Rundgang'08: Die Migration der Form

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red /

Viel frisches Gemüse, viel Installationskunst und Film, wenig Malerei beim Rundgang' 08, der die Hochschule der Bildende Künste als Experimentierzelle ausweist.

Heute Morgen herrschte in der Städelschule noch eine Art kreative Angespanntheit. Während Direktor Daniel Birnbaum die Presse zu einem ersten Rundgang durch sein Haus in der Dürerstraße 10 führte, wurde hier und da noch ein- und aufgeräumt. Wie viele Kommilitonen hat Naneci Yurdagül nachts wenig Schlaf gefunden. Dem türkischen Ehepaar, das er eigens engagiert hat, fehlte das Geld, um in der Eingangshalle der Städelschule einen Obststand komplett mit Obst und Gemüse zu bestücken, erzählt der Performancekünstler. Dass nun in unserem Beisein ein Berg frischer Orangen ästhetisch aufgetürmt wird, verfehlt seinen Reiz nicht. Holen die Obstverkäufer sowie eine Rosenverkäuferin mit ihrem Kopftuch (eine rote Rose: kostet 4.- €) doch ein Stück Frankfurt Migrationsalltag in die internationale Kunsthochschule.
Poetischer als Yurdagüls Hommage an die Pop Art sind jene Bilder, welche Yuki Higashino, Søren Assenholt und Dan Rees in ihrem Raum mittels Licht, Schatten und Film schaffen. Die Migration der Form, seit der vorigen Documenta ein geflügeltes Wort, ist auch hier wichtiges Thema. Die Studenten in der Klasse von Simon Starling gehen zurück auf die Anfänge der Fotografie und des Films, auf moderne Techniken und architektonische Utopien und deren Schattenseiten. Assenholts konzeptuelle Arbeit informiert über die Ausbeutung vormals Kolonialstaaten wie dem Kongo. Das Zusammenspiel zwischen den drei Studenten sei eher zufällig, doch ist es sehr überzeigend. Während Dan Rees einen mit Musik unterlegten, stillen16 mm Film zeigt, hören wir in Higashinos Filminstallation eine weibliche Stimme reden und weitere im Duett singen. Die Schönheit von Gesang und Sprache stimmt mit der modernen Bauweise des Kindergarten Sant’Elia von Giuseppe Terragni überein, von dem wir Bilder sehen. Ihn habe das Paradoxon fasziniert, dass ein Architekt wie Terragni innovativ in seinen Ideen war und dennoch ein bekennender Anhänger der italienischen Faschisten, erklärt Higashino seine Arbeit, die jenes paradoxe Moment treffend einlöst.
Sich seinen Raum schaffen, ein Territorium abgrenzen, möchte dagegen Rehberger-Schüler Att Poomtangon. In eine riesige Spritze hat er Wasser gefüllt und spritzt den Inhalt nun in seine bemalte Hunde-Skulptur, worauf sich gleich eine Pfütze auf dem Boden bildet. Poomtagon pinkelnder Hund ist tatsächlich ein ironischer Abgrenzungsversuch vor leicht konsumierbarer Kunst. Es lohnt sich diesmal beim Rundgang viel Zeit zu haben, um die verschiedenen Arbeiten von Film, Malerei bis Installationskunst auf sich wirken zu lassen. Von heute an bis Sonntagabend ist dazu Gelegenheit. Begleitet wird der Rundgang in der Dürerstraße 10 und Daimlerstraße 32-36 von einem Rahmenprogramm und Ausstellungen: die Kunstmesse „UN Fair“ findet in der Oppenheimer Straße 34a statt und das „Haus Nummer elf“ zeigt in der Stoltzestraße 11 „value is in activity“. In der Galerie Wilma Tolksdorf (Hanauer Landstraße 136) präsentiert die Architekturklasse ihre aktuellen Modell-Visionen.

Rundgang 2008: Fr bis 22 Uhr, Sa 11-20, So 11-20 Uhr, www.staedelschule.de

Hortense Pisano


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