Kürzlich fuhr ich in der U-Bahn in Richtung Willy-Brandt-Platz. Dazu muss man sagen, dass die Bahnen der Frankfurter Verkehrsgesellschaft etwas Behäbiges, ja, sozusagen fast Beruhigendes haben. Langsam bahnen sie sich ihren Weg durch den Frankfurter Untergrund und lassen nur erahnen, was das Leben darüber spielt. Im Gegensatz dazu die Berliner Bahnen, ratternd und knarrend rütteln sie einen, vorbei an Plattenbauten und unsanierten Altbauten, durch die Hauptstadt. In dieser so alltäglichen Situation beobachtete ich zwei Hauptstädter, durch ihre großen Hornbrillen und alten Lederjacken durfte man die zwei Herren als solche identifizieren, als sie achtlos ein Kaugummipapier auf den Boden fallen ließen. Einem Frankfurter wäre, aufgrund eines gesunden Lokalpatriotismus, ein solches Verhalten nicht zuzurechnen. Nicht nur durch ihre Kleidung – der Rest der Fahrgäste bestand wie üblich aus anzugtragenden Herren, Studenten und Müttern mit Kleinkindern – sondern auch durch ihre lautstarke Unterhaltung, fielen die Hauptstädter auf. Und so drehte ich den Walkman, durch welchen ich vorher nur Wortfetzen mitbekam, auf ein Minimum, um der Unterhaltung, welche sie offensichtlich über das Frankfurter Nachtleben führten, zu folgen. Langweilig und provinziell, so der eine, wäre doch das Nachtleben gewesen, die Party um 6 Uhr morgens beendet und man würde sonntags keine Folgeparty finden. Womit sich die Frankfurter an einem Sonntag denn so beschäftigen, stellte der andere in den Raum. Es hätte doch fast etwas vom spießigen München, mutmaßte sein blonder Freund, und, außerdem wäre man hier doch auch sehr unkreativ und würde nur arbeiten. Die U-Bahn stoppte am Willy-Brandt Platz und mit den letzten Wortfetzen verließ ich in Gedanken versunken den türkisfarbende Zug. Richtig: Frankfurter verbringen ihre Sonntage nicht in dunklen, stillgelegten Industriebauten auf Technoparties, um zwischen zwei Drinks das innere Gleichgewicht wiederzufinden. Der Frankfurter ist bodenständig, bummelt Sonntag nachmittags durch eines der zahlreichen Museen, flaniert am Main oder verbringt den Nachmittag im Café. Eine Ablenkung durch nächtliche Exsesse ist nicht nötig. Eine Stadt für alle, die im Leben angekommen sind.