Ermittlungsverfahren islamistischen Terrorismus' und wegen Kinderpornographie nehmen in Hessen stetig zu. Justizministerin Eva Kühne-Hörmann forderte bei einer Jahresbilanz eine Verschärfung der Gesetze.
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„Die Welt ist nicht schlechter geworden, die Leute haben nur vertrauen in uns und zeigen mehr Delikte an“, sagt der hessische Generalstaatsanwalt Helmut Fünfsinn anlässlich der gemeinsamen Jahresbilanz des Hessischen Ministeriums der Justiz und der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt. Das beruhigt zumindest etwas, denn im Vergleich zum Vorjahr weist die Jahresstatistik für 2016 insgesamt 5,5 Prozent mehr neue Ermittlungsverfahren auf. In Gänze waren das 390.652 neue Verfahren. Hessens 415 Staatsanwälte sowie 122 Amtsanwälte haben indes im vergangenen Jahr insgesamt 390.924 Ermittlungsverfahren abgeschlossen. Ein Plus von 7,1 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. „Die Dauer der Bearbeitung eines Ermittlungsverfahrens betrug im Jahr 2016 durchschnittlich 2,1 Monate.“ Der Einsatz von mehr Personal scheint dabei eine Rolle gespielt zu haben. „Wir arbeiten“, so Fünfsinn.
Deutlich sichtbar sei ein Anstieg von Ermittlungsverfahren aus dem Bereich des islamistischen Terrorismus in Hessen, aber auch bei Kinderpornografie und der Cyberkriminalität. „Die militärische und finanzielle Schwächung des internationalen Terrorismus hat nicht zur Folge, dass in Deutschland die entsprechenden Verfahren weniger werden“, so Fünfsinn. Vor allem die Aufarbeitung der Taten von Rückkehrer werde zunehmen, vor allem bei der Beteiligung Deutscher an Gräueltaten. „Hier haben wir bereits Ermittlungserfolge erzielt, wie die Festnahme eines tunesischen Tatverdächtigen Anfang Februar 2017 zeigt.“ Der Mann soll als Anwerber und Schleuser für den IS tätig geworden sein und ein Netzwerk aufgebaut haben, mit dem Ziel einen Terroranschlag in Deutschland zu verüben. Seit 2013 haben die hessischen Staatsanwaltschaften etwa 491 Verfahren im Bereich des Terrorismus eingeleitet. 2013 waren noch 53 Ermittlungsverfahren in dem Bereich erfasst, 2016 waren es gar 200 und in diesem Jahr schon 169 Ermittlungsverfahren. Die Staatsanwaltschaft Frankfurt hat 2016 insgesamt 70 Ermittlungsverfahren wegen des Vorwurfs der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat eingeleitet. 2017 sind es bis jetzt schon 35. „Eine effektive Strafverfolgung wirkt auf potentielle Sympathisanten und Mitläufer abschreckend“, ist sich Fünfsinn sicher.
Bei der Cyberkriminalität spiele die hessische Zentrale zur Bekämpfung der Internetkriminalität (ZIT) bei der Ermittlungstätigkeit eine große Rolle. Im Jahr 2016 wurden bei der ZIT insgesamt 1.798 neue Ermittlungsverfahren registriert. „Insbesondere bei der Bekämpfung der Kinderpornografie erfüllt die ZIT einen wichtigen Beitrag, zum Beispiel durch die Identifizierung von Tatverdächtigen im offenen Internet als auch im Darknet.“ In der polizeilichen Kriminalstatistik sei die Zahl der Kinderpornographie 2016 um 12 Prozent auf 5687 Fälle bundesweit gesunken, die Zahl der von der ZIT bearbeiteten Kinderpornographiefälle habe sich aber von 656 im Jahr 2015 auf 1.377 Fälle im Jahr 2016 mehr als verdoppelt. Es handele sich dabei um fast 25 Prozent der bundesweit bearbeiteten Fälle von Kinderpornographie. Bis Ende Juni 2017 seien bei der ZIT bereits 1541 neue Ermittlungsverfahren registriert worden, darunter 1266 Fälle von Kinderpornographie. Eine Kooperation mit Internet-Service-Providern wie Google erkläre den massiven Anstieg der Ermittlungsverfahren. Seit Anfang des Jahres führe das ZIT ein Ermittlungsverfahren gegen den Administrator der im Darknet betriebenen Plattform „Elysium“, die mehr als 87.000 Nutzer zählte.
Ein Problem stelle der geringe Strafrahmen dar, sagt Justizministerin Eva Kühne-Hörmann. Die liege im Falle der Beschaffung von Kinderpornografie bei drei Jahren. „Das ist unterhalb der Höchststrafe bei Ladendiebstahl!“, prangert Kühne-Hörmann an. „Der geringe Strafrahmen behindert uns bei den Ermittlungen“, offenbar weil das Delikt so als minder schwer erachtet wird und weniger intensiv bearbeitet wird. Die Justizministerin fordert daher einen Strafrahmen von fünf Jahren. Auch beim Cybergrooming, wenn sich Erwachsene an Kinder heranpirschen unter der Vortäuschung falscher Tatsachen, müsse man gesetzlich nachlegen. Denn der erfolglose Versuch der Kontaktaufnahme mit Jugendlichen könne juristisch nicht verfolgt werden. „Bisher wissen die Täter, dass das straflos ist. Das Gesetz muss also nur um einen Satz ergänzt werden: Auch der Versuch ist strafbar.“ Es sei zudem Zeit für eine Verifizierungspflicht bei Pre-Paid-Telekommunikationsprozessen. Denn derzeit sei die Verfolgung von Kinderpornografie ohne die erforderlichen Daten äußerst schwierig.