There's no Michelangelo coming from Pitsburg" erwiderte Andy Warhol einst auf die Frage, warum er New York zu seiner Wahlheimat erkoren hatte und zielte auf den Puls der Weltmetropole, jenes inspirative Moment der Großstadt, das seiner Meinung nach unverzichtbar sei für jedes große künstlerische Wirken. Hätte der geniale Albino um die kleine fränkische 12.000 Seelen-Gemeinde Hersbruck gewusst, so hätte er seine Aussage zumindest in Teilen revidieren müssen und die Künstlergemeinschaft der Silverfactory hätte ihr Lunch anstatt zwischen den Wolkenkratzern der 47th Street, vielleicht im Schatten der Türme des Hersbrucker Stadtschlosses eingenommen. Ob die Velvet Underground-Banane deshalb gleich zur Kartoffel mutiert wäre, liegt im Reich der Spekulation. Belegt ist hingegen, dass die kleine Stadt östlich von Nürnberg auch ohne den berühmten Maler und Musik-Produzenten eine abnorme Häufung hochtalentierter Rockmusiker hervorgebracht hat. Dabei liegt die Vermutung nah, dass sich hinter den bekanntesten Vertretern Hersbrucker Musikkultur, wie etwa The Robocop Kraus, The Plane Is On Fire, Yucca oder Hidalgo, noch eine erhebliche Dunkelziffer von Bands verbirgt, die ihre Herkunft aus von Andy so trefflich beschriebenen Gründen lieber verleugnet. Nicht so THE AUDIENCE - wie überhaupt alles um den jüngsten Spross Deutschlands heimlicher Rockhauptstadt pures Understatement ist.
Es war Tobi von den Robocops, hoch geschätzter Stammgast der moatlichen Hazelwood-Studio-Parties, der uns das allererste Mal von der unglaublichen Band erzählte, die man einfach gesehen haben müsse. Und darum gebührt es auch ihm, an dieser Stelle noch einmal das zu wiederholen, was er uns so, oder so ähnlich, damals berichtete:
Tobias Helmlinger / The Robocop Krauss: "Meine erste Begegnung mit The Audience war vor ungefähr drei Jahren. Stilecht im Keller des Hersbrucker Jugendzentrums. Das kannte ich ja gut. Von früher! Fünf junge Herren, alle einheitlich schick gehüllt in schwarzes Tuch, enterten damals die Bühne. Ok, dachte ich, eine Uniformenband. Kenn ich auch von früher! Keine unbekannten Gesichter waren das, man kannte sich vom Sehen, sozusagen waren diese Jungs "The New Wave of Hersbrucker Schule", die nächste Generation. Erster Song. Ja, Orgel! Der Tastenmann legte sich gewaltig in Zeug und ließ sein Organ mittels eines verzerrten Leslies kreischen wie eine alte Motorsäge. Stark! Sofort wurden Assoziationen mit John Lord oder Keith Emerson wach. Und auch die gesanglichen Höhenflüge des Sängers in bester Robert Plant Manier ließen mich mehr als einmal an den bleiernen Zeppelin denken. Eine RETROBAND? Aus Hersbruck? Aber nein, nein und nochmals nein! Wer The Audience ohne weiteres in diese staubige Schublade steckt, wird der Band in keinster Weise gerecht und kann von mir aus auch gleich mal zu Hause bleiben! The Audience sind alles andere als eine weitere "Retroband". The Audience sind originell und authentisch, wild und eigenwillig. Und eine unglaublich gute Liveband! Wenn sie "retro" klingen, bedienen sie sich ausschließlich guter Zitate, ähnlich wie das The Mars Volta vorgemacht haben. Aber auch dieser Vergleich hinkt. The Audience sind einfach zu cool. Wenn Sänger Bernd, eine ohnehin schon mächtige Erscheinung in allen Belangen, zum großen Finale ansetzt, dann sieht das klar ein bisschen aus wie Torbjörn "Ebbot" Lundberg meets Joe Cocker in it's early years. Und wenn Gitarrero Sebastian den Arm mit kreisenden Bewegungen auf seine Axt niederschmettert, wirkt er dabei auch immer ein bisschen wie ein erblondeter Pete Townshend zu "Live at Leeds"-Zeiten. Dazu steckt er gerne mit Basser Michi den Kopf vor einem gemeinsamen Mikro zusammen und ja, das sieht dann aus wie Paul und George. Und Trommler Florian kann sicher mindestens so viele White Russians verputzen wie seinerzeit Keith Moon. Aber das hat eigentlich alles nichts zu bedeuten. Denn erstens wirkt das alles nie aufgesetzt oder verkrampft und zweitens rocken The Audience einfach! Im Hier und Jetzt! I like The Audience!"
Und so wirkt es beinahe selbstverständlich, dass The Audience die letzte Robocop Kraus-Tour im Vorprogramm begleiteten. Nie, seitdem Hazelwood Vinyl Plastics Platten veröffentlicht, hat eine Band noch vor Veröffentlichung des Debut-Albums so viel Aufmerksamkeit erregt.
The Audience tanzen im Auge des Sturms, umwirbelt von einem polymorphen, entfesselten Kunterbunt aus Rock- und Punk-, Garage- und New Wave-Fragmenten, vertäuen Überliefertes an Unentdecktem, wickeln sich in einen flaternden Mantel aus wärmespendender Psychodelika und zünden das Haus an. Es ist die heilige Allianz radikaler Vision und jugenlicher Unbändigkeit die jenen Sog erzeugt, der alles mit sich reisst, jene Turbulenz mit der Musik alles, ohne die sie nichts ist. Mit der Bedingungslosigkeit ausgehungerter Raubtiere verbeisst sich die Gang of Five ins Zelluloid und treibt staubtrockene Riffs wie Reisszähne in die sprühende Gischt aus Vielklang. Harmonien wie Filme, wie traumhafte Spiegelungen vergangener Gegenwart und gegenwärtiger Zukunft - hallozinogen, zeitlos. Das hat Iggy's Lachen, Bowie's Seufzen, Plant's Grollen und Barret's Stöhnen und das ist - mit Verlaub - schon wieder ganz großes Kino!
Heute, Samstag, 26.05., Einlass: 20.30 Uhr, Beginn: 21.30 Uhr, spielen The Audience im Bett in Frankufrt. AK: 7 € inkl. Party