Foto: Das Alte Rathaus in Seckbach © Harald Schröder
Im Osten Frankfurts

Ein Streifzug durch Seckbach

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Seit 125 Jahren ist Seckbach, das weiträumig von der Berger Warte bis zur Batschkapp reicht, ein Stadtteil der Mainmetropole. Wir haben einen Ortsrundgang gemacht.

Annette Friauf /

Aufbruch zum Ortsrundgang: Eine gute Zeit ist mittags um zwölf, wenn die Glocken der Marienkirche und das Geläut des Alten Rathauses zusammen erklingen. Die evangelische Kirche von 1710 wurde auf einen Hang gebaut, auf dem einmal Wein wuchs. Auf dem lauschigen Hof mit der Friedenseiche stehen barocke Grabsteine und die Turmspitze einer zweiten, abgerissenen Dorfkirche. Grabkreuze tragen die Inschrift alter Seckbacher Familiennamen.

Gleich gegenüber ist das Heimatmuseum, das jeweils am ersten Sonntag im Monat von 15 bis 17 Uhr geöffnet hat. Im alten Pedellhaus wohnte mal der Schulverwalter. Heute hält der Kultur- und Geschichtsverein dort altes Wissen lebendig. Wie auch der Pferdestall zählte das Gebäude zu einer bäuerlichen Hofreite. Hier ist der dörfliche Ursprung des Stadtteils erkennbar.



Wandelndes Geschichtsbuch: Ur-Seckbacher und Archivar Hermann Schmidt © Harald Schröder

„Die meisten Fachwerkhäuser im fränkischen Stil stehen in Seckbach“, sagt Archivar Hermann Schmidt. Er meint frankfurtweit. Etwa 200 Grundstücke seien denkmalgeschützt. Der Ur-Seckbacher muss es wissen. Er ist in der Pizzeria geboren, die damals noch ein Tante-Emma-Laden war. Seckbach hatte seinerzeit noch Bauern und eine Ziegenzuchtstation. Schmidt erinnert sich gern an seine Kindheit: „Wir haben auf der Straße gespielt.“

Heute völlig undenkbar. Die Wilhelmshöher Straße ist Hauptverkehrsader, durchquert Seckbach der Länge nach. Tausende Fahrzeuge und die Buslinien M43 und 38 zwängen sich täglich durch. Es ist eng. Viel Platz für Fußgänger bleibt nicht. Verkehrsprobleme sind in Seckbach ein Dauerthema. Der Weg zum kleinen Supermarkt oder zur Traditionsmetzgerei ist für Einheimische Routinesache. Parkplätze in der Ortsmitte? Null.



Ein ehrenamtlich geführter Weltladen feiert 20. Jubiläum: Gaby Deibert-Dam bereichert den Seckbacher Einzelhandel. © Harald Schröder

Weltladen feiert 20-jähriges Jubiläum

Zu Fuß lässt sich Verstecktes entdecken. Das Alte Rathaus mit schmuckem Erker, Typ bäuerliche Spätrenaissance, ist heute ein Ort zum Feiern und Heiraten. In der Rathausgasse, die über die Draisbornstraße in einer Kurve zur Lohrgasse führt, schlägt das idyllische Herz des Stadtteils. Gaby Deibert-Dam wohnt dort. „Seckbach ist klein und überschaubar, bei Familien beliebt“, sagt sie.

Im September werden es 20 Jahre, dass der Weltladen im früheren gräflichen Weinkeller öffnete. „Wir haben noch eine Woche vor den Bornheimern hier angefangen“, sagt Deibert-Dam stolz. Das ehrenamtliche Team wird von den örtlichen Kirchengemeinden unterstützt. Nach und nach sei eine „bewusste Kundschaft“ gewachsen, die Produkte aus fairem Handel schätzt. Mit Kaffee, Süßwaren und Geschenken präsentiert sich der Weltladen als „farbenfrohes Tor zum Globalen Süden“.

Rechts und links davon steht die Wilhelmshöher im Wandel. Im einstigen Stammhaus der Frankfurter Bäckerei Schaan ist heute ein Tattoo-Studio. Auch auf dem Atzelbergplatz ist der Einzelhandel so gut wie ausgestorben. Anfang der Siebziger sollten die Hochhäuser die Wohnungsnot lindern. Ein Drittel der gut 10 000 Seckbacher lebt dort.



Verkehrs- und Lebensader im Frankfurter Osten:Die Wilhelmshöher Straße ist ein Nadelöhr. © Harald Schröder

Seckbach kommt von Sickerwasser

Seckbach, so heißt es, kommt von Sickerwasser. Es sprudelt und fließt ringsum. Ab dem Alteborn verbindet der Quellenwanderweg Stationen, die vom Wasser erzählen. Ein speiendes Grüngürteltier weist den Weg bis zum Ende in Bergen-Enkheim. Erholung findet man auch unterhalb der Ortsmitte. Rund um das Vogelschutzgebiet Seckbacher Ried gibt’s Natur und Kleingarten-Glück. Oder am kleinen Sausee.

