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Foto: Auf Demonstrationen positionieren sich auch russischsprachige Menschen gegen Putins Krieg. Foto: Bernd Kammerer
Foto: Auf Demonstrationen positionieren sich auch russischsprachige Menschen gegen Putins Krieg. Foto: Bernd Kammerer

Ukraine-Krieg

„Wir dürfen Putins Krieg nicht nach Deutschland holen“

Durch den Krieg in der Ukraine sind russischsprachige Menschen in Deutschland häufiger mit Anfeindungen konfrontiert. Albina Nazarenus-Vetter, Geschäftsführerin der IDRH, erzählt, warum solche Anfeindungen gefährlich sein können und wie man damit umgehen sollte.
JOURNAL FRANKFURT: Frau Nazarenus-Vetter, wie nehmen Sie den Umgang mit dem Krieg in der Ukraine hier in Frankfurt wahr?
Albina Nazarenus-Vetter: Die Menschen sind alle sehr aufgeregt und natürlich auch geschockt, weil keiner damit gerechnet hat, dass es wirklich zu einem Krieg kommt. Eigentlich gibt es ja schon seit vielen Jahren Krieg, auch durch die Annexion der Krim. Trotzdem haben wir hier im Westen so getan, als wäre nichts und haben weiterhin mit Putin Geschäfte gemacht. Es hat ja noch bis vor Kurzem gedauert, bis sich auch die Bundesregierung dementsprechend positioniert hat. Niemand hat damit gerechnet, dass es wirklich zu so einer Eskalation kommt und deswegen sind die Menschen auch so verängstigt, weil es jetzt so unberechenbar ist und man nicht weiß, wie weit Putin tatsächlich gehen wird. Das ist natürlich alles menschlich und nachvollziehbar.

Viele Menschen, gerade aus der russischsprachigen Community, wenden sich jetzt an die Interessengemeinschaft der Deutschen aus Russland in Hessen (IDRH). Wie hat sich Ihre Arbeit in den vergangenen Wochen verändert?
Wir haben schon nach dem ersten Tag, als der „heiße Krieg“ ausgebrochen ist, unser Team zu einer Krisensitzung zusammengerufen, um zu schauen, was jetzt konkret zu tun ist. Wir haben gleich öffentlich deutlich gemacht, dass wir den Krieg aufs Schärfste kritisieren, dass wir uns distanzieren von Putins Politik und dass wir zu hundert Prozent solidarisch sind mit den Menschen aus der Ukraine. Darüber hinaus haben wir eine Spendenaktion organisiert, bei der innerhalb von drei Tagen mehr als vier Tonnen Hilfsgüter zusammengekommen sind, die dann nach Charkiw gebracht wurden. Parallel habe ich mich an die Stadt gewandt und unsere Hilfe als Träger angeboten. Viele der Menschen, die aus der Ukraine kommen sind zweisprachig, manche aber auch nur russischsprachig, das heißt, wir können da übersetzen, begleiten und auch Menschen, die traumatisiert sind, betreuen.

Wie ist denn die Reaktion der Menschen aus der Ukraine, wenn ihnen hier Hilfe aus der russischsprachigen Community angeboten wird?
Man muss hier ganz klar differenzieren, wer eigentlich zur russischsprachigen Community gehört: Der größte Teil sind Spätaussiedler aus der ehemaligen Sowjetunion, es sind aber auch jüdische Kontingentflüchtlinge, viele Menschen aus binationalen Ehen, Studenten oder Menschen, die hier arbeiten und viele Geflüchtete aus der Ukraine sprechen eben auch nur russisch. Russischsprachige Menschen sind nicht gleich „Agenten von Putin“. Die meisten leben schon sehr lange hier und stehen auch für die Werte und Normen unserer demokratischen Gesellschaft. Auch in unserem Team sind sowohl Menschen aus Russland als auch aus der Ukraine. Und wir waren uns einig, wir dürfen Putins Krieg nicht nach Deutschland holen. Das spaltet unsere Gesellschaft und dann hat er genau sein Ziel erreicht. Die russischsprachigen Menschen hier können nichts für den Krieg, sie verurteilen die Politik von Putin aufs Schärfste. Und genau das versuchen wir auch an die Menschen, die wir betreuen, heranzutragen. Nur weil Menschen russisch sprechen, sind sie keine Putin-Freunde.

