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Besuchsstopp in Krankenhäusern
„Besuche spielen eine wichtige Rolle für die Genesung“
Der Besuchsstopp der Krankenhäuser löst großes Unverständnis aus. Kliniken wollen ihre Patienten und ihr Personal vor Corona schützen. Angehörige dagegen wollen mit ihrem Besuch zum Heilungsprozess beitragen oder sich sogar vor dem Tod verabschieden.
Seit Ende November haben nahezu alle Kliniken und Krankenhäuser in Frankfurt einen Besuchsstopp verhängt, um damit auf die aktuelle Corona-Situation zu reagieren und sowohl Patientinnen und Patienten als auch das Personal zu schützen. Dazu zählen unter anderem auch das Markus Krankenhaus, das Bethanien Krankenhaus, das Klinikum Höchst, die Uniklinik Frankfurt, die Rotkreuzkliniken sowie die Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik (BGU). Durch ein Besuchsverbot wolle man einen potentiellen Covid-Infektions-Eintrag in die Klinik weitestgehend verhindern, heißt es in einer Mitteilung der BGU. Als Krankenhaus sei man besonders strengen Hygiene-Auflagen unterlegen, die beispielsweise bei Besuchen in Mehrbettzimmern nicht mehr sicherzustellen seien, betonen die Rotkreuzkliniken. Neben einem Besuchsverbot gebe es zudem auch Zutrittskontrollen, die durch den Paragraphen 28 des Infektionsschutzgesetz begründet seien, teilen die Rotkreuzkliniken mit.
Ausnahmefälle gibt es dennoch in allen befragten Krankenhäusern und Kliniken. Bei Palliativpatienten sowie bei Patientinnen und Patienten, für die ein Besuch zwingend erforderlich sei, werden Besuche in direkter Absprache mit der Station – beziehungsweise mit dem behandelnden Arzt – gestattet. Hierbei gilt, wie das Klinikum Höchst mitteilt, die 2G-plus-Regel. Besuchen dürfen also nur Geimpften und Genesenen mit einem aktuellen, negativen Corona-Test. Die Uniklinik erweitert diese Regel um eine vorherige Anmeldung über ein Besuchersystem, das online zur Verfügung stehe. Die Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik gibt darüber hinaus strikte Besuchszeiträume vor, die im Vorfeld ärztlich beziehungsweise pflegerisch definiert werden.
Besuchsverbote in Krankenhäusern haben rechtliche Grundlage
Auf rechtlicher Grundlage kann eine Einschränkung des Besuchsrechts in Krankenhäusern erfolgen, wie aus der Generalklausel des Infektionsschutzgesetztes Paragraph 28 Absatz 1 hervorgeht: Dort steht festgeschrieben, dass das Krankenhaus „notwendige Schutzmaßnahmen“ zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erlassen kann. Das Krankenhaus könne „Personen verpflichten, den Ort, an dem sie sich befinden, nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu verlassen oder von ihr bestimmte Orte oder öffentliche Orte nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu betreten”, heißt es dort. Darüber hinaus kann sich das Krankenhaus auf sein Hausrecht berufen (Artikel 14, Absatz 1 Grundgesetz) und zugleich auf seine Fürsorge- und Schutzverpflichtung zugunsten der Patienten verweisen.
Klinikseelsorge übt Kritik an Besuchsstopps
Lothar Jung-Hankel, Klinikseelsorger an der BGU, sieht das Besuchsverbot kritisch. „Natürlich sind die Verbote aufgrund der aktuellen Lage ein notwendiger Schritt“, erklärt er. Man müsse sich jedoch auch über die Konsequenzen eines solchen Verbots bewusst sein. Die Besuchsverbote gingen, laut Jung-Hankel, mit einer zusätzlichen Belastung für das Klinikpersonal sowie der Ärzteschaft einher. „Wenn man seine Angehörigen nicht mehr persönlich besuchen darf, muss fast alles für den Klinikaufenthalt Notwendige an der Pforte übergeben werden“, betont er. Ärzte seien zudem mit Organisatorischem, beispielsweise Ausnahmeregelungen, zusätzlich gefordert. Darüber hinaus spielten Besuche eine „unheimlich wichtige“ Rolle für die Genesung des Patienten. „Deshalb denke ich, dass es begründete Ausnahmen geben muss“, so der Klinikseelsorger. Das habe der erste Lockdown gezeigt, bei dem viele Menschen einsam in den Krankenhäusern gestorben seien.
