Das interkulturelle Beratungszentrum von „FIM – Frauenrecht ist Menschenrecht“ engagiert sich für Frauenrechte und hilft Frauen aus unterschiedlichen Kulturen und ihren Familien in Notsituationen. In diesem Jahr wird der Verein 40 Jahre alt.
Laura Oehl /
Der Verein „FIM – Frauenrecht ist Menschenrecht“ begeht in diesem Jahr seinen 40. Geburtstag. Der beste Zeitpunkt für eine große Geburtstagsfeier ist das Corona-Jahr 2020 allerdings nicht. Die Veranstaltung im Römer, die zu Beginn der Pandemie noch geplant war, wurde abgesagt und vorausschauend auf 2022 verschoben. „Wir hätten uns in diesem Jahr schon gerne so richtig gefeiert. Und das eben als Präsenzveranstaltung, weil das Vernetzen, mit Menschen zu tun haben und die vielen Kooperationen der Kern unserer Arbeit sind. Ein digitaler Event wäre für uns nicht in Frage gekommen“, sagten Gründungsmitglied und Vorstandsvorsitzende Gertrud Mehrens und Geschäftsführerin Elvira Niesner.
Das Phänomen Sextourismus
Das 1980 gegründete interkulturelle Beratungszentrum FIM ist Anlaufstelle für Frauen und ihre Familien, die Hilfe in den unterschiedlichsten schwierigsten Lebenslagen suchen. Angefangen als Initiative gegen Sextourismus aus Thailand und den Menschenhandel thailändischer Frauen auf den deutschen Heiratsmarkt, hilft FIM heute Frauen aus 70 Nationen. Der Sextourismus blieb auch Jahre nach der Gründung weiterhin ein Thema. „Als das Phänomen des Sextourismus in Thailand seinen Anfang nahm, tobte in Vietnam der Krieg. Die GIs wurden von Vietnam nach Thailand geschickt zu ‚Rest and Recreation‘. Dadurch entstanden Prostitutionsstrukturen“, erzählte Gertrud Mehrens. Was anfangs als reine Kriegserscheinung vermutet wurde, blieb aber auch danach bestehen. „Als der Vietnamkrieg zu Ende war, wurden diese Strukturen von der Tourismusindustrie besetzt“, so Mehrens.
Mit den Jahren hat sich das Themenspektrum, in dem FIM Frauen unterstützt, erweitert. Nach dem Mauerfall weitete sich der Menschenhandel auch auf Frauen aus dem Osten Europas aus, mit der Osterweiterung der Europäischen Union kam das Thema Armutsprostitution hinzu. Weil mit der Flüchtlingskrise 2015 mehr Frauen aus den spezifischen Ländern nach Deutschland kamen, spielte auch die Genitalbeschneidung eine immer größere Rolle. Ein großes und permanentes Thema ist für FIM auch die Gewalt im Namen der Ehre. Seit 1999 ist FIM Koordinierungsstelle für Opferschutz bei Menschenhandel in Hessen und seit 2019 Schwerpunktträger des Projekts „Hessen gegen Ehrgewalt“. Ein wichtiger Schritt, wie Geschäftsführerin Elvira Niesner betonte.
Häusliche Gewalt durch Corona häufiger
Auch häusliche Gewalt ist ein Problem, das die Beraterinnen von FIM seit vielen Jahren durchgängig beschäftigt. Während der Corona-Pandemie gab es immer wieder Berichte, dass die häusliche Gewalt in Deutschland wieder zunehme. Die Beraterinnen bei FIM teilen diesen Eindruck. „Gerade für dieses Jahr haben wir auch festgestellt, dass wir viel intensivere und schwerwiegendere Fälle haben“, so Niesner. Vor allem im Lockdown, wenn viele Familien zu Hause seien, verstärkten sich Spannungen und potentielle Gewalt. Corona hindere zudem viele Betroffene daran, rauszugehen und sich Hilfe zu holen. „Deshalb gehen wir davon aus, dass wenn die Situation sich wieder entspannt, diese Fälle auch sichtbar werden“, sagte Niesner.
Gerade in Gewaltsituationen müssen Betroffene Hilfsangebote schnell und einfach finden können. „FIM kontaktiert Frauen niedrigschwellig, das heißt wir gestalten den Zugang und die Wege so einfach, dass auch Frauen in prekären Situationen, aus anderen kulturellen Zusammenhängen, mit anderen sprachlichen Kompetenzen und so weiter, die Möglichkeit haben, die Hilfe und die Beraterinnen von FIM zu erreichen“, so Elvira Niesner. Frauen direkt helfen zu wollen und ihnen ein Verständnis für ihre kulturellen Hintergründe entgegenzubringen, sei seit der Gründung von FIM die Basis. So ist in 40 Jahren aus einigen engagierten, ehrenamtlichen Frauen ein Verein mit 20 haupt- und vielen ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen geworden, die selbst aus unterschiedlichen Kulturen stammen, professionell geschult sind und in mittlerweile 15 Sprachen eine Beratung anbieten können.
Schicksalsschläge bleiben im Kopf
Nicht immer ist diese Arbeit für die Beraterinnen leicht. Das Problem, sich von den Schwierigkeiten der Frauen und ihrer Familien abgrenzen zu können, kennen Mehrens und Niesner gut. „Natürlich kann man nicht immer aus dem Büro rausgehen und dort alles zurücklassen. Wir hatten zum Beispiel im letzten Jahr den Fall einer Familie, die hier fast zwanzig Jahre ohne Aufenthaltsgenehmigung gelebt hat, mit Kind, Beschulung, Arbeit. Und da ist es nicht gelungen, deren Leben hier zu legalisieren, obwohl sie voll integriert waren. Und das haben wir alle mit nach Hause genommen, weil das einfach ein schwerer Schicksalsschlag für diese Familie war“, erinnert sich Niesner.
Zur Beratungsarbeit von FIM kam mit der Zeit auch ein politisches Engagement dazu. Heute berät der Verein nicht nur Frauen und ihre Familien, sondern bietet auch Workshops in Schulen oder Fortbildungen für Fachkräfte an und setzt sich politisch für die Rechte von Frauen ein. Die Mitarbeiterinnen von FIM wollen die Themen der Frauen in einen gesellschaftlichen Diskurs bringen, damit politische Veränderungen umgesetzt werden können. So ist auch Gertrud Mehrens‘ Wunsch für die Zukunft eindeutig: „Ich wünsche mir, dass wir auch in Zukunft Frauen und ihre Familien mit ihren Problemen umfassend begleiten können. Und ich wünsche mir natürlich, dass sich Strukturen so verändern, dass alle Frauen aus patriarchalen Zwangsverhältnissen herauskommen und auf Augenhöhe mit ihren Partnern leben können.“