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„Wir wollen eine freie Uni“

Asta1Das JOURNAL FRANKFURT im Gespräch mit der AStA-Vorsitzenden Nadia Sergan.

Journal Frankfurt: Die Beschädigungen im Casinogebäude der Uni haben Kritik hervorgerufen. Ist die berechtigt?
Nadia Sergan: Also zuerst einmal finde ich es komisch, dass es immer heißt: „Das war die autonome Szene, das waren keine Studierenden“. Auch Leute aus der autonomen Szene studieren. Und man darf eben auch nicht vergessen, dass wir hier in Frankfurt an der Uni eine Tradition der kritischen Wissenschaft haben.

Die schließt aber Sachbeschädigungen nicht unbedingt mit ein!
Was ich schade finde, ist, dass die Diskussion über die Sachbeschädigung und deren Höhe alles andere überschattet. Es wird so getan, als wäre das hier ein Einzelfall. Bei fast allen Besetzungen in ganz Deutschland sind solche Dinge passiert, aber nirgends pikiert man sich so darüber, wie in Frankfurt. Selbst in München, wo die Studenten eigentlich mit den größten Repressionen gerechnet haben, wird das Ganze seit vier Wochen geduldet und der Uni-Präsident setzt sich sogar im Landtag für die Studierenden ein, obwohl die auch da jeden Abend über die Schmierereien diskutieren.

Der Frankfurter Uni-Präsident Wolfgang Müller-Esterl hat doch auch Verständnis für die Anliegen der Studenten geäußert.
Von ihm sind wir maßlos enttäuscht. Er hat nicht einmal versucht, uns als Sprachrohr zu nutzen um wenigstens die Androhung der Räumung des Casinos vorher weiterzugeben. Er kam einfach plötzlich rein, hat gesagt: „So, das wird jetzt hier geräumt!“, und war schon wieder weg.

Die Schmierereien sorgen aber vielleicht dafür, dass sich einige Studenten von der Protestbewegung distanzieren.
Ich verstehe im Grundsatz, wenn Leute sagen, sie können sich mit solchen Sachen nicht identifizieren. Es ist aber wichtig, unterscheiden zu können, wie sehr sowas jetzt ausgenutzt wird.

Wie meinst Du das?
Es ist tatsächlich ein gefundenes Fressen für die Unileitung, die das Thema ausschlachtet, um den Protest zu kriminalisieren. Viele übersehen leider, dass da in den letzten Tagen auch ganz viel Produktives gelaufen ist. Und wem eine bessere Bildung wirklich wichtig ist, der sollten sie sich mal eins überlegen: Die Schmierereien da drin, die sind vielleicht scheiße, aber der Bologna-Prozess ist auch scheiße. Darüber redet plötzlich keiner mehr und das darf nicht passieren.

Kannst du uns aus deiner Sicht beschreiben, wie es zu den Beschädigungen im Casino kam?
Man muss sagen, dass am Montagabend im besetzten Casino eine Party gefeiert wurde. Es waren ziemlich viele Leute da und es ist etwas ausgeartet, was vielleicht auch etwas damit zu tun hat, zu sagen „Wir eignen uns den Raum aktiv an.“ Es gab dann auch direkt Reaktionen von Studierenden, die Schwierigkeiten damit hatten. Sie hatten das Gefühl, sie wären nicht mehr in Sicherheit, weil sie sowas noch nie erlebt hatten. Später haben die dann festgestellt, dass das keine kopflosen Randalierer, sondern kooperative Leute sind, mit denen man auch diskutieren kann. Viele von denen, die anfangs skeptisch waren, sitzen jetzt immer noch im Plenum und arbeiten inhaltlich weiter. Es ist toll zu sehen, dass denen das Thema so am Herzen liegt.

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Wie lief die Räumung ab?
Wir haben einem Seminar gelauscht und es war schon eine sehr besondere Stimmung, dass man sich so konzentrierte, während hinter und neben einem Leute von der Polizei weggetragen wurden. Das lief ziemlich friedlich ab.

