Die Arbeit von Essenslieferantinnen und Essenslieferanten in Frankfurt und anderswo ist körperlich anstrengend und gefährlich – insbesondere, wenn sie auf dem Fahrrad im Straßenverkehr unterwegs sind.
Nina Paul /
Christian und Gabi, die im echten Leben anders heißen und anonym bleiben wollen, arbeiten für einen bekannten Essenslieferdienst als sogenannte Rider. Heute haben sie frei. Es ist Mittwochnachmittag am Uni Campus Bockenheim und die beiden betreten das Café KoZ. Ganz hinten im Raum stehen Palettensofas in einem Kreis. Sie nehmen dort Platz und stellen ihre Getränke auf den kleinen Holztisch in der Mitte. Christian nennt die gemütliche Runde „Klassentreffen“.
Die beiden Rider liefern schon seit fünf Jahren Essen auf dem Fahrrad aus. Kennengelernt haben sie sich erst vor wenigen Monaten in der Rider Cantina. Diese bietet den Ridern seit 2022 einen Ort für Austausch, Pause und Vernetzung. Alle zwei Wochen, Donnerstag nachmittags, öffnet die Rider Cantina ihre Türen und lädt zu einem warmen Mittagessen und Getränken ein. Gabi ist schon seit Eröffnung der Rider Cantina regelmäßige Besucherin. Sie freut sich vor allem darüber, „ein- bis zweimal pro Monat kostenlos zu essen“.
„Gestorben ist noch keiner, aber Unfälle sind normal“
Bei ihrem Einstellungsgespräch vor fünf Jahren habe man ihr gesagt: „Gestorben ist noch keiner, aber Unfälle sind normal.“ Sie hatte bisher Glück. Anders sei es einem ihrer ehemaligen Kollegen ergangen, der durch einen Autofahrer zu Tode gefahren worden sei. Die körperliche Belastung und die Gefahr im Straßenverkehr blieben Teil des Jobs.
Bis vor zwei Jahren fuhr Gabi noch „normales Fahrrad“. Heute, in ihren Vierzigern, könne sie das körperlich nicht mehr bewältigen. Deshalb benutzt sie seit drei Jahren ein E-Bike. Das kostet pro Monat 140 Euro Miete.
Nach der Schicht ist Christian „Matsch im Kopf“
Christian hingegen benutzt ein normales Bike derselben Firma und zahlt nur 18 Euro Miete pro Monat. Ein E-Bike könne er sich gar nicht leisten. Der Rider war vor seiner Zeit beim Lieferdienst Briefzusteller. Als sein alter Arbeitgeber Insolvenz anmeldete, habe er sich „aus der Not heraus“ beworben und sei nach einem Video-Call zur Probeschicht eingeladen worden.
„Man kommt schnell rein und muss nur fit sein“, fügt er hinzu. Nach seinen Schichten sei er zwar „Matsch im Kopf“, denn im Straßenverkehr ständig aufmerksam sein zu müssen, koste Kraft. Doch er mag seinen Job, auch wenn er die veränderte Unternehmenspolitik kritisiert: Aktuell bekomme er „auf den Cent genau Mindestlohn“ gezahlt. Zuvor habe der Lohn immer ein paar Cent über dem gesetzlich vorgeschriebenen Mindestlohn gelegen.
Schlechtere Arbeitsbedingungen und Angst vor der Kündigung
Die Verschlechterung der Arbeitsbedingungen mache sich auch in den neuen Verträgen bemerkbar, in denen als Dienstort „Frankfurt und Umgebung“ stehe. Das könne bedeuten, für eine Lieferung bis Bad Vilbel oder Offenbach fahren zu müssen. Dies koste Energie und Zeit.
Alte Rider wie Christian und Gabi wolle der Lieferdienst aufgrund ihrer guten Arbeitsverträge loswerden, erzählen die beiden. Ob sie deshalb Angst vor der Kündigung haben? Gabi verneint. Christian meint: „Ein bisschen Schiss habe ich schon.“
Denn beide leben von ihrer körperlichen Arbeit auf dem Fahrrad. Beide haben mal studiert oder tun es noch immer, und beide haben nicht nur wegen der veränderten Unternehmenspolitik Angst vor der Zukunft. Sie stellen sich auch die Frage, wie lange sie solch einen körperlich anstrengenden Job machen können, um davon zu leben. „Bis zur Rente jedenfalls nicht“, sind sie sich einig.
Info Dieser Artikel ist im Rahmen des Fortbildungsprogramms „Buch- und Medienpraxis“ der Goethe-Universität Frankfurt entstanden. Das Programm ist ein berufspraktisches Angebot, das in die Arbeit im Literatur-, Medien- und Kulturbetrieb einführt. Mehr Infos finden Sie hier.