Am Sonntag wurde die Studie „Frankfurt und die Juden. Neuanfänge und Fremdheitserfahrungen 1945-1990“ von Tobias Freimüller mit dem Rosl- und Paul Arnsberg-Preis für hervorragende Forschung zur jüdischen Geschichte ausgezeichnet.
ahe /
Das Leben von Paul und Rosa Arnsberg ist eng verwoben mit der deutschen Geschichte des 20. Jahrhunderts. Beide um die Jahrhundertwende geboren, kehrten sie Deutschland in den 30er-Jahren den Rücken und kehrten nach etwa 25 Jahren in der Region Palästina nach Frankfurt zurück. Dort widmete sich zunächst Paul Arnsberg und nach dessen Tod auch Rosl Arnsberg umfassend der Aufarbeitung jüdischer Geschichte in Deutschland. Ein zentraler Baustein ihres Werkes ist die Entwicklung des jüdischen Lebens in Frankfurt.
Ihnen zu Ehren vergibt die Stiftung Polytechnische Gesellschaft seit 2008 den Rosl- und Paul-Arnsberg Preis für hervorragende Leistungen zur Forschung über jüdische Geschichte. Der diesjährige Preisträger ist der an der Friedrich-Schiller Universität Jena promovierte und an der Goethe Universität habilitierte Historiker Tobias Freimüller. Den mit 10 000 Euro dotierten Preis bekam er für seine Arbeit „Frankfurt und die Juden. Neuanfänge und Fremdheitserfahrungen 1945-1990“.
„Die Arbeit zeichnet ein hochdifferenziertes Bild des komplexen Verhältnisses von Jüdinnen und Juden untereinander und zur nichtjüdischen deutschen Gesellschaft nach der Schoah aus“, lobte die Jury unter von Vorsitz von Professorin Mirjam Wenzel, Direktorin des Jüdischen Museums. Weiterhin sieht die Jury das Potenzial in Freimüllers Arbeit ein Standartwerk zu werden. Insbesondere wegen der bedeutungsvollen Rolle Frankfurts in der jüdisch-deutschen Geschichte.
Bereits vor 1933 war Frankfurt die Stadt mit dem höchsten jüdischen Bevölkerungsanteil, ihre Jüdische Gemeinde war nach Berlin die zweitgrößte in Deutschland. Prägend waren Jüdinnen und Juden nicht nur im Finanzwesen, in der Bildung und Wissenschaft, sondern auch für eine Vielzahl von Institutionen und Vereinen. In der Zeit des Nationalsozialismus wurde diese vielfältige Kultur fast komplett zerstört. Systematische Verfolgung, Deportation und Ermordung führten dazu, dass von einstmals 30 000 jüdischen Frankfurterinnen und Frankfurtern noch etwa 100 bis 200 in der zerstörten Stadt blieben.
Nach Kriegsende kam eine große Zahl jüdischer Geflüchteter aus dem Ostblock ins damalige amerikanische Hauptquartier nach Frankfurt. Gleichzeitig kehrten durch den Nationalsozialismus vertriebene jüdische Menschen zurück, ausdrücklich ermutigt durch den damaligen Oberbürgermeister Walter Kolb. Tobias Freimüller Forschungsarbeit widmet sich den darauffolgenden Jahren, in denen allmählich wieder sozialer Raum und Institutionen des jüdischen Lebens in Frankfurt entstanden. Somit steht Frankfurt einerseits stellvertretend für die gesamtdeutsche jüdische Nachkriegsgeschichte, andererseits für eine Vorreiterrolle, durch das rasche etablieren jüdischer Einrichtungen.
Dass das Zusammenleben zwischen Nichtjuden und Juden in Frankfurt nicht immer konfliktfrei blieb, zeigte vor allem die aufsehenerregende Blockade der Uraufführung des Theaterstücks „Der Müll, die Stadt und der Tod“ vom kontroversen Filmemacher Rainer Werner Fassbinder durch die Jüdische Gemeinde 1985 sowie der Börneplatzkonflikt im Jahr 1987. Gleichwohl spiegelt sich darin das neue jüdische Selbstbewusstsein der 1980er Jahre wider. Insgesamt liefert Tobias Freimüllers im Frühjahr 2020 erscheinendes Werk einen lohnenswerten Blick in die vielfältige Deutsch-Jüdische Geschichte Frankfurts.