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Herr P. und die Tücken der Technik

herr_p1Als Herr P. das Wahllokal betrat, war er noch guter Dinge. Er gab seine Wahlbenachrichtigung ab, trat hinter die Kabine und wollte gerade sein Kreuzchen an die richtige Stelle machen – als der Kuli versagte. „Verflucht!“, murrte Herr P., kritzelte ungeduldig auf dem Papier herum und zerriss dabei den Stimmzettel. „Mit Computern wäre das nicht passiert“, dachte er, malte sich dann jedoch vor seinem geistigen Auge Tausende bezahlter junger Hacker aus, die nichts anderes taten, als von zu Hause aus das Abstimmungsergebnis zu manipulieren. Wie auf Stichwort klingelte das Telefon, einer der Wahlhelfer nahm ab, nickte, legte den Hörer beiseite und rief: „Systemcrash in Lampertheim! Sendet Zettel!“ Da keiner der Beamten abkömmlich war, erklärte sich Herr P. bereit, die Unterlagen ins Lampertheimer Wahlbüro zu bringen. Er eilte zur S-Bahn, sprang hinein – und wurde von den sich schließenden Türen erfasst. Die Bahn fuhr an, er steckte halb drin, halb draußen, und es war Herrn P. zum ersten Mal vergönnt, das Innere eines Schnellbahntunnels aus nächster Nähe zu erleben. „Hilfe!“, brüllte er, „ich bin Herr P., holt mich hier raus!“ Ein heranwachsender Mitreisender mit alpenländischem Akzent begann, Herrn P. fluchend von drinnen mit Tritten zu traktieren, offenbar in der Absicht, ihn vollends aus der Bahn zu werfen, während Herrn P.s Hinterkopf um Haaresbreite ein vorbeirauschendes Signalschild verfehlte. Diese Zugtüren taten außerdem verdammt weh. Als die Bahn in der nächsten Station zum Stillstand kam, erkannte eine Gruppe türkischer Jugendlicher, die gerade desillusioniert herumlungerte, Herrn P.s Notsituation und stürmte mit gemeinschaftlicher Gewalt die festgeklemmte S-Bahn-Tür, worauf die unterirdische Haltestelle von tosendem Applaus der wartenden Passanten erfüllt wurde, als Herr P. mitsamt umherfliegender Stimmzettel­bündel auf den Bahnsteig purzelte. Seine muslimischen Helfer sammelten sie auf, zeigten sich hocherfreut, auch einmal in den Genuss demokratischer Grundrechte kommen zu dürfen, machten ihre Kreuze an den richtigen Stellen und kutschierten Herrn P. in einem gestohlenen Mercedes nach Lampertheim. „Toll, diese jungen Leute heutzutage“, dachte er, betrat das Wahllokal, überreichte die leeren Stimmzettel, warf die ausgefüllten in die Urne, gab noch einmal selbst seine Stimme ab und machte guten Mutes den Briefumschlag zu.

Erschienen im Journal Frankfurt, Ausgabe 03/2008.
 
25. Januar 2008, 12.35 Uhr
Andreas Dosch
 
 
Fotogalerie:
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