Wenige reale Metropolen dienen als Handlungsorte von Computerspielen. Durch „The Darkest Files“ gehört Frankfurt nun dazu – mit einer echten Legende als Chef können Spieler Fälle lösen.
Jannis Seelbach /
Es sind die 1950er Jahre. Die Sonne ist untergegangen, Frankfurt in eine nie endende Nacht gehüllt. In einem Büro wälzt Esther Katz Akten unter dem gold-gelben Licht einer Lampe. Sie weiß: Genau ermitteln, sonst kommt der Mörder frei. Nein, das ist nicht der Beginn eines Detektivromans – sondern die Prämisse des Computerspiels „The Darkest Files“.
Basierend auf wahren Ereignissen aus Frankfurt
Spieler schlüpfen in der Rolle der jungen, aufstrebenden Staatsanwältin Esther Katz, die ungeklärte Fälle aus der NS-Zeit lösen will. Die Fälle basieren auf wahren Begebenheiten. Dazu müssen Zeugen befragt, Hinweise gesucht und die Täter vors Gericht gebracht werden. Dort wird dann die Theorie geprüft. Falls der Spieler falsch ermittelt und nicht ausreichend Beweise zusammenträgt, können die Täter sogar wieder freikommen.
Katz ist fiktiv, ihr Chef aber nicht: Der legendäre Fritz Bauer – damals Generalstaatsanwalt in Frankfurt – untersuchte reale NS-Verbrechen. Selbst das Ermittlerbüro ist Bauers eigenem Büro nachempfunden. Er ist die einzige reale Person, die im Spiel auftritt. Andere sind oftmals eine Mischung aus Figuren, die zugunsten der Geschichte erschaffen wurden. Mit den fiktiven Kollegen oder Bauer kann man den Fall besprechen, das Archiv erkunden, die Teeküche aufsuchen oder einfach Bürokatze Marlene streicheln.
Das unabhängige Entwicklerstudio „Paintbucket Games“ investierte drei Jahre für die Recherche und Entwicklung des Spiels. Im Gespräch mit dem JOURNAL sagte „Paintbucket“-Gründer Jörg Friedrich, dass man unweigerlich auf Fritz Bauer stoße, wenn es um das Thema Nazi-Verfolgung in Nachkriegsdeutschland gehe. Es sei eine „total interessante Geschichte“, die das Studio in Gameplay-Form weitererzählen wollte.
Noir-Filme und Pulp Comics als stilistische Vorbilder
Statt bunter Farben setzt „The Darkest Files“ auf eine dunklere Optik. Diese ist an Noir-Filme und Pulp Comics aus den 1950er Jahren angelehnt. Eine Mischung aus 3D- und 2D-Grafiken sorgt für ein atmosphärisches Spielerlebnis, welches „Spielende in seinen Bann zieht“, so Friedrich. Besonders die First-Person-Perspektive bringe die Spieler emotional an die Geschichten ran, führt der Spieleentwickler aus. Diese stellt Esthers inneres Auge dar: Das Geschehene kann aus der Sicht der aussagenden Person interaktiv nacherlebt werden, um die Taten nachzuvollziehen und Verdächtige mit Widersprüchen zu konfrontieren.
Die Geschichte ist weitgehend linear. Zwei große Fälle müssen gelöst werden. Pro Fall soll die Spielzeit vier bis sechs Stunden betragen. Einen Variantenbaum und verschiedene Schwierigkeitsstufen machen es aber trotzdem lohnenswert, „The Darkest Files“ mehrmals durchzuspielen. Denn: Das Spiel erlaubt es mit jeder beliebigen Theorie vor Gericht zu ziehen und so verschiedene Enden der Fälle zu erzielen. Ein Anwalt müsse man nicht sein, sagt Friedrich lachend. Dafür gäbe es einen Glossar mit allen Fachbegriffen und Organisationen. Seit dem 25. März ist das Spiel für PC und Mac erhältlich.
Info Das war Fritz Bauer Fritz Bauer war ein deutscher Jurist. Da Bauer Jude war, wurde er von den Nationalsozialisten aus seinem Amt entlassen und in ein Konzentrationslager gebracht. Er schaffte es 1936 nach Dänemark zu emigrieren und leistete aus seinem Exil Widerstand gegen das Nazi-Regime. 1949 kehrte Bauer nach Deutschland zurück und arbeitete als Staatsanwalt. 1956 wurde er in das Amt des hessischen Generalstaatsanwalts mit Sitz in Frankfurt berufen. Bekannt wurde Bauer einer breiten Öffentlichkeit als ein entscheidender Hinweisgeber bei der Ergreifung des Holocaust-Organisators Adolf Eichmann in Argentinien sowie als Initiator der Frankfurter Auschwitz-Prozesse in den sechziger Jahren. Mehr Informationen zu Fritz Bauer finde Sie unter fritz-bauer-institut.de/.