Als Seelsorger gilt das Besuchsverbot für ihn jedoch nicht. „Wir dürfen noch in die Kliniken und bekommen dann natürlich das Leid der Menschen mit, deren Angehörige sie nicht besuchen dürfen“, sagt er. Häufig werde jedoch nicht wahrgenommen, was ein Besuchsverbot für den Einzelnen bedeute, so Jung-Hankel. Alle Patienten benötigten Zuwendung durch Familie und Freunde. Eine Möglichkeit biete die BGU in Form von Videotelefonaten über Tablets. „Das ersetzt aber nicht den persönlichen Kontakt, zumal viele Ältere ihre Probleme mit der Technik haben“, resümiert er.
„Abschied ist ein wichtiger Baustein für den Trauerprozess”
Ebenso kritisch sieht Heinke Geiter von der Arbeitsgemeinschaft Hospiz das Thema Besuchsverbote. „So verständlich Besuchsverbote auch sind, weil die Kliniken ihre Patienten vor Ansteckung schützen wollen, so problematisch sind sie auch“, erklärt sie. Auch sie betont, wie wichtig der Kontakt zu vertrauten Personen für den Heilungsprozess sei. Noch bedeutsamer seien solche Besuche jedoch bei sterbenskranken Menschen, damit man sich voneinander verabschieden, Dinge klären und miteinander Frieden schließen könne. „Angehörigen, die nicht Abschied nehmen können, fehlt ein ganz wichtiger Baustein für ihren Trauerprozess. Sie haben Schuldgefühle, den Kranken gerade in der Sterbezeit allein gelassen zu haben“, betont Geiter. Für die Angehörigen gehe es darum, den Tod zu begreifen – im wahrsten Sinne des Wortes. „Denn beim Erleben, dass der Tote sich verändert, blass aussieht, nach und nach kälter wird, wird das, was die Angehörigen mit dem Verstand wissen, auch emotional erfasst.“
Besonders prekär sei die Situation, so Geiter, wenn Menschen mit Demenz im Krankenhaus seien. Diese bräuchten dringend vertraute Angehörige, die sie in dieser für sie fremden Welt begleiten. Demenzkranke würden nicht verstehen, warum ihre Angehörigen sie alleingelassen haben. Sie habe beispielsweise miterlebt, dass ein an Demenz-Erkrankter einen Zettel an seine Frau geschrieben habe, auf dem stand: „Komm, sei nicht mehr böse mit mir!“ Das habe ein schlechtes Gewissen bei der Ehefrau ausgelöst, erzählt Geiter. Sie habe nicht damit fertig werden können, dass ihr Mann als letztes gedacht habe, dass sie böse mit ihm sei und dass sie das nicht mehr hat aufklären können. „Die Hospiz AG steht den Besuchstopps daher – nicht nur in Frankfurt – sehr kritisch gegenüber“, erklärt die Pfarrerin. Menschen, die geboostert und getestet seien, sollten Zugang zu ihren Angehörigen haben. Das gelte ganz besonders in der Sterbephase.
Ausnahmefälle gibt es dennoch in allen befragten Krankenhäusern und Kliniken. Bei Palliativpatienten sowie bei Patientinnen und Patienten, für die ein Besuch zwingend erforderlich sei, werden Besuche in direkter Absprache mit der Station – beziehungsweise mit dem behandelnden Arzt – gestattet. Hierbei gilt, wie das Klinikum Höchst mitteilt, die 2G-plus-Regel. Besuchen dürfen also nur Geimpften und Genesenen mit einem aktuellen, negativen Corona-Test. Die Uniklinik erweitert diese Regel um eine vorherige Anmeldung über ein Besuchersystem, das online zur Verfügung stehe. Die Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik gibt darüber hinaus strikte Besuchszeiträume vor, die im Vorfeld ärztlich beziehungsweise pflegerisch definiert werden.
Besuchsverbote in Krankenhäusern haben rechtliche Grundlage
Auf rechtlicher Grundlage kann eine Einschränkung des Besuchsrechts in Krankenhäusern erfolgen, wie aus der Generalklausel des Infektionsschutzgesetztes Paragraph 28 Absatz 1 hervorgeht: Dort steht festgeschrieben, dass das Krankenhaus „notwendige Schutzmaßnahmen“ zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erlassen kann. Das Krankenhaus könne „Personen verpflichten, den Ort, an dem sie sich befinden, nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu verlassen oder von ihr bestimmte Orte oder öffentliche Orte nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu betreten”, heißt es dort. Darüber hinaus kann sich das Krankenhaus auf sein Hausrecht berufen (Artikel 14, Absatz 1 Grundgesetz) und zugleich auf seine Fürsorge- und Schutzverpflichtung zugunsten der Patienten verweisen.
