Brian Wilson wie er singt und (fast) lacht

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red /

“BRIAAAN!” Der Typ in der vierten Reihe ist nicht leise zu kriegen. “BRIAAAN! WE LOVE YOU!” grölt er zwischen jedem Song seines Helden, wohl
in der irrigen Annahme, für einen kurzen Augenblick dessen Aufmerksamkeit zu erlangen. Doch Brian Wilson ist viel zu sehr damit beschäftigt, sich auf die nächste Ansage und das anschließende Lied zu konzentrieren. “Ich bin jetzt 65 Jahre alt”, murmelt er, “aber wenn ich dieses Lied singe, fühle ich mich wie ein kleiner Junge … oder wie ein kleines Mädchen - was auch immer.” Ein Raunen geht durch die Menge, als die “Pet Sounds”-Ballade “Caroline No” beginnt: gefühlvoll gespielt, leicht brüchig, aber mit großer Leidenschaft gesungen. Die nächste Nummer toppt das noch: “God Only Knows”, eine andere Großtat vom Jahrhundertalbum “Pet Sounds”, berühmt geworden durch die Stimme von Brians Bruder Carl Wilson, der vor einigen Jahren starb.


Mit Hilfe seiner 10-köpfigen Band routiniert aufeinander eingespielter Multi-Instrumentalisten gerät der Vortrag der alten Beach-Boys-Hymne zur kleinen Offenbarung, Brian steht am Ende des Stückes auf (was einer mittleren Sensation gleich kommt) und verbeugt sich. Bei genauerem
Hinsehen erkennt man: Es laufen ihm Tränen übers Gesicht, die er hastig wegwischt. “We are all happy here!” erklärt er schnell, wohl um sich
selbst zu trösten - und weiter geht das Best-of-Potpourri.


Von “Surfin’ USA” bis “Love Mercy” vom ersten Sololabum reicht das Programm, mit dem Brian Wilson aufs Mainzer Zeltfestival gekommen ist.
“Greatest Hits” im wahrsten Sinne des Wortes. Seit seinem letzten Auftritt hierzulande scheint sich sein Zustand merklich verbessert zu haben. Saß die seelisch gebrochene Pop-Legende mit Drogen- und
Psychopharmaka-Vergangenheit beim “Smile”-Konzert in der Alten Oper noch etwas ungelenk hinter seinem Keyboard (das er pro Auftritt nur selten
wirklich bedient), leistet er sich dieses Mal ein vergleichsweise exaltiertes Minen- und Gestenspiel, mehrmals quält er sich gar ein
Lächeln ab, und bei der Zugabe hängt er sich gar eine Gitarre um, steigt ein weiteres Mal vom Hocker ab und rockt den Schuppen, als habe es Angus Young von AC/DC nie gegeben - na ja, Brian wackelt eher im Rhythmus und schrubbt ein paar Akkorde, aber es ist eine Wonne, ihm dabei zuzusehen.


Das Festivalzelt jedenfalls ist (zu Recht) aus dem Häuschen (aus dem Zeltchen?), wenn Wilson Band ein Evergreen-Feuerwerk der Extraklasse zünden: “Good Vibrations”, “California Girls”, “I Get Around”, “Barbara Ann”, selbst das hochkomplexe “Heroes And Villians” kommt im mehrstimmigen Satzgesang auf den Punkt von der Bühne. Außerdem hat der Keyboarder Geburtstag, da wird noch mal ein Ständchen gesungen. Ach ja, und der Gitarrist ist mit einem “girl from Mainz” verheiratet, wie
schön. “BRIAAAN!” brüllt der Typ aus der vierten Reihe, als dieser sich nach 90 Minuten Golden Oldies-Nonstop mit einer Verbeugung
verabschiedet. Draußen ist es noch hell, und vom angekündigten Gaststar, Beach Boys-Kollege Al Jardine, war weit und breit nichts zu sehen. Aber
egal, man geht trotzdem mit einem Lächeln und einem warmen Gefühl im Herzen nach Hause. “Brians Musik verbindet die Seelen”, schreibt der
Frankfurter Wilson-Überfan Günther Kümmel in einer Art öffentlichem Liebesbrief, den er vor dem Konzert verteilte. Und es ist wahr: Von
diesem linkisch-tapsigen 65-jährigen geht eine seltsame, fast magische Faszination aus. In diesem Sinne: BRIAAAN!!!!!


Heute Abend steht die Stimme von Creedence Clearwater Revival, John Fogerty, auf der Bühne des Zeltfestval in Mainz.
ANDREAS DOSCH


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