler seit einigen Jahren sehr nahe, und zwar aus Überzeugung", heißt es da an einer Stelle. Die eigene Partei, insbesondere die Fundis, bekommen dagegen ihr Fett weg. Trittin etwa, wie er auf einer Demonstration eine Linie von der Wehrmacht zur Bundeswehr zieht. Oder die Einpeitscher auf dem Bielefelder Parteitag, die den "Kriegshetzer" Fischer niederschreien und ihn mit einem Farbbeutelwurf bedenken. Und: "Ströbele! Immer wieder Ströbele!" So kommt es auch, dass die Biographie Rückgriffe nehmen muss. In die Anfangszeit der Grünen, in den ewigen Kampf zwischen Parteilinke und -rechte - und auch in die Jahre um 68 als der spätere Außenminister in Frankfurt Steine wirft und Polizisten vermöbelt. In Joschkas Welt passt dies alles zusammen, es ist der Aufstieg eines grünen Superstars, der endlich da ankommt, wo er laut eigener Aussage schon immer ankommen wollte: in bundesdeutscher Regierungsverantwortung. Die war ganz schön anstrengend, von Anfang an. "Ich erinnerte mich in dieser Stunde des Triumphes aus guten Gründen auch an all die Plagen, die Mühen und das mehrfach drohende Scheitern der zweiten rot-grünen Landesregierung in Hessen zwischen 1991-94, an all die kaum vorhersehbaren Fallen und Abgründe des Regierungsalltages als hessischer Umweltminister. Und ich ahnte auch, ja ich wusste es, dass es noch um ein Vielfaches härter werden würde, die Bundesrepublik mit ihren 82 Millionen Menschen zu regieren." So kam es auch: "Was für eine Woche! Lafontaine weg, die EU-Kommission beging Harakiri, im Kosovo drohte Krieg, und ab dem 24. März hatten wir in Berlin die Finanzprobleme der EU zu lösen! Und wir waren noch keine sechs Monate im Amt." Wahrlich kein Zuckerschlecken, dieses Regieren - aber es kommt ja alles noch viel schlimmer. Warten wir also den zweiten Band ab. Der erste endet mit dem 11. September. "Warum die Geschichte ausgerechnet unter Rot-Grün so hart zuschlagen musste, würde eine weitere niemals beantwortbare Frage bleiben. Aber was auch immer die Zukunft für uns an Herausforderungen und Prüfungen bereithalten würde, wir waren in der Verantwortung und mussten Handeln, gerade an diesem Tag." Reichlich pathetisches Ende. Aber wir wollen keine voreiligen Schlüsse ziehen: Fortsetzung folgt.
Joschka Fischer: Die rot-grünen Jahre, Deutsche Außenpolitik - vom Kosovo bis zum 11. September, Kiepenheuer Witsch, 448 Seiten, 22,90 Euro.