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Deutschland sucht die Doppelspitze

Urwahl: Grünen-Kandidaten stellten sich in Frankfurt vor

Mit welchen Spitzenkandidaten die Grünen in den Bundeswahlkampf 2013 gehen, wird in einer Urwahl von den Parteimitgliedern entschieden. In Frankfurt stellten sich elf der Bewerber vor.
Demokratie kann ganz schön anstrengend sein. Die Grünen suchen derzeit ihre Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl 2013. Jedes Mitglied durfte kandidieren. 15 haben die Steilvorlage genutzt, tingeln nun durch die Bundesländer der Republik, um sich und ihr Programm vorzustellen, und hoffen darauf, von den Parteimitgliedern – ganz demokratisch – in den Wahlkampf geschickt zu werden. Auf der fünften Casting-Show binnen weniger Tage buhlten immerhin elf der 15 Bewerber nun auch in Frankfurt um die Gunst der Basis. Wahrhaft Chancen dürfen sich allerdings nur die üblichen Verdächtigen ausrechnen.

Namentlich sind das Renate Künast, Claudia Roth, Katrin Göring-Eckardt und Jürgen Trittin. Da die Partei aber schon im Vorhinein erklärt hatte, mindestens eine Frau ins Rennen schicken zu wollen, stehen die Chancen für Herrn Trittin etwas schlechter als für seine weiblichen Konkurrentinnen - immerhin 11 Männer aus der Parteibasis sind in Konkurrenz zu ihm getreten. Dennoch gilt der Fraktionsvorsitzende vielen als gesetzt. Als gestandene politische Größe griff er denn auch gleich mal die politischen Gegner an. Die Regierung beweise nämlich, welch „eklatanter Fachkräftemangel“ in Deutschland scheinbar herrscht. „Die Justizministerin, der Umweltminister, die Familienministerin: die haben alle ihren Beruf verfehlt“, schoss Jürgen Trittin gegen schwarz-gelb - unter dem Applaus der gut 350 Parteimitglieder- und sympathisanten, die sich am Montagabend im Casino der Stadtwerke versammelt hatten.

Überhaupt standen Angriffe auf die „christlich-liberale“ Koalition bei den „Profis“ hoch im Kurs. Claudia Roth, die gleich vorab einen leidenschaftlichen Wahlkampf forderte, respektive ankündigte und prompt einen Vorgeschmack folgen ließ, empörte sich über Innenminister Hans-Peter Friedrichs (CSU) „widerliche“ Anti-Islamismus-Kampagne. Katrin Göring-Eckardt sieht in der Bundesregierung nur „Chaoten und Egoisten“ und Renate Künast verriet, wie man die schwarz-gelbe Koalition in Berlin unter der Hand nennt: Schraz – die schlechteste Regierung aller Zeiten. Ansonsten waren sich die „Großen Vier“ weitestgehend einig über Themen wie Vermögensumverteilung, Mindestlohn und die Energiewende. Die müssten natürlich allesamt kommen und mit einer Regierungsbeteiligung der Grünen würden sie das auch. Glimpflich kam der Wunschkoalitionspartner SPD gleichwohl nicht weg - klar, dass die doch irgendwie undemokratische Kandidatenkür von Peer Steinbrück gescholten wurde. "Es gab eine Wahl von drei Leuten und der einzige, der nicht gegen sich selbst gestimmt hat, war Peer Steinbrück", sagt Jürgen Trittin. Bei den Grünen hingegen entschieden 60.000 Parteimitglieder über die beiden Spitzenkandidaten.

Und sonst? Gab es noch sieben weitere Kandidaten, die der Cohn-Bendit'schen Warnung, die Urwahl dürfe nicht zum „Wanderzirkus“ verkommen, Ehre machten. Da war etwa Alfred Mayer, der meinte, er sei nur aus Verzweiflung hier, weil es noch immer keine grüne Mehrheit in Deutschland gebe. Oder Frank Spitzenberger, der 2013 entweder in den Wahlkampf ziehen oder in Rente gehen möchte, und die Parteimitglieder dazu aufrief ihn zu wählen, um „den Umbruch“ einzuleiten. Allzu liebliche Geschichten über das entfallene Familienpicknick, den standhaften Leitungswassertrinker und Kandidaten, die überhaupt kein Ministerium übernehmen wollen, wenn sie denn gewählt würden, sollen hier nicht näher ausgeführt werden. Einen kleinen Achtungserfolg erzielte allerdings der Wiesbadener Nico Hybbeneth (22), der vielleicht noch ein bisschen grün hinter den Ohren ist, aber eine leidenschaftliche Abschlussrede hielt, die seine Tischnachbarin Claudia Roth derart begeisterte, dass man vor lauter Freudestrahlen Angst haben musste, die Bundesvorsitzende würde ihn gleich zwangsadoptieren oder sofort ins Auto, nein Verzeihung: auf den Gepäckträger packen. Seine Forderung nach einer neuen Drogenpolitik, weil er „auch mal bunte Drachen wie Renate und Claudia“ sehen möchte, brachte ihm aber nicht nur positive Reaktionen ein. Renate und Claudia hatten einst ja auch nicht den Staat um Erlaubnis zum Drogenkonsum gebeten, im Gegenteil: die Gesetzeslage war noch etwas härter als heute.

Von solchen Ungereimtheiten sah die Basis aber ab und freute sich eher, dass die Großkopferten mal vorbeigekommen waren. Von denen hätten einige wohl gerne etwas mehr gehört - schwierig angesichts der Vielzahl an weiteren Kandidaten. "Die stehlen uns unsere Zeit", sagte denn auch die frühere Frankfurter Bürgermeisterin Jutta Ebeling mit Blick auf die Herrschaften, nur um scharf hinzuzufügen: "Wenn es einen Beweis für die Frauenquote bräuchte, dann sind es diese Männer." Frauen aus der Basis, und das fiel dann angesichts der bei den Grünen stets vorhandenen Gender-Diskussion doch auf, hatten sich nicht getraut gegen Künast, Roth und Göring-Eckardt anzutreten.
 
2. Oktober 2012, 12.10 Uhr
nil/ges
 
 
Fotogalerie: Urwahl-Forum der Grünen in Frankfurt
 
 
 
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