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Keller & Verstärkung – Eine bunte Themenwelt voller Brüche

Keller_Verstärkung_01Sturmfrisur und Schottenrock sind geblieben, die U-Bahnkontrollöre gehören aber der Vergangenheit an. Doch Matthias Keller, der blonde Bass des A Cappella-Quintetts, macht solo weiter, hat sich dafür aber Verstärkung geholt und die Stromgitarre in den Mittelpunkt des Geschehens gerückt. Am 15. Dezember feiern Keller & Verstärkung Premiere im Frankfurter Sinkkasten. Wir haben zuvor mit Matthias Keller gesprochen.
Die U-Bahnkontrollöre sind jetzt Geschichte. Wie schwer fiel der Abschied und wie hast Du den letzten Auftritt im Zelt an der Woogstraße erlebt?
Matthias Keller: Es war einer der schönsten und saubersten Abschiede meines Lebens. Ich hatte ein Jahr Zeit, mir dieser Entscheidung bewusst zu werden. 365 Tage, in denen ich mich der emotionalen Achterbahnfahrt von Trauer, Schmerz, Freude, Erleichterung, Wut, Ärger, Aufbruchstimmung etc. widmen konnte. Bisher hatte ich in meinem Leben selten Gelegenheit, mich so gut auf ein Ende einzustimmen. Sich nach 17 Jahren in Urbesetzung den Tag und den Umstand seines Abgangs aussuchen zu können, das empfinde ich als großen Luxus. Ich bin also gut vorbereitet in die Abschiedstour gegangen. 40 Shows, jede ausverkauft, zwischen 1000 - 1800 Zuschauer, das war sensationell. Manchmal war es mir sogar zuviel des Guten. So eine Tour ist ein enormer Energieaustausch zwischen Publikum und Band, das hätte ich gerne etwas mehr in kleinen Häppchen genossen, statt viele Auftritte am Stück zu spielen. Ich will aber nicht meckern, immerhin hat mich dieses Thema zu einem neuen Song inspiriert, er heißt „Das Beste“ und die Refrain - Zeile „Wer zuviel erlebt, hat das Beste verpasst" bringt’s gut auf den Punkt. Den 1. Mai 2009, unseren Abschiedsgig, behalte ich als grandioses Fest in Erinnerung. Ein positives, kraftvolles Ereignis, das ich bei vollem Bewusstsein genießen konnte. im Großen feiern, im Stillen trauern, und dann sanft den Deckel schließen. Metaphorisch gesprochen: Das Projekt UBK steht nun als Geschenkpaket bei mir im Regal, dort ist es für immer gut aufgehoben und wenn ich Lust habe, schau ich mal rein und bin glücklich und stolz auf diese 17 Jahre.

Wenn über einen so langen Zeitraum ein Gesicht einer so erfolgreichen Band war, wie stark war da die Identifizierung mit der Band und wie sehr, glaubst Du, wird das Publikum das in Erinnerung behalten?
Harry, Olli, Seb, Filippo und ich hatten einen essentiellen gemeinsamen Nenner: Auf die Bühne gehen, singen, Spaß haben! Das war ja das Geheimnis unseres Erfolges, dieses echte Spielfreude, die rüber kam. Und die ist auch über all die Jahre bestehen geblieben, obwohl es an anderen Stellen durchaus mal geschwächelt hat. Dieses Phänomen schweißt mich mein Leben lang an die Jungs, wenn ich auch privat nicht besonders viel mit ihnen zu tun habe. Mit dieser Gewissheit kann ich sehr gut loslassen und mich mit frischem Herzblut meiner neuen Band Keller & Verstärkung widmen.
Das Publikum lernt mich natürlich von einer neuen Seite kennen, aber das funktioniert ziemlich gut. Ich beobachte das ja schon einige Jahre bei meinen Solo Gigs, dass viele mit der Erwartung kommen, ein Fünftel U-Bahn Kontrollöre zu erleben. Dann lassen sie sich 2 Stunden auf meine Texte und Songs ein und gehen strahlend aus dem Theater, weil sie einen schönen Abend hatten, obwohl sie vielleicht was anderes erwartet hatten. Und natürlich blitzt der Kontrollöre Schalk bei mir immer wieder durch, das kann ich ja gar nicht abstellen. Insofern biete ich den Zuschauern viel Neues mit einem Spritzer Nostalgie.

