Newsletter
|
ePaper
|
Apps
|
Abo
|
Shop
|
Jobs

dk auf Tour – beim 39. Deutschen Jazzfestival



Ein mit Big Names gespicktes Programm, aber die Ausrufezeichen setzen an den ersten beiden Abenden die, die noch keiner auf der Rechnung hatte. Fast verhalten der Beginn am Donnerstag: Dabei waren zwei Monstren angesagt – die hauseigene Pipe Organ, allerdings hinterm Vorhang versteckt, und das Baritonsaxophon. John Surman begann allerdings mit dem handlicheren Soprano und Howard Moody sah man arbeiten, hörte ihn aber kaum. „Rain On The Window“ hieß das Duo-Programm. Mit englischen Folksong-Elementen, einer von Tom & Jerry inspirierten Improvisation, ein nettes musikalisches Katz-und-Maus-Spiel und einem Spring Wedding Song als Zugabe. Dazwischen hieß Ansage, stellen Sie sich vor, in einer Kathedrale zu sein... Das klappte nur bedingt, denn nichts klang so fett wie Bachs „Toccata und Fuge d-Moll“. Ein zweites Duo folgte: Der Frakfurter Bub Christof Lauer mit dem französischen Drummer Patrice Héral, ein Unikum, der mit viel Elektronik und verfremdeter Stimme für Stimmung sorgte. Aber war das wirklich innovativ? Spannend wurde es, als mit Yuriy Sych ein erst 23jähriger ukrainischer Pianist als special guest hinzu stieß. Ein Riesentalent, klassisch geprägt, technisch versiert und überaus virtuos und sehr körperlichem Spiel am Flügel. Seiner Arbeit mit dem eigenen Contrast Quartet sollte man Beachtung schenken. Dritter Programmpunkt des ersten Abends der erste Auftritt der hr Big Band, souverän geleitet von Michael Gibbs, mit Bill Frisell als Solisten und einem Mingus- und Monk-Programm. Dafür, dass der als variantenreich bekannte Gitarrist auch als einer der großen Sound-Innovatoren im Jazz gilt, kam das, was er da mit seiner Telecaster und Gebläseunterstützung spielte, mehr als konventionell rüber. Geschmacksache.

Tag 2. Große Freude schon beim Platznehmen. Denn am gegenüberliegenden Außenplatz saß Robert Wyatt. Der sollte zwar nicht auf die Bühne kommen (zu große Bühnenangst, hieß es hinterher), aber er wohnten dem ganzen Abend bei, um sich wohl gelaunt und auch sichtlich gerührt seine Musik in der Interpretation von Freunden und Bewunderern anzuhören und sich im Live-Gespräch mit Peter Kemper äußert smart über diese Ehrung zu äußern. Hier kam die Überraschung aus Österreich und hieß Max Nagl Market Rasen. Sichtlich nervös, vor dem Meister zu spielen, gelang es den drei eher unauffälligen Typen, wirklich spannende Instrumentalversionen von Wyatt-Kompositionen vorzustellen, wobei Herbert Pirker sich als besonders wirkungsvoller Drummer präsentierte. Eher nebenbei wurde mit der „Electric Ladyland“-Assoziation bei einem Stück unterstrichen, dass Hendrix damals auch Jazz und Kammermusik war und nicht nur der psychedelische Blueser. Dondestan! The Wyatt Project kam dann als Allstarband und scheiterte am Versuch, Wyatts einzigartigem Vokalstil auch nur im Ansatz gerecht zu werden. Einzig Drummer Jacques Mahieux traf den richtigen Ton, Karen mantler – wunderbar an Hammond Orgel und Mundharmonika – klang Kleinmädchenhaft wie sonst nur französische Popsängerinnen und Bandleader und Pianist John Greaves wirkte – auch bei seinen E-Bass-Eskapaden – besonders aufgesetzt. Viel zu artsy fartsy wie man früher zu sagen pflegte. Dagegen war dann Annie Whitehead’s Soupsongs bei aller virtuoser Kunst nicht nur der Bandleaderin an der Posaune fast gefällig und entertaining.

Das klang mitunter wie beim Karneval in New Orleans und hier versuchten die Sängerinnen gar nicht erst wie Wyatt zu singen, sondern – allen voran das Vollweib (so nahmen es vor allem die Frauen im Publikum wahr!) Sarah Jane Morris in ihrem Totenkopfkleid – brachten Soul und viel Groove ins Spiel. Hier tauchte erstmal Gilad Atzmon mit seinem Saxophon auf, der den dritten Abend eröffnen würde.

