Talk of Girls

„Wenn keiner sich für uns einsetzt, dann machen wir’s“

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Am 11. Oktober ist Internationaler Mädchentag. Dazu organisieren Mädchen und junge Frauen in Frankfurt den Stadtspaziergang „Walk of Girls“, bei dem Straßen symbolisch umbenannt werden. Ein Besuch beim „Talk of Girls“ der Helferinnen gibt Einblicke in ihre Pläne.

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Das Mädchenbüro Milena in Bockenheim ist gut gefüllt: Etwa zwanzig Mädchen jedweder Herkunft zwischen neun und 21 Jahren sitzen um einen großen Tisch, auf dem selbstgemalte Straßenschilder aus Pappe liegen. Sogar das Sofa in der Ecke musste hergeschoben werden, damit alle mitreden können. Heute wollen die Teilnehmerinnen des „Talk of Girls“ über neue Straßennamen für die Frankfurter Innenstadt entscheiden. Denn am 11. Oktober, dem Internationalen Mädchentag, veranstalten sie einen Stadtspaziergang, bei dem sie nicht nur für ihre Rechte einstehen, sondern auch Straßen symbolisch nach ihren Vorbildern umbenennen wollen.

Der „Talk of Girls“ ist ein alle sechs Wochen stattfindendes Treffen, bei dem dieser Spaziergang, auch „Walk of Girls“ genannt, geplant wird. Alle, die sich einbringen möchten, sind willkommen. Unterstützt durch das Frauenreferat können Mädchen und junge Frauen dabei selbstständig entscheiden, wie der „Walk of Girls“ ablaufen soll. Im vergangenen Jahr hatten sie auf dem Weg Parolen gerufen, einen eigens komponierten Song vorgetragen und elf Straßen umbenannt. Das soll auch dieses Mal wieder passieren, doch die neuen Straßennamen stehen noch nicht fest. Als Anreiz hat Linda Kagerbauer vom Frauenreferat Bilder von verschiedenen Bekanntheiten ausgedruckt, darunter sind neben Anne Frank und Michelle Obama auch Instagram-Stars und Popsängerinnen. Die Anwesenden werden in Gruppen aufgeteilt und sollen sich für jeweils einen Straßennamen entscheiden.

„Beauty doesn’t need Makeup“

Lejla, 21, ist heute die Älteste. Seit 2016 kommt sie regelmäßig zu den Treffen. Im vergangenen Jahr hatte sie sich für die Lady-Gaga-Straße entschieden, weil sie der Welt mit ihrem Körper und ihren Videos zeige, „dass nicht alles perfekt sein muss“. Mit Schönheitsidealen werde Lejla nämlich häufig konfrontiert: „Mein ganzer Freundeskreis will abnehmen und es geht mir voll auf die Nerven.“ Mit dem diesjährigen Motto, „Beauty doesn’t need Makeup“, ist sie zufrieden, auch wenn sie selbst gerne Make-up verwendet. Denn alle sollen sich so zeigen dürfen, wie sie möchten.

Neben alten Hasen sind heute auch viele zum ersten Mal dabei: Sumaya und Clara etwa haben erst kürzlich in ihrem Schulcafé vom „Talk of Girls“ erfahren. Sumaya, 13, war schon drei Mal beim „Walk of Girls“ dabei und möchte jetzt auch an der Planung dafür mitwirken. Ursprünglich kam sie zum Lauf dazu, weil sie in ihrer Schule niemanden hatte, mit dem sie sich austauschen konnte und sich außerdem wegen ihres Kopftuchs diskriminiert fühlte: „Ich dachte früher, mein Leben wäre das Schlimmste, was je passieren konnte.“ Seit ihrer ersten Teilnahme vor drei Jahren sei sie „ein komplett neuer Mensch“ und rundum zufrieden mit sich: „Wem’s nicht gefällt, der rennt halt mit dem Kopf gegen die Wand.“

Auch Clara, 11, findet es gut, dass an einem Tag im Jahr „alle Mädchen zusammenkommen und sich austauschen können und über Probleme reden“. Was die beiden allen anderen Mädchen sagen möchten, deren Rechte immer wieder beschnitten oder ignoriert werden? „Hey Leute, steht doch einfach mal auf!“, sagt Sumaya ermutigend. Da sie weiß, dass nicht alle das können, möchte sie auch für die anderen ihre Stimme erheben. Als Straßenname hat sich ihre Gruppe heute die „Billie-Eilish-Straße“ ausgesucht. Die Sängerin, die ausschließlich weite Kleidung trage, wolle nicht wegen ihres Aussehens gehört werden, sondern wegen ihrer Stimme. Außerdem sei es beeindruckend, dass sie trotz ihrer Tourette-Erkrankung so erfolgreich sei.

Vorbilder sind neben Popstars auch Klimaaktivistinnen

Nachdem sie die Mädchen wieder zusammengetrommelt hat, macht Kagerbauer Stimmung für den Mädchentag: „Wir nehmen uns die Stadt! Wenn keiner sich für uns einsetzt, dann machen wir’s.“ Die Teilnehmenden sollen das Gefühl bekommen, „dass es auch alles ganz anders sein könnte.“ Anschließend moderiert Lejla die Abstimmung über die Straßennamen. Auf einer Tafel trägt sie die Ergebnisse ein.

Am Ende stehen neben Billie Eilish auch Emma Watson, Schauspielerin und Goodwill Ambassador der UN, Friedensnobelpreisträgerin Malala Yusafzai und Klimaaktivistin Greta Thunberg auf der Tafel. Nach Yusra Mardini, einer syrischen Geflüchteten, die 2016 als Schwimmerin bei den Olympischen Spielen antrat, soll ebenfalls eine Straße benannt werden. Das Mädchen, das sie ausgesucht hat, schreibt dazu: „Ich habe sie gewählt, weil ich selbst Flüchtling bin und die gleiche Flucht hatte wie sie.“

Auch ein offizielles T-Shirt wird es geben. Dieses Jahr ist es dunkelblau und nicht wie sonst helllila. Als Verbindung zur Fridays for Future-Bewegung prangt das Motto vorne über einer blau-grünen Weltkugel. Aus Umweltgründen werden in diesem Jahr deshalb auch keine lila Ballons in den Himmel losgelassen, wie es, angelehnt an den selbstgeschriebenen Song „Purple Balloons in the Sky“ eigentlich immer der Fall war. Stattdessen soll es am Ziel des Walks, dem Jugendhaus Heideplatz in der Schleiermacherstraße, die Möglichkeit geben, Beiträge für einen YouTube-Channel zu drehen. Im Jugendhaus werden auch Workshops und Live-Musik geboten. Unter anderem können die Mädchen Roller-Derby auf Socken erlernen, Turnbeutel gestalten und einem Tanzworkshop beiwohnen.

Beim letzten „Talk of Girls“ am Vortag des Mädchentags werden die Teilnehmenden im Mädchenbüro Milena Transparente basteln und die Choreographie und die Parolen einüben. Der „Walk of Girls“ findet 2019 bereits zum siebten Mal statt. An die erste Aktion erinnert sich Kagerbauer als einen „kleinen Flashmob auf dem Römer.“ Als vergangenes Jahr über 400 Teilnehmende auftauchten, war sie hin und weg. Sie hofft auch dieses Mal auf zahlreiche Unterstützung.

>> Walk of Girls, 11.Oktober, 12 Uhr, Willy-Brandt-Platz


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