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Foto: Dirk Ostermeier
Foto: Dirk Ostermeier

Volt: Eileen O'Sullivan im Gespräch

„Wir müssen uns endlich überlegen, was diese Stadt in zehn Jahren sein möchte“

Die noch junge paneuropäische Partei Volt möchte ins Frankfurter Stadtparlament. Spitzenkandidatin Eileen O'Sullivan hat klare Vorstellungen von der Kommunalpolitik der Zukunft. Ein Gespräch über Visionen, Populismus und den Wandel der deutschen Politik.
JOURNAL FRANKFURT: Frau O’Sullivan, Sie wollen für die noch junge Partei Volt ins Frankfurter Stadtparlament. Weshalb versuchen Sie es nicht über eine der etablierten Volksparteien?
Eileen O’Sullivan: Als ich vor einigen Jahren, etwa mit dem Aufkommen der sogenannten Flüchtlingskrise, beschlossen habe, mich politisch engagieren zu wollen, habe ich zunächst natürlich nach einer Möglichkeit der Beteiligung in den bekannten größeren Parteien gesucht. Dabei musste ich allerdings schnell feststellen, dass man von diesen Parteien meistens nur die gleichen Info-Heftchen in die Hand gedrückt bekommt und zum „Stammtisch“ mit den alteingesessenen Mitgliedern eingeladen wird. Das erschien mir damals alles wahnsinnig unpersönlich und auch desinteressiert. Aus dieser Erfahrung heraus habe ich angefangen, mich nach Alternativen umzuschauen und bin schließlich über einen Bekannten auf Volt gestoßen. Für mich ergab sich damit die Möglichkeit einer Beteiligung, die ich so in den festgefahrenen Strukturen der etablierten Parteien nie erfahren hätte.

Den großen Parteien fällt es insgesamt immer schwerer, Nachwuchs zu generieren. Ist das Parteiensystem, wie wir es kennen, überholt?
Die gesamte deutsche Politik befindet sich derzeit in einem Wandel. Das, was die vergangenen 75 Jahre funktioniert hat, lässt sich nur noch bedingt auf das Heute übertragen. Das zeigen auch die zahlreichen Jugend-Bewegungen, die seit einiger Zeit immer präsenter werden. Ich finde es wahnsinnig spannend zu sehen, wie viele junge Menschen aktuell genau das politische Engagement zeigen, das in den vergangenen Jahren in unserer Gesellschaft immer gefehlt hat.

Woher rührt dieses plötzliche politische Erwachen der Jugend Ihrer Meinung nach?
Ich glaube, dass meine Generation lange einfach nur zugeschaut hat. Es war ja auch viele Jahre alles gut, zumindest oberflächlich. Aber irgendwann kommt der Moment, in dem man aufwacht und realisiert, dass sich nichts bewegt und alles nur irgendwie lauwarm vor sich hinplätschert, solange man sich nicht aktiv beteiligt. Das politische System, wie wir es kennen, lässt eine Beteiligung der Jugend aber nur bedingt zu; es sind immer die gleichen Gespräche der gleichen Herren, die fortwährend geführt werden. Dabei muss es doch Aufgabe der Demokratie und auch der Parteien sein, Menschen, und gerade die jungen Menschen, für Politik und die Entwicklung unserer Gesellschaft zu begeistern. Doch genau das haben die etablierten Parteien in den vergangenen Jahren versäumt. Während der Corona-Pandemie ist das noch stärker sichtbar geworden.

Inwiefern?
Mit Beginn der Pandemie wurde schnell deutlich, welche der Parteien fähig sind, ihre altbekannten Abläufe zu optimieren und digital zu funktionieren. Während wir bei Volt mit wenigen Anpassungen ganz gewohnt weiterarbeiten konnten, mussten die Volksparteien erst einmal die Hürde Livestream meistern. Da überrascht es nicht, dass Deutschland in puncto Digitalisierung im internationalen Vergleich so stark hinterherhinkt, und in diesem Bereich entsprechend immer neue Probleme seit Covid auftreten.

Nun hat Volt aber auch sehr viele junge Mitglieder, die schlicht altersbedingt erfahrener sind, wenn es um Digitalisierungsthemen geht.
Es engagieren sich zwar viele junge Menschen bei uns, das stimmt, aber wir haben genauso zahlreiche Mitglieder, die 50, 60 Jahre oder älter sind. Unsere Silver-Volter! Wir beteiligen uns alle gleichermaßen, treffen gemeinsam Entscheidungen und suchen den Austausch miteinander. Jede Meinung ist valide. Ich höre so oft von Menschen, die sich in den Jugendorganisationen der großen Parteien engagieren, dass die wichtigen Entscheidungen allein von den Älteren getroffen würden, da diese mehr Erfahrung hätten. Das ist doch unglaublich schade! Bei Volt kommen Jung und Alt unter anderem in unserem „Buddy-System“ gezielt zusammen, um voneinander zu lernen. So haben wir es auch geschafft, unsere älteren Mitglieder bei der coronabedingten Umstellung auf das Digitale mitzunehmen. Das aktuelle Parteiensystem baut in erster Linie auf dem Geschacher um Positionen und Ämter auf. Wer kandidieren darf und wer nicht, wird aufgrund von Hierarchien und Einfluss entschieden, nicht auf Grundlage dessen, ob die jeweilige Person tatsächlich etwas zu sagen hat. Das ist schlicht nicht mehr zeitgemäß. Wir müssen endlich flexibler werden.

