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Trans*

Über das Menschsein

Der 17. Mai ist der Internationale Tag gegen Homo-, Bi-, Inter- und Transphobie. Noch immer erfahren trans* Menschen Diskriminierung und Ausgrenzung, auch in Deutschland. Daran könnte vor allem die Politik etwas ändern – wenn sie denn wollte. Ein Gastbeitrag.
Das Outing von Caitlyn Jenner im Jahr 2015 machte das Thema „Trans“ auch in Deutschland erstmals einer breiten Öffentlichkeit zugänglich, nie zuvor hatte sich ein Mensch mit einem solch weltweiten Bekanntheitsgrad zu seiner Transidentität bekannt. Aber natürlich gibt es Transidentität nicht erst seit 2015. Die ersten geschlechtsangleichenden Operationen erfolgten bereits Anfang der 30er-Jahre in Berlin und Dresden, dennoch lebten und leben über Jahrzehnte trans* Menschen vor allem im Verborgenen, werden stigmatisiert und systematischer und struktureller Diskriminierung ausgesetzt. Auch wenn sich die allgemeine gesellschaftliche Akzeptanz seit einigen Jahren verbessert hat, so sind gerade trans* Frauen nach wie vor physischer und psychischer Gewalt ausgesetzt – selbst in unserem liberalen und weltoffenen Frankfurt, wie die Angriffe in der Innenstadt in den vergangenen Wochen und Monaten gezeigt haben.

„Strukturelle Diskriminierung ist alltäglich“

Weltweit wurden im vergangenen Jahr 350 trans* Menschen ermordet, die Dunkelziffer dürfte weitaus höher liegen – die meisten Morde waren in Lateinamerika und in den USA zu verzeichnen. Straftaten gegen LGBT*IQ insgesamt und gegen trans* Menschen im Besonderen werden auch in den meisten deutschen Polizeistatistiken noch nicht als gesondertes Kapitel erfasst, sodass das Ausmaß der Gewalttaten gegen LGBT*IQ nach wie vor nur geschätzt werden kann. Hier ist eine Änderung dringend notwendig, um endlich belastbare Daten erhalten zu können.

Transfeindlichkeit äußert sich aber nicht nur in physischen und psychischen Angriffen auf trans* Menschen. Für viele Betroffene ist die strukturelle Diskriminierung alltäglicher und oftmals sehr viel belastender. So ist die Umschreibung von Ausweispapieren erst nach einem langwierigen und teuren Prozess möglich, der im sogenannten „Transsexuellengesetz“ aus dem Jahr 1980 geregelt ist. Allein die Änderung der Geburtsurkunde, die für die Ausstellung von neuen Dokumenten Voraussetzung ist, erfolgt erst nach einem richterlichen Urteil. Dieses Urteil muss beim Amtsgericht angestrebt werden, dazu müssen zwei Gutachten eingereicht werden und erst ein:e Richter:in entscheidet letztlich, ob der/die Betroffene seinen/ihren Namen ändern darf.

„Entmündigend und pathologisierend“

Dieser Prozess dauert in der Regel mindestens ein Jahr und kostet die Betroffenen rund 2000 Euro Gerichts- und Gutachterkosten. Andere Länder wie Argentinien, Schweden, Dänemark oder Island haben dagegen längst ein Antragsverfahren ohne Begutachtung für die rechtliche Anerkennung der geschlechtlichen Identität eingeführt (Personenstands- und Namensänderung). In Deutschland ist jüngst ein Gesetzesentwurf gescheitert – während die CDU weiterhin an der Begutachtungspflicht festhält, wollte die SPD lediglich eine Beratungspflicht einführen. Gesetzentwürfe von Bündnis 90/Die Grünen und FDP werden am 19.05. im Bundestag abgestimmt, es ist aber nicht zu erwarten, dass die Große Koalition diesen zustimmt, sodass Betroffene auch weiterhin den entmündigenden und pathologisierenden Weg über das Transsexuellengesetz gehen müssen.