Klinikseelsorge übt Kritik an Besuchsstopps
Lothar Jung-Hankel, Klinikseelsorger an der BGU, sieht das Besuchsverbot kritisch. „Natürlich sind die Verbote aufgrund der aktuellen Lage ein notwendiger Schritt“, erklärt er. Man müsse sich jedoch auch über die Konsequenzen eines solchen Verbots bewusst sein. Die Besuchsverbote gingen, laut Jung-Hankel, mit einer zusätzlichen Belastung für das Klinikpersonal sowie der Ärzteschaft einher. „Wenn man seine Angehörigen nicht mehr persönlich besuchen darf, muss fast alles für den Klinikaufenthalt Notwendige an der Pforte übergeben werden“, betont er. Ärzte seien zudem mit Organisatorischem, beispielsweise Ausnahmeregelungen, zusätzlich gefordert. Darüber hinaus spielten Besuche eine „unheimlich wichtige“ Rolle für die Genesung des Patienten. „Deshalb denke ich, dass es begründete Ausnahmen geben muss“, so der Klinikseelsorger. Das habe der erste Lockdown gezeigt, bei dem viele Menschen einsam in den Krankenhäusern gestorben seien.
Als Seelsorger gilt das Besuchsverbot für ihn jedoch nicht. „Wir dürfen noch in die Kliniken und bekommen dann natürlich das Leid der Menschen mit, deren Angehörige sie nicht besuchen dürfen“, sagt er. Häufig werde jedoch nicht wahrgenommen, was ein Besuchsverbot für den Einzelnen bedeute, so Jung-Hankel. Alle Patienten benötigten Zuwendung durch Familie und Freunde. Eine Möglichkeit biete die BGU in Form von Videotelefonaten über Tablets. „Das ersetzt aber nicht den persönlichen Kontakt, zumal viele Ältere ihre Probleme mit der Technik haben“, resümiert er.
„Abschied ist ein wichtiger Baustein für den Trauerprozess”
Ebenso kritisch sieht Heinke Geiter von der Arbeitsgemeinschaft Hospiz das Thema Besuchsverbote. „So verständlich Besuchsverbote auch sind, weil die Kliniken ihre Patienten vor Ansteckung schützen wollen, so problematisch sind sie auch“, erklärt sie. Auch sie betont, wie wichtig der Kontakt zu vertrauten Personen für den Heilungsprozess sei. Noch bedeutsamer seien solche Besuche jedoch bei sterbenskranken Menschen, damit man sich voneinander verabschieden, Dinge klären und miteinander Frieden schließen könne. „Angehörigen, die nicht Abschied nehmen können, fehlt ein ganz wichtiger Baustein für ihren Trauerprozess. Sie haben Schuldgefühle, den Kranken gerade in der Sterbezeit allein gelassen zu haben“, betont Geiter. Für die Angehörigen gehe es darum, den Tod zu begreifen – im wahrsten Sinne des Wortes. „Denn beim Erleben, dass der Tote sich verändert, blass aussieht, nach und nach kälter wird, wird das, was die Angehörigen mit dem Verstand wissen, auch emotional erfasst.“
Besonders prekär sei die Situation, so Geiter, wenn Menschen mit Demenz im Krankenhaus seien. Diese bräuchten dringend vertraute Angehörige, die sie in dieser für sie fremden Welt begleiten. Demenzkranke würden nicht verstehen, warum ihre Angehörigen sie alleingelassen haben. Sie habe beispielsweise miterlebt, dass ein an Demenz-Erkrankter einen Zettel an seine Frau geschrieben habe, auf dem stand: „Komm, sei nicht mehr böse mit mir!“ Das habe ein schlechtes Gewissen bei der Ehefrau ausgelöst, erzählt Geiter. Sie habe nicht damit fertig werden können, dass ihr Mann als letztes gedacht habe, dass sie böse mit ihm sei und dass sie das nicht mehr hat aufklären können. „Die Hospiz AG steht den Besuchstopps daher – nicht nur in Frankfurt – sehr kritisch gegenüber“, erklärt die Pfarrerin. Menschen, die geboostert und getestet seien, sollten Zugang zu ihren Angehörigen haben. Das gelte ganz besonders in der Sterbephase.
10. Dezember 2021, 12.33 Uhr
Margaux Adam/Sinem Koyuncu
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8. Dezember 2024
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