Eine kleine Partei, die es schnell geschafft hat, vergleichsweise groß zu werden, ist die AfD. Weshalb ist es Ihrer Meinung nach gerade den Populist:innen gelungen, sich neben den Volksparteien zu behaupten?
Die etablierten Parteien haben es nicht geschafft, Visionen zu entwickeln. In den vergangenen Jahren sind die Grenzen zwischen den drei großen Parteien immer weiter verschwommen. Das sehen wir auch in der Frankfurter Koalition: Es fehlt an Klarheit und differenzierten Inhalten; die Parteien gleichen sich immer weiter an. Das ist schade, vor allem aber auch gefährlich. Wenn die Demokrat:innen es nicht schaffen, klare Forderungen zu stellen, überlassen sie den Populist:innen die Bühne. Die AfD hat schmerzlich offengelegt, dass die etablierten Parteien nicht in der Lage sind, klare Kante zu zeigen. Im Gegenteil: Die Narrative nähern sich eher denen der AfD an, in der Hoffnung, noch einige der konservativen Wähler:innen abfischen zu können. Das ist wahnsinnig mutlos. Und verantwortungslos.

Sie sprechen von Visionen. Welche verfolgt Volt?
Volt wurde bewusst als europäische Partei gegründet. Das heißt, wir fordern europäische Lösungen, beispielsweise beim Klimawandel oder in der Flüchtlingspolitik. Denn die Herausforderungen enden nicht an den nationalen Grenzen. Wir müssen auf europäischer Ebene informieren, und auf lokaler Ebene agieren. Speziell auf Frankfurt bezogen wollen wir unter anderem weniger Autos in der Innenstadt. Dafür wollen wir den ÖPNV ausbauen, streben aber auch eine City-Maut an. Kurzfristig, auch vor dem Hintergrund der Pandemie, braucht Frankfurt eine funktionierende Digitalstrategie. In dem Zusammenhang haben wir ein Konzept zur Stärkung des Einzelhandels und damit der lokalen Wirtschaft erstellt.

In Anknüpfung an den „Frankfurt-Plan“ des Oberbürgermeisters?
Ich kann mir nur vorstellen, wie schmerzhaft sich dieser „Vorschlag“ des Oberbürgermeisters für die Frankfurter Einzelhändler:innen angefühlt haben muss. Menschen fürchten um ihre Existenz und die Stadtregierung schlägt nach fast einem Jahr Corona Nightshopping und Pop-Up-Stores vor. Wir müssen uns endlich überlegen, was diese Stadt in zehn Jahren sein möchte. Die Digitalisierung schreitet immer weiter voran, die Menschen kaufen vornehmlich online ein. Die Frage muss doch sein: Wie schaffen wir es, diese Entwicklung für den Einzelhandel gewinnbringend zu nutzen?

Welche Lösung schlagen Sie vor?
Ein erster Schritt muss sein, eine lokale Handelsplattform, ähnlich wie Amazon, zu schaffen. Es braucht digitale Ansprechpartner:innen bei der Stadt und Fördergelder, um die Einzelhändler:innen zu unterstützen. Digitalisierung ist auch eine Frage der sozialen Gerechtigkeit. Wenn bis 2022 der gesamte Service des Bürgeramtes digital funktionieren soll, dann hätten wir uns eigentlich schon gestern die Frage stellen müssen, wie wir das an die Bürger:innen herantragen. Machen beispielsweise VHS-Kurse für die älteren Herrschaften, die nicht so digital-affin sind, Sinn? Wie nehmen wir die Menschen mit, die in den Ämtern unter den neuen Bedingungen werden arbeiten müssen? Ich habe die Befürchtung, dass zwar Dinge umgesetzt werden, aber ohne sich vorab die Konsequenzen bewusst zu machen. Dabei gibt es genügend globale Beispiele, an denen sich Frankfurt orientieren könnte, wenn die hiesigen Politiker:innen bereit wären, sich mit den Expert:innen anderer Städte auszutauschen. Es ist keine Schande, nicht für jedes Problem die Lösung zu kennen. Aber dann muss man den Mut haben, sich die Hilfe derer zu holen, die bereits die Antworten haben.

Dieses Interview erschien zuerst in der Ausgabe 3/2021 des JOURNAL FRANKFURT.
 
5. März 2021, 10.13 Uhr
Ronja Merkel
 
Ronja Merkel
Jahrgang 1989, Kunsthistorikerin, von Mai 2014 bis Oktober 2015 leitende Kunstredakteurin des JOURNAL FRANKFURT, von September 2018 bis Juni 2021 Chefredakteurin. – Mehr von Ronja Merkel >>
 
 
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