Es weihnachtet sehr auf dem Römerberg. In einer Woche eröffnet der Frankfurter Weihnachtsmarkt, der inzwischen auch zum Exportschlager wurde, und schon jetzt beginnen die Aufbauarbeiten.
Barbara Goldberg (pia) /
Nicht nur zur Weihnachtszeit gehen Kurt Stroscher Krippen, Tannenbaum und Glühwein nicht aus dem Sinn. Und auch im Sommer denkt er über heizbare Wasserschläuche nach. Denn „nach dem Weihnachtsmarkt ist vor dem Weihnachtsmarkt“, sagt dessen Chef-Organisator, um sich sofort zu korrigieren: „Nein, im Grunde überlege ich schon, während der Markt noch läuft, was wir im nächsten Jahr alles besser machen können.“
1393 wird der Frankfurter Weihnachtsmarkt erstmals urkundlich erwähnt. Was mit dem Verkauf von „Dippe“, Christbäumen und Kinderspielzeug begann, hat sich über die Jahrhunderte zu einem der wichtigsten und schönsten Ereignisse in Frankfurts Jahreskreis entwickelt und lockt in jedem Jahr rund drei Millionen Besucher an. Sie alle wollen sich verzaubern lassen vom Duft nach Zimt und Zuckerwatte, von Glöckchenklang, Turmbläsern und Chorgesang. In nur einer Woche Aufbauzeit ersteht in jedem Jahr diese Märchenwelt in Frankfurts Innenstadt von neuem. Schon das wirkt fast wie Zauberei, und welche Logistik und Planung, welcher Aufwand und wie viel Detailarbeit dahinterstecken – darüber macht sich wohl kaum ein Besucher jemals Gedanken.
Und das soll er auch gar nicht, betont Stroscher mit Nachdruck. Seit 20 Jahren laufen bei ihm und seinen Mitarbeitern in der Tourismus und Congress GmbH (TCF) alle Fäden für die Vorbereitung etlicher städtischer Feste zusammen, vor allem aber beim Weihnachtsmarkt sei bei ihm auch „viel Herzblut“ dabei. Das spürt man schon an der Heftigkeit seiner Reaktion, wenn man ihn nach dem Auswahlverfahren für die 200 zugelassenen Standbetreiber fragt. Einen Heimvorteil für Frankfurter Bewerber? Gibt es nicht! „Bei uns herrscht Marktfreiheit“, hält er dagegen. Allerdings gelte das Kriterium „bekannt und bewährt“, weshalb manche Buden alle Jahre wieder ihren Stammplatz auf dem Römerberg belegen. Gewandelt hat sich allerdings der Aufwand, der um das Schmücken der Stände betrieben wird. Rote Schleifen, so groß wie Loopings und Riesenrentiere samt Schlitten wetteifern um Aufmerksamkeit und Gunst des Publikums. Und an allen Tannenspitzen und Dachfirsten leuchtet, blinkt und strahlt es aus millionenfachen Lichtern. Der Strom für diese Illumination? Dafür hat man eine pragmatische Lösung gefunden. „Wir richten die Infrastruktur her, an die sich jeder Standbetreiber mit seinem Anschluss einfach dranhängen kann“, erläutert Stroscher. Ebenso unkompliziert verhält es sich mit dem Wasser, das in geheizten Schläuchen zugeführt wird.
Vom Weihnachtsmarkt profitieren auch die vielen Gasthäuser in der Innenstadt. Neben den insgesamt 56 Gastronomieständen und beheizten Gaststuben sorgen sie dafür, dass „niemand sehenden Auges verhungern muss“, wenn es zwar überall köstlich nach Gebackenem und Gebratenem duftet, den Hungrigen aber lange Warteschlangen von den heißen Töpfen und Pfannen trennen. Schließlich dürften sich an jedem Tag rund 100.000 Menschen durch die schmalen Gassen zwischen den Ständen drängen. Sind die Laufachsen breit genug? Gibt es irgendwo eine scharfe Ecke, an der sich jemand im Vorübergehen stoßen kann? Versperrt nicht diese Tannengruppe den schönsten Durchblick auf das weihnachtliche Treiben? All’ diese Details kontrolliert Stroscher bei seinen vielen Inkognito-Rundgängen. „Wie bei einem Puzzle“ müssen alle Einzelteile stimmig ineinander greifen, erst dann ist er mit seiner Arbeit zufrieden.
Und dieses Puzzle wird immer größer: Die TCF bietet ganze Weihnachtsmarkt-„Packages“ an, mit Anreise, Übernachtung und einem Rundgang samt Führer inklusive. Künstlermarkt und Glockengeläut, Nostalgie-Fahrten mit historischen Eisenbahnen oder der Dampferflotte gehören mittlerweile genauso zum Festprogramm wie die zahlreichen Auftritte von Chören aus aller Welt. Wundert es da noch, dass der Weihnachtsmarkt zum Exportschlager wurde? Begonnen hat alles in Birmingham, der britischen Partnerstadt Frankfurts. Dort wurde 1997 der erste „Frankfurt Christmas Market“ eröffnet. Ursprünglich als einmalige, schöne Geste der Städtefreundschaft gedacht, hat sich der Markt zu einer festen Tradition entwickelt, die begeistert angenommen wird. „Anfangs haben die Leute in Birmingham gestaunt, als würden sie soeben das achte Weltwunder erleben“, erzählt Stroscher. Jetzt rollen alljährlich rund 800 Busse aus dem gesamten Vereinigten Königreich an. Auch Leeds, Manchester und Edinburgh haben einen Frankfurter Weihnachtsmarkt, und Kurt Stroscher ist als Veranstalter überall dabei, berät und hilft und packt mit an. Von dieser Woche an bis zum 22. Dezember, wenn der hiesige Weihnachtsmarkt schließt, führt er ein Leben aus dem Koffer, jettet er zwischen Großbritannien und Frankfurt hin und her. „Aber wenn niemand die Anstrengung hinter den Kulissen bemerkt, wenn die Besucher nur das Schöne sehen und unbeschwert genießen können, dann wissen wir, dass wir gut gearbeitet haben.“