Natürlich ist eine erfolgreiche Vergangenheit hilfreich, genauso natürlich macht es keinen Sinn, diese zu verheimlichen. Wie soll die Abgrenzung zur A cappella-Boyband gelingen?
Durch den Sound. Keller & Verstärkung sind eine Band, wir benutzen Instrumente, besser kann man sich wohl von a cappella nicht abgrenzen. Durch die Besetzung. UBK waren fünf, wir sind zu dritt, ein klassisches Rock- Trio, Stromgitarre, Bass und Drums. Das hat auch den Vorteil, dass die Luft im Backstage besser wird und das Catering länger reicht. Durch das Format. Wir spielen ein komplettes Konzert am Stück in Musik-Clubs vor Stehpublikum und nicht 2 x 45 Minuten in Theatern vor sitzenden Zuschauern.
Durch die Klamotten. Wir tragen keine tiefgefrorenen Frauenkleider, sondern ganz schlichte aber schicke schwarz weiße Bühnenklamotten. Nach dem Motto "Es soll kleiden, aber nicht verkleiden". Allerdings bleibe ich meinem Markenzeichen, dem Schottenrock, auch bei Keller & Verstärkung treu, wenn auch ohne Karomuster. Aber darunter trage ich definitiv das gleiche wie bei den Kontrollören. Und natürlich inhaltlich. Wir haben zum einen ausschließlich eigenes Songmaterial, die Coverquote bei a cappella ist ja enorm hoch (macht ja auch Sinn). Es gibt auch viel mehr Gefühlsebenen als bei UBK, die ja nur lustig waren. Keller & Verstärkung sind zwar hochgradig humorvoll, es rockt, drückt und schiebt, aber wir bedienen auch den Schmerz, die Melancholie und das Sanfte. Diese Emotionen hatten bei UBK keinen Platz, aber sie liegen mir schon immer genau soviel am Herzen, wie das Herumalbern. Und den Zuschauern geht es da nicht anders, es ist geradezu erstaunlich, wie viel Applaus man für traurige oder leise Lieder bekommt. Vorausgesetzt , sie sind richtig gut und treffen ins Schwarze. Für mich besteht gutes Entertainment aus einem gelungenen Wechselbad der Gefühle.

Du hast parallel zu den U-Bahn Kontrollören immer auch schon als Solist gearbeitet – war das eine gute Vorbereitung auf die nun neuen Aufgaben?
Mit Sicherheit, ich kann zum Beispiel schon sehr gut mit anderen Applaus-Qualitäten umgehen. Ich bin von den Kontrollören gewöhnt, dass immer laut gelacht und geklatscht wird. Comedypublikumverhalten eben. Bei meinem Solo gibt es auch viele leise Stellen, Songs oder Texte, und da muss man manchmal länger aufs Klatschen warten, ohne sich verunsichern zu lassen. Ich dachte am Anfang immer: Mist, die Leute klatschen zu spät, die pennen ein oder die verstehen nicht, was ich meine. Aber der Veranstalter hat mich beruhigt: Keine Sorge, die sind gefesselt, die hören einfach intensiver zu, lassen nachwirken, was du ihnen gibst. Außerdem habe ich gemerkt, dass es selbst mit dem Bonus "Solo-Kontrollör" verdammt schwierig ist, sich ein Publikum zu erarbeiten. Ich habe auch schon vor 3 Leuten gespielt. War eine gute Schule. Man nimmt den Druck aus der Lage, der sowohl für Künstler als auch für Publikum entsteht, indem man eine humorvolle Sondersituation schafft „OK, wir spielen jetzt eine Runde Schere, Stein, Papier um den nächsten Song" und schwupps fühlen alle sich wohl und dann wird es ein hübscher, sehr exklusiver Abend. Die Menge der Zuschauer entscheidet niemals über die Qualität eines Abends und man muss immer ein Gespür für die Situation mitbringen, dann kann gar nichts schief gehen. Das hab ich als Solist gelernt.