Tag 3. Robert Wyatt war in Frankfurt geblieben, nicht nur, weil seine Frau erkrankt war, sondern weil er sich hier wohl fühlte. Es wurde schon gewitzelt, der bleibt jetzt für immer, kommt täglich zum Essen in die Kantine und bringt sich jährlich beim Jazzfestival ein. Zur Einstimmung auf sein Orient House Ensemble hörte man Saxophonist Gilad Atzmon, „palästinensicher Israeli, israelischer Palästinenser oder einfach nur Wahl-Londoner und Weltbürger?“ wie Moderator Olaf Stötzler in den Raums stellte, in Kurzinterview mit der Aussage „Ich hasse Multikulti!“. Und tatsächlich sind seine Kompositionen nicht vordergründig von der „Folklore“ seiner geographischen Herkunft geprägt. „Ich mache heute keine politics“, stellte der Mann mit dem etwas verqueren Humor gleich klar, um dann „Autumn In Bagdad“ und gleich danach „The Burning Bush“ anzukündigen, was er hinterher kommentierte: „Wie Sie gehört haben, macht es schon eine Menge Lärm wenn der Bus(c)h brennt...“. Denn neben dem wunderbaren akustischen Spiel des Flügel und seiner Blasinstrumente ist hier auch genügend Elektronik und Verfremdung im Spiel. Schließlich haben sie einen Ausstattervertrag mit Apple. Und der Computer muss ja zum Einsatz kommen. ein echter Komiker. „Spring In New York“ gerät dann zum wilden Großstadt-Parforceritt, dann kommt die Werbung für die eigene, „wirklich gelungene CD“. „Ich habe davon allein 6.000 Stück gekauft und meine Frau meinte, ich müsse das erzählen und die CD mit ihnen teilen.“ Als Zugabe dann ein Stück „von meinem liebsten palästinensischen Komponisten – Louis Armstrong.“ Es folgt eine eigenwillige Version von „Wonderful World“ {von wegen keine politischen Statements mehr). Und überhaupt: Allein wenn Atzmon, ein Schrank von einem Typ, ein kurzes Klarinetten-Intro spielt, so klingt die in den tiefen Lagen warm und schön wie die arabische Flöte Nay und beim schnellen Wechsel in die hohen Lagen bleiben – auch wenn das Schluchzen und Jauchzen fehlt – Assoziation zum jiddischen Klezmer nicht aus. Völkerverständigung leicht gemacht. Es muss an meiner Wahrnehmung liegen oder einen mangelnden Big Band-Affinität. Auch uri Caines Set mit de Big Band klang im vergleich zu seinen sonstigen Arbeiten, seinen Klassik-Bearbeitungen und sonstigen Experimenten, geradezu normal. Zum Festivalabschluss wurde es dann noch mal wild und frei. Mit dem Exploding Star Orchestra mit Tortoise-Musikern und – für den erkrankten Bill Dixon eingesprungen – Roscoe Mitchell vom Art Ensemble of Chicago am Saxophon und somit mehreren Generationen Chicagoer Musiker auf der Bühne. Hier traf sich die Avantgarde von einst und jetzt zur lyrischen Abstraktion i äußerst dynamischen Spiel und Klangfarbenreichtum bei Instrumenten wie Kornett, Flöte, Vibraphon und Tubular Bells.



Fotos: Detlef Kinsler
 
2. November 2008, 17.07 Uhr
Detlef Kinsler
 
 
Fotogalerie:
{#TEMPLATE_news_einzel_GALERIE_WHILE#}
 
 
 
Mehr Nachrichten aus dem Ressort Kultur
Am Sonntag eröffnet der Hochbunker an der Friedberger Anlage in Frankfurt für den Sommer. Ab Mai gibt es auch drei neue Ausstellungen zu besichtigen.
Text: Sina Claßen / Foto: Der Hochbunker an der Friedberger Anlage © Bernd Kammerer
 
 
 
 
 
 
 
Ältere Beiträge
 
 
 
 
29. April 2024
Journal Tagestipps
Pop / Rock / Jazz
  • Il Civetto
    Zoom | 20.00 Uhr
  • Telmo Pires
    Neues Theater Höchst | 20.00 Uhr
  • Clara Louise und Band
    Schlachthof | 20.00 Uhr
Theater / Literatur
  • Friedemann Karig
    Literaturforum im Mousonturm | 19.30 Uhr
  • Im Herzen tickt eine Bombe
    Schauspiel Frankfurt | 20.00 Uhr
  • Miss Daisy und ihr Chauffeur
    Kurtheater | 20.00 Uhr
Kunst
  • Korallenriff
    Senckenberg, Forschungsinstitut und Naturmuseum | 09.00 Uhr
  • Märchen
    Brüder-Grimm-Haus | 11.00 Uhr
  • Wälder
    Deutsches Romantik-Museum | 10.00 Uhr
Kinder
  • So weit oben
    Theaterhaus | 10.00 Uhr
  • Lesefreunde
    Stadtteilbibliothek Sossenheim | 16.00 Uhr
  • Der Regenbogenfisch
    Kinder- und Jugendtheater Frankfurt | 10.00 Uhr
und sonst
  • Stand up Paddling (SUP) auf dem Main – Das einzigartige Wassersport-Event in Frankfurt
    Frankfurter Stadtevents | 18.30 Uhr
  • Zoo Frankfurt
    Zoo Frankfurt | 09.00 Uhr
  • HIT RADIO FFH Inside – Hinter den Kulissen im Funkhaus der FFH MEDIENGRUPPE
    Frankfurter Stadtevents | 16.00 Uhr
Freie Stellen