In letzter Zeit hört man immer häufiger von Anfeindungen gegen Menschen aus der russischsprachigen Community in Deutschland. Wie ist die Situation in Frankfurt? Bekommen Sie aktuell häufig von solchen Anfeindungen erzählt?
Sehr verunsichert sind die Eltern – sie melden sich wirklich täglich an uns mit der Bitte, vor allem an das Stadtschulamt zu appellieren, dass doch bitte Frau Weber als Bildungsdezernentin ein Schreiben an die Schulen und Lehrer verfasst. Es kommt derzeit wohl öfter zu Fällen, in denen Lehrer die Kinder, von denen sie wissen, dass es einen entsprechenden Hintergrund gibt, quasi vor den Pranger stellen. Sie müssen dann vor der Klasse erzählen, wie die Eltern zum Krieg stehen, was sie selbst davon halten, welche Sprache zu Hause gesprochen wird, welche Fernsehsender geguckt werden. Das das darf nicht sein, damit stigmatisieren und traumatisieren sie die Kinder. Auch die Eltern aus unseren deutsch-russischen Kitas sind verängstigt, ob die Kinder dort gut beschützt sind oder ob man die Polizei alarmieren sollte.

Wichtig ist, Ruhe zu bewahren. Trotzdem sollte natürlich jede Straftat – im Rhein-Main-Gebiet gab es auch schon einzelne Fälle, bei denen Autos zerkratzt oder Geschäfte beschmiert wurden – angezeigt werden und die verunsicherten russischsprechenden Menschen müssen jetzt wissen, dass der deutsche Staat sie beschützt. Denn selbstverständlich nutzt auch Putin gerade diese vereinzelten Fälle aus, um solche Ängste zu schüren. Er appelliert, wenn Menschen aufgrund ihrer russischen Sprache oder Herkunft bedroht werden, sollen sie sich an die russische Botschaft wenden. Das darf auf gar keinen Fall passieren, weil wir ihm dann in die Hände spielen. Er wird das umdrehen und gegen den demokratischen Westen nutzen. Das ist ein Teil seiner Propaganda.

Sie haben schon gesagt, die IDRH hat sich gleich von Putins Krieg und seiner Politik distanziert. Wie waren denn die Reaktionen aus der russischsprachigen Community darauf?
Die meisten sind absolut auf unserer westlichen Seite. Natürlich gab es vereinzelt auch heftige Auseinandersetzungen in unseren Chats. Das sind dann die immer selben Argumente: „Der Westen ist Schuld“, „Die NATO ist Schuld“, „Putin hatte ja letzten Endes keine andere Wahl“ und so weiter. Aber was mich sehr gefreut hat, ist, dass die meisten sofort reagiert und diese Menschen gleich an den Pranger gestellt haben. Da gab es sofort Gegenargumente: „Wer ist denn jetzt tatsächlich der Aggressor?“, „Wer hat den Krieg angezettelt? Es war nicht die Nato und auch nicht die Ukraine, sondern allein Putin“. Diese Solidarität auf der Seite der Ukraine hat mich sehr gefreut.

Und wie gehen Sie als IDRH mit Menschen aus der russischsprachigen Community um, die sich hinter Putin und seine Politik stellen?
In die Community herein haben wir gleich signalisiert: Dieser Schutz, den wir mit Blick auf die Anfeindungen jetzt anbieten, gilt nur für den Fall, dass die Leute sich klipp und klar von Putin distanzieren, den Krieg verurteilen, Putin als Aggressor bezeichnen und sich solidarisch mit der Ukraine erklären. Putin hat diesen Krieg ja seit vielen Jahren vorbereitet. Wir haben schon mitbekommen, dass zum Beispiel bei der Annexion der Krim oder der Flüchtlingskrise auch die russischsprechenden Menschen in Deutschland Ziel seiner Propaganda waren – vor allem über Putins Social-Media-Kanäle und russische Fernsehsendungen. Das war alles darauf gerichtet, hier zu destabilisieren. Wir haben schon damals angefangen, an unsere Leute zu appellieren: Bitte haltet euch fern, schaut ganz genau hin und bekennt euch zu den Werten unserer demokratischen Gesellschaft.

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Albina Nazarenus-Vetter kam mit 20 Jahren als deutsche Spätaussiedlerin aus der ehemaligen Sowjetunion nach Deutschland. Seit 1999 ist sie die Trägerleitung der Deutschen Jugend aus Russland (DJR), die seit mehr als 20 Jahren russischsprachige Menschen in Deutschland unterstützt. Heute ist Nazarenus-Vetter zudem Geschäftsführerin der Interessengemeinschaft der Deutschen aus Russland in Hessen (IDRH).
 
14. März 2022, 12.57 Uhr
Laura Oehl
 
Laura Oehl
Jahrgang 1994, Studium der Musikwissenschaft an der Goethe-Universität Frankfurt, Journalismus-Master an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, seit Dezember 2020 beim JOURNAL FRANKFURT. – Mehr von Laura Oehl >>
 
 
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