Matthias Keller solo, das war Singer/Songwriter, das war Lesung, das war.... (bitte nach Gusto als Antwort ergänzen)
... ein Mann - Entertainment, Experimentierfeld für mein künstlerisches Schaffen jenseits des Kontrollöre-Kosmos....

Jetzt also heißt es Keller & Verstärkung. Das klingt mehr nach Band als nach Fortführung einer Solokarriere?
Na, da bin ich aber beruhigt, ich hatte schon Angst, es klingt nach Reinigungsfirma. Eine erste Namensidee war übrigens „Der Gästeliste". Fand ich super, die Vorstellung, dass Leute unsere Band T-Shirts tragen, wo drauf steht ICH STEH AUF DER GÄSTELISTE. Ich gebe zu, ich war stark alkoholisiert bei diesem Geistesblitz und Gott sei Dank hat man mich unter Androhung von einem Tag Zwangsfernsehen wieder davon abgebracht. Gut, genug gegaukelt. Ich möchte ganz gerne zweigleisig fahren, Solo und Band parallel pflegen. Das schließt sich nicht aus, im Gegenteil, ich kann mein Material besser dorthin verteilen, wo es passt. Außerdem bin ich nun mal ein eitler Sack und muss mehrmals pro Quartal auf die Bühne, sonst verwandle ich mich in einen Sack Rindenmulch. Der Fokus liegt zur Zeit mehr auf der Band, da steckt am meisten Herzblut drin. Wir haben wirklich viele gute Songs am Start, es würde mich überglücklich machen, wenn „Es ist nicht Liebe“ es ins Radio schafft, denn die Nummer hat absolut das Zeug dazu. Aber schauen wir mal, in erster Linie bin ich happy mit diesem Projekt und vor allem mit dieser Besetzung, Himmi und Ingo sind ein echter Glücksgriff.

Ganz wichtig bei der Vorstellung der Band ist Dir sicherlich der Begriff Stromgitarre....
Ach, naja, es gibt wichtigeres. Gesundheit, Glück, Griesbrei.... Aber zugegeben, ich träume seit Jahren davon, meine Songs so umzusetzen, wie ich sie beim Schreiben höre. Und das klingt nun mal eher nach Stromgitarre als nach a cappella. Oder nach Klavier.

Ein klassisches Trio: Gitarre, Bass, Schlagzeug – wer sind Deine Mitstreiter und was bringen die an Erfahrung mit?
Ich präsentiere voller Stolz: Aaaaam Schlagzeug: Mister Oliver Himmighoffen. Himmi ist nicht nur ein sauguter Drummer, er hat ein tolles musikalisches Gespür und hört sofort, wenn´s irgendwie nicht stimmt, völlig wurscht, um welches Instrument es sich dreht, er hat immer den Gesamtüberblick. Er war Mitglied der legendären Frankfurter Punkband Gabi Mohnbrot und ist seit vielen Jahren mit ASP, einer der größten deutschen Gothic Bands, europaweit unterwegs und spielt regelmäßig vor mehreren tausend Leuten. Wir beide kennen uns durch das Stalburg Theater. Beim Stoffel 2008 wurde der Grundstein für das Projekt Keller & Verstärkung gelegt. Damals natürlich noch ohne den Namen und mit einen anderen Bassisten. Erst im Mai 2009 stieß unser jetziger Mann dazu: Mister Ingo Romling. Mein Gott, wie der seine vier dicken Saiten bearbeitet...zum Niederknien. Ich bin echt froh, ihn zu haben, er weiß genau, was ich will, ohne große Erklärung. Und trotzdem setzt er das eigenständig und mit seinem speziellen Sound um. Er war der erste Bassmann der Madhouse Flowers und wechselte dann zu The Companions. Ganz nebenbei ist er ein begnadeter Grafiker und Comiczeichner. Er hat die CD Cover und Plakate für die Kontrollöre gemacht und und von ihm stammt ein Großteil des Artworks für ASP. Man sieht, da schließt sich der Kreis.
Himmi und Ingo sind Vollprofis. Eine großartige Rhythmus-Sektion, kraftvoll, und stilistisch flexibel. Mit ihnen zu proben macht große Freude, weil sie Konzentration, Spaß und Kritikkultur beherrschen. Vor allem letzteres war mir von Anfang an wichtig. Ich habe ihnen meine Demos gegeben und gesagt, sie sollen gleich Bescheid sagen, wenn sie damit nichts anfangen können. Als die beiden sagten: Deine Songs sind richtig gut, wir haben Bock darauf, habe ich innerlich einen Luftsprung gemacht. Besser kann man ein Projekt nicht starten. Wir haben alle drei lange genug in verschiedenen Bands gespielt, wir wissen den Umstand, dass man von Anfang an weiß, woran man ist, sehr zu schätzen. Ich bin künstlerisches Mastermind, Himmi und Ingo veredeln mein Repertoire, bringen alles in Topform. Wir drei ergänzen uns bestens. Im Sommer haben wir unser erstes kleines Testkonzert beim STOFFEL gespielt und bekamen von mehreren Seiten das Feedback: Ihr klingt, als ob ihr schon Jahre zusammen spielt. Da hatten wir gerade mal 10 Proben hinter uns. Kerle, ham wir uns gefreut.

