Ein großer Parkplatz um die Ecke, Grün vor der Tür (wir freuen uns schon jetzt auf den nächsten Sommer auf einen Hauch von Biergarten-Atmosphäre und viel Platz für Rauchen und Schwätzen ohne Nachbarn zu stören) – das erste, was man von neuen Bett sieht, wenn man am Eröffnungsabend in der Schmidtstraße 12 ankommt. Bei Bett-Betrieber Frank Diedrich und seinem Booker Laiki Kostis löst sich langsam, ganz langsam ein wenig die Anspannung. Erst in der Nacht davor konnte die Tonanlage das erste Mal getestet werden, noch bis zum späten Nachmittags als längst die Bands zum Soundcheck da waren, wurde gebohrt, gehämmert und geschraubt. „Zu 75 % sind wir fertig geworden“, meint Diedrich zu seinem mit heißer Nadel gestricktem Projekt. An der Tür, dem Kassenhäuschen wird sich noch was tun. Der Schallschutz wird verbessert, dadurch wird auch der Sound von der Bühne optimaler. Sitzgelegenheiten an der hinteren Wand soll es geben. Es gibt also noch viel zu tun. A work in progress.
So langsam trudeln die Gäste ein. Natürlich nicht pünktlich um 21 Uhr. Sie gucken und staunen. Denn wer das schnucklige kleine Bett in Sachsenhausen liebte, die Nähe und Enge bei vollen Konzerten, die intime Musik, die dort präsentiert werden konnte auch vor kleinem Auditorium, fragt sich erst mal: Was wird im neuen Bett möglich sein, wie wird sich das alles und vor allem wohin verändern? Manches wird nicht funktionieren, dafür vieles andere möglich werden in der hohen, lichten Halle, die gut das Dreifache an Publikum fasst. Erst mal wirkt es kühl, nüchtern – der Steinboden, die farblich angestrahlten Wände. Aber mit den Menschen vor und auf der Bühne kommt das Leben in den Raum und das neue Bett wird mit Fortgang des Programms in den nächsten Monaten (s)ein eigens Leben bekommen.
Jana Josephina und ihrer Band wurde – wie sie selbst formulierte – die Ehre zu Teil, die Bühne quasi zu entjungfern. Das stand ihr zu, hatte sie doch als erklärter Fan des alten Betts den Kontakt zum Hausherrn in der Kommunikationsfabrik, ihrem Vater Jürg W. Leipziger, hergestellt und so den Umzug erst möglich gemacht. Ihr deutschsprachiger Chanson-Pop ist meine Sache nicht und viel mehr möchte ich dazu auch nicht schreiben.
Ein genialer Schachzug folgte nach dem vergleichsweise leisen Jana-Set mit Norma Bek. Denn das Trio mit E-Gitarren und Gesang (über einen Mini-Kofferstärker um den Hals hörbar gemacht), Althorn, Sousaphon und aberwitzigen Coverversionen von „Blackbird“, „Bad“ und „Burning Down The House“ (wenn ich die stark verfremdeten Interpretationen richtig erkannt habe) marschierte mitten in die Menge und brachte die Leute auf Betriebstemperatur und stimmte auf den Rest des Abends, der funky in höchst unterschiedlichen Facetten werden sollte.
Norma Bek
Flowarea profitierte davon, aber vor allen von der eigenen profunden Musikalität, solistischem Können, Spielwitz und hohem Unterhaltungswert. Die Frankfurter Band mit den zwei Bläser als Frontmännern kommt ohne Vocals aus und wird immer besser. Wow – was für ein furioser Auftritt! Flowarea Jazz-Funk-Soul auf höchstem Niveau und immer tanzbar und mit vielen Überraschungsmomenten für die akustische Entdeckungsreise. Spielt der Gitarrist da gerade Patterns, die aus der afrikanischen Juju- oder Highlife-Musik stammen könnte? Was treibt der Keyboarder da mit seinem Retro-Equipment, der Orgel und dem Fender Rhodes Piano? Klingt wie Minimal-Music-Repetitionen. Alles auf höchstem Niveau. Die Publikum ist regelrecht euphorisiert. Backstage sitzt Joseph Bowie von den Headliners Defunkt, groovt mit und schickt die Jungs begeistert auf die Bühne zurück zu Zugaben.
Flow Area
Er selbst rockt das Haus dann mit seiner neuen Band aus Paris und Amsterdam. New York ist Geschichte und trotzdem ist der US-Funk unterschiedlicher Dekaden in seiner Musik immer präsent. „Make some noise“ heißt die klare Aufforderung ans Publikum, Und auch die Band hält sich dran, allen voran Gitarrist, Bassist und Keyboarder. Dasitu und Michael von Afroton, Nachbarn des neuen Bett und begeistert von Flowarea reagieren ein wenig geschockt ob der fast brachialen Riffs der Band. Die Soulausgabe von Defunkt entpuppt sich fast als Rockband.
Defunkt
Woran erinnern die furztrockenen Basssounds, die sich mit Slaptechniken abwechseln? Klar – an die Band of Gypsys, Jimi Hendrix Versuch, mit schwarzer Rhythmussektion dem Soul näher zu kommen. Und trotzdem war es Rock'n'Roll. Mr. Soul Patrol Michael Rütten und sein Spezi Jan Hagenkötter (INFRAcom), flasht vor allen die High Energy der Band. Und spielen können die Buben auch so wie die Sängerin begeistert, die eher zurückgenommen nun wirklich nicht für Koloratur-R&B steht. Ein schöner Abend.