Vor 50 Jahren erbaute die Hoechst AG zu ihrem 100-jährigen Bestehen ein Freizeitzentrum für ihre Mitarbeiter und rief damit eine der größten Konzerthallen des Rhein-Main-Gebiets ins Leben.
Melanie Lachner /
Geplant als „Feierabendhaus“, eröffnet als „Jahrhunderthalle Hoechst“, von den Anwohnern mit Spitznamen wie „Winnackers Wirtschaftswunderwarze“, „Pyramidon“, "Calimeros Ei" oder auch „ Iglu“ versehen, seit 1999 offiziell „Jahrhunderthalle Frankfurt“ genannt – schon in der Namensgebung lässt das Konzert- und Kongresszentrum im Westen Frankfurts seine Vielseitigkeit erahnen.
Ursprünglich als Mehrzweckhalle für Sport- und Freizeitaktivitäten der Mitarbeiter der Hoechst AG angedacht, entwickelte sich die Jahrhunderthalle schnell zur einer der bedeutendsten Bühnen des Frankfurter Großraums. Seit nunmehr 50 Jahren drücken sich in Unterliederbach die ganz Großen die Klinke in die Hand. Die Geschichte der Halle wird von internationalen Musiklegenden geschrieben: Louis Armstrong, Tina Turner, James Brown, Jimi Hendrix, Janis Joplin (einziges Deutschlandkonzert 1969), Duke Ellington, Ella Fitzgerald, Freddy Quinn, Hildegard Knef, Mireille Mathieu, Charles Aznavour, Frank Sinatra, Maria Callas und Kraftwerk ... die Liste ist noch lang und kann sich sehen lassen. Von französischem Chanson und deutschem Schlager, über Jazz und Rock zu Klassik oder Musical – alle Musikrichtungen sind vertreten. Auch zur Austragung von Sportturnieren scheuen die Veranstalter keine Mühen. Für die „Wiener Eisrevue“ wird der Kuppelsaal kurzerhand in eine riesige Eisbahn verwandelt.
Architektonisch besitzt der Höchster Industriepark mit der Jahrhunderthalle eine echte Perle der „Braunschweiger Schule“. Verantwortlich für die markante Kuppel, trotz ihres relativ flachen Baus schon von weitem zu erkennen, ist Architekt Friedrich Wilhelm Krämer. Im Herbst 1960 begann der Bau, noch vor Abschluss der Planungsphase durch Krämers Architektenbüro. Der Zeitdruck war hoch, immerhin musste die Halle in nur drei Jahren - pünktlich zum 100-jährigen Bestehen der Farbwerke Hoechst – fertig werden. So wurde Krämers Entwurf in erster Linie nicht für sein Design, sondern vorrangig auf Grund der rapiden (und wirtschaftlichen) Umsetzbarkeit gewählt. Ein rechteckiges Sockelgeschoss von 13.056 Quadratmeter Grundfläche bildet die Basis, überzogen von einer Kuppel von 50 Meter Radius. Der größte Saal fasst knapp 5000 Besucher, daneben bieten Konferenzräume Platz für, beispielsweise, Firmenveranstaltungen. Tatsächlich ist die Jahrhunderthalle für Aktionärstreffen der größten deutschen Unternehmen beliebt. So belegt die Jahrhunderthalle seit fünf Jahren den ersten Platz der Statistik für Hauptversammlungen börsennotierter Unternehmen in der Rubrik "Hallen und Arenen".
Als kulturelles Zentrum ist das Bauwerk einerseits Geburtstagsgeschenk an die Mitarbeiter der Hoechst AG, gleichzeitig aber auch Demonstration der wirtschaftlichen Stärke des Unternehmens und seiner bedeutsamen Präsenz in der Region. 1999 erfährt die Erfolgsgeschichte dann einen Einschnitt – die Zukunft der Jahrhunderthalle steht auf der Kippe. Die Hoechst AG strukturiert um, kürzt ihr kulturelles Engagement und gibt infolge dessen die Halle auf. Für eine symbolische (müde) Mark geht die Jahrhunderthalle in den Besitz der Deutsche Entertainment AG (DEAG) über. Einher geht die Änderung des Namenszusatzes „Hoechst“ in „Frankfurt“ (mehr Großstadt-Flair).
Heute setzt das Haus auf Tanz- und Musicalshows, populäre Chartstürmer und deutsche Comedystars. Der Geschmack der Masse bestimmt das Programm, denn ohne Subventionen unterliegen die Betreiber dem Diktat der Rentabilität. 2013 darf sich das Rhein-Main-Gebiet also auf internationale Dauerbrenner wie „Lord of the Dance“, das russische Staatsballett oder das Musical „The Blues Brothers“ freuen. Auch Oliver Pocher, Lana del Rey, Leona Lewis, die chinesischen Trommler TAO und Chris de Burgh stehen auf der Agenda. Am 11. Januar wird die „Jahrhunderthalle“ ihrem Namen zur Hälfte gerecht. Die offiziellen Feierlichkeiten zum Fünfzigsten finden dann im Sommer statt.