Stand das Verstärkung-Konzept von Anfang an fest oder ergab sich das erst durch die Bandchemie?
Das ergab sich. Wir hielten es für sinnvoll, meinen Nachnamen zu verwenden, da es ja auch mein Kram ist, plus Zusatzbaustein. Keller & Band war zu platt, Keller & Kollegen zu doof, irgendwann kam die Verstärkung, das war’s. Keller & Verstärkung klingt ganz gut und transportiert sogar noch Inhaltliches mit. Zum einen, weil wir es krachen lassen. Und zum anderen wegen der guten Kräfte, die in diesem Projekt aufeinander treffen: Musikalisches Können, prima Songmaterial, ein hoher Anspruch an den gemeinsamen Output und das Wichtigste: richtig viel Bock aufeinander.

Was darf man musikalisch erwarten? Erste Hörproben versprechen ja was alles – von Schlager bis Rammstein, von Folk und Ballade über Rock, Punk und Reggae bis Indie und Heavy Metal... Ist das eure Identität?
Hä? Schlager? Oh, das war mir neu. Da muss ich mich verspielt haben.... Aber ansonsten gibt es in der Tat einen wilden Stilmix. Das klingt nach Kraut und Rüben, hat aber alles Hand und Fuß. Meine Themenwelt ist nun einmal bunt und voller Brüche, der rote Faden liegt im gekonnten Verknüpfen zu gutem Entertainment. Ich sehe unsere Show wie ein gutes Mixtape, das lebt ja auch von der Abwechslung. Wir drei mögen diese Mischung jedenfalls gut leiden, wie gut es ankommt, wird man sehen. Wir stehen ja auch noch ganz am Anfang, ich finde es da noch etwas schwierig, über eine Identität zu sprechen. Erst mal ein bisschen spielen, Album weiter aufnehmen (die ersten vier Tracks sind bereits fertig und auf myspace.com/kellerundverstaerkung zu hören) und schön wachsen und gedeihen lassen. Dann kommt auch die Identität angeschlurft, die alte Schublade.

Als Motto steht auf euren Flyern „Spass.Ernst.Liebe“ – eine in Teilen überraschende Kombination. Was darf man da erwarten?
Eine richtig geile neue Frankfurter Band mit Songs über die wesentlichen Themen im Leben, zum Beispiel Sachsen, Heilerde, Oktoberwärme, Anne Will, Sommerwind, Probleme, Chancen, Alleinsein, Rock n Roll, Frankfurt am Main und zum Schluss natürlich: Das Beste.

Interview: Detlef Kinsler
 
9. Dezember 2009, 14.28 Uhr
Detlef Kinsler
 
 
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