Und dann?
Schlimm war, was draußen passierte, als die Studierenden von der Polizei vom Campus gedrängt wurden und wohl nicht schnell genug waren. Daraufhin wurden sie von der Polizei mit Schildern zusammengedrängt, es hagelte Schläge, Tritte und Schlagstöcke wurden eingesetzt. Wir haben Verletzte mit Fingerbrüchen und Kopfverletzungen, die zum Teil ins Krankenhaus mussten. Ich glaube, wir haben sieben Verletzte. Die Polizei dementiert das natürlich.

Ich hatte den Eindruck, dass es innerhalb der Studierenden verschiedenen Motive für den Protest gibt.
Genau. Einerseits gibt es die, die ganz pragmatisch an die Sache herangehen und denen schon geholfen wäre, wenn die Anwesenheitspflicht wegfiele. Als Asta sehen wir es als unsere Hauptaufgabe, konkret etwas an der Hochschule zu verbessern. Schon allein, weil unser Wirkungsgrad gar nicht darüber hinausgeht.
Definitiv wird sich aber früher oder später den meisten, die einen Wandel in der Bildungspolitik fordern, offenbaren, in welchem Kontext das steht. Der Bolognaprozess hat zur Folge, dass der Konkurrenzdruck steigt, und auch die Studiengebühren fallen als Hindernis für freie Bildung nicht einheitlich weg. Das sind gesamtgesellschaftliche Probleme. Demo-1Man fängt an, zu diskutieren, was nötig ist, um eine demokratische Gesellschaft zu schaffen, in der die Menschen mündige Individuen sind und nicht nur tun, was man ihnen sagt, sondern auch wissen, was sie wollen. Deshalb denke ich, dass sich die verschiedenen Spektren da in der Zukunft auch annähern werden.
Wir sind da aber bewusst von Anfang an zweigleisig gefahren. Zum einen wollen wir ganz konkret sehen, was wir hier an der Uni erreichen können, aber wir wollen auch die große Kritik!

Was kritisiert ihr an der Frankfurter Hochschulpolitik?
Die Tatsache, dass die Universität eine Stiftung geworden ist. Das verschafft ihr ein Höchstmaß an Autonomie für den hohen Preis der finanziellen Abhängigkeit. Man könnte es auch so interpretieren: Die Hochschulen werden instrumentalisiert für eine Wettbewerbslogik, die wir ganz klar verurteilen. Keine Universität sollte in Konkurrenz zu einer anderen stehen. Sicherlich gibt es den Wettbewerb in der Forschung, wo er sie in manchen Teilen beschleunigt, das war schon immer so. Er sollte aber nicht Prämisse sein, um von Exzellenz und guter Lehre zu sprechen und das ist hier absolut der Fall. Am liebsten wäre uns eine freie Uni, die keinen wirtschaftlichen Zwängen unterliegt und auch von allen Teilen der Universität mitgestaltet werden kann.

Was studierst du selber?
Politikwissenschaft.

Fühlst Du Dich benachteiligt gegenüber den Wirtschaftswissenschaftlern?
Es ist lustig, dass uns immer wieder nachgesagt wird, wir wären neidisch auf deren „schönes, neues Haus“ und den Campus. Nee, wir mögen bunte Wände und wir mögen unseren vielgeschmähten Turm, auch wenn der leicht baufällig ist. Die meisten, die ich kenne, studieren unheimlich gerne dort. Nein, es geht nicht um eine Bevorzugung, eher um den gesellschaftlichen Stellenwert bestimmter Berufssparten. Wir sehen es als gefährliche Tendenz, wenn es nur noch darum geht, Geld zu machen und Profit aus allem schlagen.
Wir kritisieren außerdem diese Art von Regionalstandortlogik, wo darauf hingearbeitet wird, dass diese Uni im Einzugsgebiet für Wirtschaft und Recht steht, und dann die nächste zum Beispiel für Naturwissenschaften usw. Wir wollen keine Separierung, wir wollen eine allgemeine Universität und dafür werden wir auch weiter kämpfen.

Fotos: Florian Fix, privat
 
9. Dezember 2009, 08.19 Uhr
Alicia Lindhoff
 
 
Fotogalerie:
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