Es soll ja den einen oder anderen geben, der tatsächlich erst überlegt, bevor er anfängt zu schreiben. Ich allerdings schreibe immer das Erste auf, das mir in den Kopf kommt. Immerhin gibt es auf meiner Tastatur die wunderbare Entfernen-Taste, ohne die ich vollkommen aufgeschmissen wäre. Wenn ich an Schreibmaschinen zurückdenke, schüttelt es mich. Da bestand die Fehlerbehebung noch darin, schwarze Tinte auf den falschen Buchstaben zu spritzen. Meine Schriftstücke wären meistens komplett schwarz.
Für einen Artikel versuchte ich einmal, das Klischee der typischen Gesellschaft in einer Apfelweinkneipe zu verssprachlichen. Heraus kam: „Hessen – 20 Uhr. In einer Sachsenhäuser Kneipe sitzen einige ältere Männer, die sich sabbernd in einem Dialekt unterhalten, den selbst ihre eigenen Kinder nicht verstehen können“. Nicht besonders appetitlich. Auch der zweite Anlauf scheiterte kläglich: „Nach dem Feierabend trifft man sich noch mal mit ein paar unrasierten Bekannten“. Nicht, dass ich wirklich so von den alteingesessenen Hessen denke. Ich versuchte einfach, das Szenario möglichst effektiv zu veranschaulichen. Zu erwähnen, dass das so nicht stehen bleiben konnte, brauche ich wohl nicht.
Wenn die Worte dann mal stimmen, spielt mir nicht selten die Rechtschreibung einen Streich. Auf unerklärliche Weise erscheinen unerwünschte Buchstaben und geben damit meinem Satz eine völlig neue Bedeutung. So stellte ich etwa vor kurzem die Leser plötzlich vor die vollkommen zusammenhanglose Frage: „Und was bedeutet das schon im Vergleich zu der Aussauge der Linken?“ Dabei wollte ich doch eigentlich nur „Und was bedeutet das schon im Vergleich zu der Aussage der Linken?“ fragen. Manchmal kommt es auch vor, dass ich ein Wort vergesse, zum Beispiel „Schuhe“. Beim Durchlesen wundere ich mich dann, wieso eine Firma „in Italien oder Großbritannien Damen und Herren herstellt“.
Doch ich will nicht alles auf den unglücklichen Zufall schieben. Meine zwei „Lieblingsaufgaben“ bestehen darin, einen Anlesetext (also ein bis zwei Sätze, die dazu motivieren, weiterzulesen) oder eine Überschrift zu schreiben. Wie schön, dass mir diese Qual bei meinen Blogs erspart bleibt – schließlich ist alles, was ich tun muss, die römische Ziffer am Ende zu verändern. Solch ein Luxus ist aber die Ausnahme. Deshalb passiert es ab und zu, dass ein bösartiger Instinkt Anlesetexte wie „Les und schweig“ oder Überschriften wie „Tod der Überschrift“ auf das Blatt projiziert.
Schließlich kann es im Laufe des Schreibprozesses schon mal vorkommen, dass „südländisches Blut“ durch so leblose Dinge wie Schuhe „fließt“. Oder dass ich mich – auf der verzweifelten Suche nach einem Synonym für das Wort „Senf“ – dazu hinreißen lasse, „gelbe Schmiere“ zu schreiben. Zu allem Überfluss macht mir ab und zu sogar mein sonst so treues Rechtschreib-Programm einen Strich durch die Rechnung und verwandelt meinen Begriff „Hingucker-Schuh“ kurzerhand in „Hirngucker-Schuh“. Was auch immer das sein soll.
Falls ich mal damit kämpfe, mit wenig Informationen eine bestimmte Zeichenzahl zu erreichen, bin ich manchmal versucht, auf ein altes Spiel zurückzugreifen. Vor einigen Jahren, als Chartportale wie ICQ gerade groß wurden, gab es das weit verbreitete Chat-Spiel: so lange die Taste „a“ zu drücken, wie man die Luft einhalten kann. Ein vollkommen sinnloser Zeitvertreib; außerdem ist es extrem leicht, dabei zu schummeln. Doch wenn mir noch das eine oder andere Zeichen fehlt, klingt die Idee, den Text mit As aufzufüllen ganz schön verlockend. Letztendlich entscheide ich mich dann doch dafür, lieber noch ein bisschen mehr zu recherchieren.
Um so schöner ist es, wenn nach vollendetem Schreiben und mehrfachem Lesen endlich ein fertiger Artikel vor mir ist. So wie jetzt.