Der Frankfurter Dezernent für Bau und Immobilien hält Bemühungen um eine geschlechtergerechtere Sprache für irrelevant. Hat er recht? JOURNAL-Chefredakteurin Ronja Merkel über „hysterische Barbiepuppen“ und die Kastrationsangst des Mannes.
Ronja Merkel /
Heute verrate ich Ihnen ein Geheimnis: Ich empfinde es als wahnsinnig kräftezehrend, mich zu empören. Je mehr mir ein Thema am Herzen liegt, desto stärker möchte ich dafür kämpfen. Aber Kämpfe bringen Verletzungen mit sich. Sie bedeuten, dass andere auf einen einschlagen. Kämpfe bedeuten ein ständiges Schwanken zwischen Hoffnung und Hoffnungslosigkeit, zwischen Triumph und Niederlage. Und ein Kampf bedeutet immer auch, dass es einen Feind gibt. Doch ich möchte keine Feinde haben.
Wann immer ich gefragt werde, warum ich Journalistin geworden bin, antworte ich: „Ich möchte anderen eine Stimme geben. Denen, die nicht gehört werden.“ Nicht (ausreichend) gehört werden in unserer Gesellschaft viele Menschen: Frauen, Schwule, Lesben, Trans*, Migrant:innen, People of Colour, Behinderte und so weiter. Die Welt gehört den weißen, heterosexuellen, in keinster Weise besonderen Männern. Erst kürzlich wurde mir das einmal mehr klar, als der Frankfurter Dezernent für Bau und Immobilien bei Facebook Bemühungen um eine geschlechtergerechtere Sprache mal eben für unwichtig erklärte. Die Horden, die ihm johlend und Beifall klatschend zustimmten, ließen nicht lange auf sich warten.
Es ist schon faszinierend, was sich so in den Kommentarspalten der sozialen Medien abspielt: Da wird mir beispielsweise vorgeworfen, eine „hysterische Barbiepuppe“ zu sein, wenn ich von sexuellen Übergriffen durch Geschäftspartner berichte. Oder mir nahegelegt, mich doch einfach über Komplimente zu meinem „rasanten Fahrgestell“ zu freuen (*Tränen lachender Emoji*). Auch der Rat, ich solle mich eben „angemessen“ kleiden, wenn ich keine (männliche) Aufmerksamkeit auf mich ziehen möchte, wird gern geäußert. Und positioniere ich mich öffentlich pro gendersensible Sprache, reagieren erschreckend viele Herren mit einer Dramatik, als hätte ich angekündigt, ihnen mit einem Gendersternchen das Glied amputieren zu wollen.
„Linksgrün-versifftes Geschwurbel“, werden jetzt einige schreien; „Männerhasserin“ werfen mir vermutlich andere vor. Nun, mein Bedürfnis danach, gehört zu werden und anderen den Raum zu geben, sich ebenfalls Gehör zu verschaffen, hat nichts mit meiner politischen Gesinnung zu tun. Auch habe ich nichts gegen Männer. Ganz im Gegenteil. Ich lebe mit einem sehr netten, weißen, heterosexuellen Exemplar zusammen. Allein das erklären zu müssen, um meinem Anliegen Gewicht zu verleihen, empfinde ich als unsagbar demütigend. In erster Linie bin ich wohl vor allem eines: demokratieverliebt. Und was ist nun so schwer daran, in einer Demokratie das abzubilden, was man sieht?
Jahrgang 1989, Kunsthistorikerin, von Mai 2014 bis Oktober 2015 leitende Kunstredakteurin des JOURNAL FRANKFURT, von September 2018 bis Juni 2021 Chefredakteurin.