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„Schwein gehabt“ auf der Zeil
Public Viewing gab´s gestern Abend auf der Zeil – im wahrsten Sinne des Wortes. Denn eigentlich bedeutet der englische Ausdruck soviel wie öffentliche Aufbahrung eines Toten (fleißige Pflasterstrand Leser werden das wissen!). In diesem Fall drehte sich alles um das Schwein. Besser gesagt: Massenzucht und Schlachtung. Nach dem Motto: „Ertragen die Frankfurterinnen und Frankfurter, wo ihr Essen herkommt?“, ließ die Tierrechtsinitiative Rhein-Main e.V. (www.tirm.de) Passanten – unfreiwillig – während ihres Feierabendbummels erschauern.
Mit einem mulmigen Gefühl machte ich mich auf den Weg. Ich bereitete mich auf rund 200 Aktivisten vor, die lauthals die moralische Schizophrenie des Großteils der Bevölkerung anprangern. Es kam anders als gedacht. Kaum sicht- und hörbar, hinter dem Lattenzaun einer Mini-Baustelle, versteckte sich die Protestaktion.
Die etwas dürftig aufgebaute Leinwand zeigte einen Schlachthof in den Niederlanden, der zu den Vorbildlichsten in Sachen Tierschutz gehört, wie mir Victor Hahn (Foto), 2. Vorsitzender des 15 bis 20 Mann starken Vereins, erklärt. Die Filmaufnahmen des größten Schlachthofes der Europäischen Union sind auf legalem Weg, nicht etwa Undercover, zustande gekommen. Kaum zu glauben, dass jemand auf diese Zustände stolz ist und sie freiwillig zur Schau stellt. Das wird vermutlich der Fall sein. Denn schließlich zeigen die schauerlichen Bilder „einen legalen Vorgang“.
Die beängstigenden Aufnahmen ziehen den einen oder anderen Passanten auf verschiedene Art und Weise in seinen Bann. Eine Gruppe Jugendlicher zückt unverzüglich ihre Handys und hält das Spektakel für die Nachwelt fest. Motiv zweifelhaft. Andere Frankfurter drehen vor Ekel verzogen ihre Gesichter weg und fliehen vor der Szenerie. Wieder andere nehmen sich die Zeit um den etwa zehnminütigen Film anzusehen. Ob sie zur Einsicht kommen, dass wird Victor Hahn wohl nie erfahren denn „Briefe oder so etwas, in dem jemand Danke sagt und jetzt kein Fleisch mehr ist, habe ich noch nie bekommen“.
„Unser Ziel ist es, das die Tiere nicht mehr leiden sollten. Dazu gehört auch kein Fleisch essen. Die Leute müssen sich mehr damit beschäftigen.“, so Victor Hahn. Dann klärt er mich auf, dass es bei Aldi bereits vegetarische Schnitzel gebe. Auf Fleisch zu verzichten sei also ganz einfach.
Tja, da bin ich wohl ein Härtefall. Denn Schwein gehabt, dass habe ich heute Früh im wahrsten Sinne des Wortes (ich entschuldige mich jetzt schon!). Getrieben von Gewohnheit und Halbschlaf habe ich mein Frühstücksbrot mit einer (leckeren) Scheibe Schwarzwälderschinken bestückt. Dabei hatte ich mir doch nach der „öffentlichen Aufbahrung der toten Schweine“ vorgenommen, meinen Konsum bewusster zu steuern. Nun ja, da kämpfe ich wohl gegen einen der schlimmsten Schweinehunde an: Die Gewohnheit.
25. Februar 2010, 16.00 Uhr
Ewelina Feil
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