Unter der Lärmschutzröhre der A661 rückt die Großstadt wieder ins Bild: das orangerote Hufeland-Haus im Verbund der Diakonie oder die BG-Unfallklinik mit Traumazentrum. In der 1960er-Jahren entstand auf Seckbacher Gemarkung wichtige Infrastruktur für die gesamten Region. Damals einzigartig in Europa war der Bau des Wohn- und Pflegeheims der Henry und Emma Budge-Stiftung, in dem jüdische und christliche Menschen gleichermaßen betreut werden.



Halb Seckbach, halb Berkersheim: Der Parkfriedhof Heiligenstock an der Frankfurter Grenze zu Bad Vilbel. © Harald Schröder

Vielfältige Architektur vom Kuppeldach zum Kubus-Ensemble

Architektur in Seckbach – auch dies verblüffend vielfältig. Man könnte eine Foto-Collage erstellen. Der Café-Pavillon im Huthpark, dem zweiten Volkspark neben dem Lohrpark, trägt die Handschrift des Neuen Frankfurt. Das markante Kuppeldach der Friedhofshalle am Parkfriedhof Heiligenstock spricht die Formsprache der 1990er. Hier, nördlich des Alten Zollhauses, grenzt Seckbach an Berkersheim und Bad Vilbel-Heilsberg.

Baugeschichtlich wertvoll ist auch das weiße Kubus-Ensemble des mediacampus frankfurt am Fuße des Lohrbergs, ein Aus- und Weiterbildungszentrum rund ums Buch. 1962 quartierte der Börsenverein des Deutschen Buchhandels seine private Buchhändlerschule von Köln am Rhein in die Messestadt am Main um. Für den Nachwuchs ist der mediacampus für mehrere Wochen ein Platz zum Lernen, Lesen und Leben. „Für ein Bildungsunternehmen ist das ein wunderschöner Ort“, sagt Geschäftsführerin Monika Kolb. „Die Randlage ist optimal“.

Mittlerweile reicht das Angebot von Fortbildungen über Quereinstieg bishin zu offenen Seminaren zum Fitmachen für die digitale Welt. Im Jahr 2024 verzeichnete der Campus nach eigenen Angaben 75 000 Übernachtungen. „Das Buch lebt und wir auch“, sagt Kolb.



Ein Ort für junge Menschen zum Leben, Lesen und Lernen: der mediacampus frankfurt, ehemals Buchhändlerschule. © Harald Schröder

„Das Rad“: Frankfurts ältestes Apfelweinlokal mit eigener Kelterei

Zurück zur sprichwörtlichen Seckbacher Gastlichkeit. Weit über die Grenzen hinaus bekannt ist „Das Rad“, nach eigenen Angaben Frankfurts ältestes Apfelweinlokal mit eigener Kelterei. In der Gaststube knarzen die Holzdielen, Trinksprüche werben auf Schiefertafeln, Bembel stehen schankbereit. Aus dem Keller mit alten Fässern dringt der Geruch von Säure, Hefe und Holz. Im „Rad“ wird seit 1806 Hausschoppen zu gutbürgerlicher Küche ausgeschenkt. Seit dem 1. Mai geht’s im Hof wieder los. Dann stemmen Robert Gasser und sein 35-köpfiges Team die Gartensaison bis zum Kelterfest. „Man muss immer schauen, dass das Rad sich dreht“, sagt der Wirt.

Gasser war acht Jahre alt, als die Familie den Traditionsbetrieb übernahm. Großvater Friedrich hat bei der Eintracht gespielt. Sein schwarz-rotes Trikot hängt hinter Glas im Treppenhaus und dient als gutes Omen für die Sportsendung „Heimspiel“, die der HR montags live aus Seckbach sendet. Das „Rad“ bleibt am Ball. Der alte Tanzsaal ist heute ein Treffpunkt für Quiz-Events.



Dreht buchstäblich am „Rad“ für die Apfelweinkultur: Gastwirt Robert Gasser. © Harald Schröder

Ob der Weg ins „Rad“ führt oder gegenüber ins urige Lokal „Zur Krone“, in das für gute Balkanküche bekannte Restaurant Wolffhardts, hinauf zur Lohrbergschänke mit ihrer einmaligen Aussichtsterrasse oder zu einem Konzert in die legendäre Batschkapp, die 2014 von Eschersheim in der Gwinnerstraße umzog – es gibt viele Gründe für einen Ausflug nach Seckbach.

Info
Geführte Touren in Seckbach
Unsere Autorin Annette Friauf begleitet „Die Lohrbergtour querfeldein – Ein Spaziergang mit hessischer Stulle & Schoppen“.
Weitere Infos gibt es hier.


Foto: Das Alte Rathaus in Seckbach © Harald Schröder
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