Im Zuge der vom Bundesverfassungsgericht angemahnten Änderung des Transsexuellengesetzes hat die Bundesregierung 2018 das Personenstandsgesetz geändert und Menschen „mit einer Variante der Geschlechtsentwicklung“ (=Intersexuelle), die Möglichkeit gegeben, durch eine einfache Bescheinigung eines Arztes den Geschlechts- und Namenseintrag auf der Geburtsurkunde unkompliziert ändern zu lassen. Während das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil ausdrücklich darauf hingewiesen hat, dass eine „Variante der Geschlechtsentwicklung“ nicht nur auf körperliche Merkmale beschränkt ist, legt der Gesetzgeber diese Definition ausschließlich auf biologische Merkmale aus und schließt auch hier trans* Menschen von der vereinfachten Änderung der Geburtsurkunde aus. Auch dies erfolgt ausschließlich aus ideologischen Gründen, die von wissenschaftlichen Erkenntnissen längst widerlegt wurden.

„Wie aus der Mitte des vergangenen Jahrhunderts“

Dass schwule Männer nach wie vor kein Blut spenden dürfen und damit pauschaler Diskriminierung ausgesetzt sind, ist hinlänglich bekannt, dass auch trans* Frauen dies nicht dürfen, läuft aber weitestgehend unter dem Radar der Öffentlichkeit. Die Begründung der Bundesärztekammer, auf die sich der Gesetzgeber dabei beruft, liest sich wie aus der Mitte des vergangenen Jahrhunderts. Darin heißt es, dass trans* Frauen besonderer Ausgrenzung ausgesetzt seien und deshalb besonders oft in der Prostitution arbeiteten. Daher seien trans* Frauen einem besonderen Risiko für eine HIV-Infektion ausgesetzt und pauschal nicht als Spenderinnen geeignet. Die Daten für diese „Erkenntnisse“ entnimmt die Bundesärztekammer aus Südamerika und Asien, wo insbesondere trans* Frauen tatsächlich häufig in die Prostitution getrieben werden. Den Übertrag dieser Daten nach Deutschland und damit die Begründung für das pauschale diskriminierende Blutspendeverbot für trans* Frauen leitet die Bundesärztekammer durch einen Blick auf eine Erotik-Webseite ab, in der nach den Erkenntnissen der Ärztekammer rund 300 trans* Frauen ihre Dienste anbieten.

So viel zu einer wissenschaftlich und durch gesunden Menschenverstand belegten Begründung, mit der pauschal Tausende trans* Frauen diskriminiert und von dringend benötigten Blutspenden ausgeschlossen werden. Es wird deutlich, dass es nicht nur gesellschaftlich ein weiter Weg ist, bis trans* Menschen keine Diskriminierung und Gewalt mehr erfahren, auch die Politik hat noch viel Arbeit vor sich. Dabei bedarf es einfach nur des politischen Willens und des Überbordwerfens von ideologischer und teilweise auch religiöser Verblendung, denn erst wenn strukturelle Diskriminierung überwunden wird, kann sich auch das gesellschaftliche Klima nachhaltig ändern und verbessern.

Die Kandidaturen der Grünen trans* Frauen Nyke Slawik aus Nordrhein-Westfalen und Tessa Ganserer aus Bayern für den Deutschen Bundestag zeigen, dass sich auch in der Politik mehr und mehr trans* Menschen in die Öffentlichkeit trauen und für die Rechte von Menschen mit transidentem Hintergrundkämpfen. Das macht Mut!

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Julia Eberz hat sich 2019 als trans* Frau geoutet und ist seit dem 1. April Stadtverordnete für Bündnis 90/Die Grünen im Römer. Nach ihrem Geografiestudium hat sie lange Zeit für die GTZ und GIZ in unterschiedlichen Ländern gearbeitet und leitet seit 2019 das Wahlkreisbüro der Frankfurter Landtagsabgeordneten Mirjam Schmidt. Neben ihrem Stadtverordnetenmandat ist sie eine der Sprecher*innen der Arbeitsgemeinschaft Queer der Frankfurter Grünen.

Dieser Text erschien zuerst in der Mai-Ausgabe (5/2021) des JOURNAL FRANKFURT.
 
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17. Mai 2021, 13.15 Uhr
Julia Eberz
 
 
 
 
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