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Foto: Nils Bremer
Foto: Nils Bremer

Rote Socken am Westerbach

House of Cards - die Eschborn-Edition VIII

Eschborn hat sich die Rosinen aus zwei Systemen herausgepickt: Vom Kapitalismus das Geld, vom Sozialismus die Utopie, dass jeder ein gleich großes Kuchenstück bekommen sollte. Das färbt auch auf die Linken im Orte ab ...
Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser.
Wladimir Iljitsch Lenin

Zuerst einmal bitte ich Sie, sich im ganzen Wirrwarr von Eschbornern, die in unserer Serie schon aufgetreten sind, diesen Namen bis zum Ende dieser Folge in Erinnerung zu behalten: Matthes. Thomas Matthes.

Zum Zweiten muss ich vorweg sagen, dass es immer zwei Arten gibt, eine Geschichte zu erzählen. Eine runde, in sich schlüssige. Und eine ausgefranste und nicht so schöne. Manche Journalistenkollegen tragen gerne das Bonmot vor sich her, dass man sich eine schöne Geschichte nicht durch zuviel Recherche kaputtmachen sollte. Deswegen erzähle ich hier beide Versionen. Zuerst die schöne.

Ok. Fangen wir an.

In Griechenland regiert jetzt der Kommunismus und eine gute Prise Rechtspopulismus haben sie auch noch dazugegeben. Und wenn ich den Radionachrichten glauben darf, die mich auf meinem Weg aus dem Vordertaunus nach Frankfurt begleiten, dann stehen dem Anschluss an die UdSSR nur noch ein paar wenige Verhandlungsrunden und Assoziierungsverträge entgegen. War also der richtige Tag, um mal wieder rote Schuhe UND rote Socken zu tragen, nicht nur aus einer Laune heraus, sondern auch als vorauseilender Gehorsam, jetzt wo uns der Sozialismus zu überrollen droht.

Der letzte Ort jedenfalls, den dieses Schicksal ereilen wird, ist, Sie ahnen es, Eschborn. Eschborn, diese Enklave des Kapitalismus in Reinform. Heimstatt der Deutschen Börse, vieler Banken, Vodafone, Ernst&Young, you name it. 20.000 Einwohner und viele, viele Millionen Euro - und keine Sorgen. Also, abgesehen von jenem spartanischen Politikverständnis, das uns in diesem munteren „House-of-Cards“-Abklatsch schon so oft beschäftigt hat.

Man sollte also glauben, dass die Linkspartei in Eschborn nicht viel zu lachen hat, denn: Wer wollte ernsthaft dieses Paradies abschaffen, in dem es nicht nur viel Geld für alle, sondern auch kostenlose Kindergartenplätze gibt? Im Grunde genommen kommt hier der Kommunitarismus mit grenzenlosem Kapital zusammen. Das Beste aus beiden Welten.

Und doch: Die Linke sitzt im Parlament, mit zwei Abgeordneten, aber immerhin. Muss ein Fest sein für sie gerade. Ein Bürgermeister von der FDP, der sich geriert, als sei das Eschborner Rathaus das Set von „Das sagen die Anderen“. Eine SPD, die sagt: Erstmal abwarten. Eine CDU, die auch nicht immer astrein regierte. Da kann die Linke mal das tun, was sie am Besten kann: Den politischen Gegner rhetorisch zermalmen, es der neoliberalen FDP-Nase mal so richtig zeigen. Bäm!

Im Kreisblatt wird der Fraktionsvorsitzende der Linken zitiert, uh, das wird schmutzig: "Wir wollen erstmal abwarten." Wie, das ist alles? Nein, schlimmer: Die Linken vermuten hinter den Angriffen auf den Bürgermeister eine Kampagne der "bürgerlichen" FAZ und der Bild-Zeitung. Und, klar: Herr Geiger habe vielleicht das halbe Rathaus abfotografiert, aber ja nur, um das Leben, verzeihung: das Fehlverhalten der Anderen zu dokumentieren.

Woran liegt's? Vielleicht daran: Sie erinnern sich, dass der Eschborner Bürgermeister seinem Vorgänger und dem PR-Mann Jürg Leipziger vorwarf, Geld unterschlagen zu haben? Und dass dies nach allem, was wir wissen, nicht mehr als eine schöne Nebelbombe ist, um von den Eschborn-Leaks abzulenken? Nun, wer eine Klage abwehren will, der braucht einen guten Anwalt. Und den hat Bürgermeister Mathias Geiger in Simone Hommel gefunden. Am Mittwoch ging der Urkundenprozess zu Ende - mit einem Sieg von Leipziger. Die Vertragsauflösung: laut Gericht nicht ok. Frau Hommel arbeitet übrigens in der Kanzlei Matthes und Hommel.

Matthes. Thomas Matthes. Anwalt und Fraktionsvorsitzender der Linken. Gibt es in Eschborn eigentlich Zufälle? Oder anders: Bei uns Journalisten schlägt das Herz ja, wie es uns Rudolf Augstein beigebracht hat, im Zweifel links. Und bei den Linken in Eschborn? Da liegt das Portemonnaie im Zweifel näher als das Herz.

Schöner Schluss, oder? Aber da war ja noch die Sache mit der zweiten Art eine Geschichte zu erzählen. Und deswegen rufen wir nun noch bei Herrn Matthes an. Recherche und so. Vom Gerücht, er würde den Bürgermeister mit Samthandschuhen anfassen, weil seine Kanzlei ein Mandat bei ihm hat, hört er zum ersten Mal. "Zunächst einmal habe ich nichts mit diesem Fall zu tun, sondern meine Kollegin. Und außerdem lasse ich doch dadurch nicht mein Gewissen korrumpieren!"

Herr Matthes ist empört und ein bisschen versteht man das auch. Man sei eben eine Eschborner Kanzlei und Herr Geiger vergebe Aufträge gerne an Firmen aus dem Ort. "Das unterscheidet ihn ja gerade von seinen Vorgängern." Und zur Sache Geiger sagt er: "Bislang liegen nicht alle Fakten auf dem Tisch, was wir wissen, wissen wir vor allem durch die Berichterstattung der FAZ und der Bild-Zeitung. Und die haben schon vorher Kampagnen gemacht, bei denen nicht viel übrig blieb. Es ist alles nicht so einfach." Ach, und den Beratervertrag mit Herrn Leipziger, den habe man damals als Fraktion abgelehnt. "Das ist ja auch so eine typische Sache gewesen", sagt Herr Matthes darüber. Mit dem Satz, das in der Vergangenheit einige Sachen im Rathaus schiefliefen, habe der jetzige Bürgermeister jedenfalls nicht unrecht. Fraglich sei aber, ob das zerstörte Vertrauen vieler Mitarbeiter im Rathaus noch wiederhergestellt werden könne. "Da muss man abwarten", sagt Herr Matthes dann nochmal. Und das tun wir auch. Fortsetzung folgt.

>> House of Cards - die Eschborn-Edition
Alle Folgen auf einen Blick
 
29. Januar 2015, 15.04 Uhr
Nils Bremer
 
 
Fotogalerie:
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