Hazelwood Festival in neuer Dimension

Favorisieren Teilen Teilen

Detlef Kinsler /

hazelwood_team

Big Bum Chak: 25 Bands in 7 Tagen (siehe auch Musik-Aufmacher in der aktuellen Journal Frankfurt-Ausgabe). Einer der Festivalmacher, Gordon Friedrich (im Bild rechts), philosophiert im Interview über Think big, Müslis, Genesis und die Qual der (Bundestags-)Wahl ...

Journal Frankfurt: Es gab ja schon sechs Hazelwood-Festivals von unterschiedlicher Länge und in unterschiedlichen Locations – jetzt feiert ihr euch und eure Bands konsequent da, wo ihr sonst auch eure tollen Studiokonzerte macht. Warum das?

Eigentlich könnte ich diese Frage mit einem einfachen "Ja" beantworten. Es gab ja schon sechs Hazelwood-Festivals von unterschiedlicher Länge und in unterschiedlichen Locations – jetzt feiern wir uns eben endlich konsequent da, wo wir sonst auch unsere tollen Studiokonzerte abhalten. Es ist gar nicht so einfach in dieser Weltstadt eine geeignete Location für ein solches Event zu finden. Sechs haben wir durch und es war immer gut, aber immer auch ein Kompromiss. VelveteenEigentlich sollte das 7. Hazelwood-Festival am 08.08.08 zur Eröffnung der Olympischen Sommerspiele unter dem Namen Hazelwood Hyper Olympics stattfinden. Geplant war der Fackellauf eines chinesischen Athleten vom Goethe-Turm über den Eisernen Steg, am Römer und den Wachen vorbei, durch ganz Frankfurt, verfolgt von einer Horde mit Heinzmann-Feuerlöschern bewaffneter Autonomer, deren Ziel es gewesen wäre, den Olympischen Gedanken mit Löschschaum zu bekämpfen. Chinese, Autonome, Heinzmann-Feuerlöscher – alles war vorhanden, aber mitten in der Planung bekamen wir Bedenken ob der Location. Mann, wäre das eine wunderbare Aktion gewesen. So was passiert uns nicht wieder! Von jetzt an konsequent da, wo wir gestalten können. "Wo mein Müsli dampft, da bin ich unverkrampft." Sagt man nicht so?

Journal Frankfurt: 25 Bands in 7 Tagen – think big selbst im intimen Rahmen. Wie kam’s zu dieser Idee?

cargo_presspic
Cargo

Wie kommt der Zucker zum zucken?! Das hat gar nichts Ideales. Das ist was Zwanghaftes. Reden wir also nicht von Ideen. Reden wir von Zwängen. Nennen wir's die "100 + x-Neurose". Hesse hat mal gesagt, man müsse das Unmögliche versuchen, um das Mögliche zu erreichen – kurz darauf ist er in ein Eisloch gestiegen. Man kann von dem Mann halten, was man will. Das war mutig und da hat er recht. Ohne das gewisse Maß an Größenwahn erreichst du nicht viel in diesem Leben. Eva von den B.E.E.S.Als wir anfingen, hatten wir nichts weiter als die Jeans am Arsch und einen Traum. Mittlerweile haben wir ein paar hunderttausend Platten in alle Welt verkauft, zwei Jeans und immer noch denselben Traum. Frankfurt hat ein eigenes Plattenlabel und da draußen hören Menschen Platten, die es eigentlich gar nicht geben dürfte von Künstlern, die es eigentlich gar nicht geben dürfte. Unser allererstes Festival haben wir im Exess in Bockenheim veranstaltet. Das Haus galt damals offiziell noch als besetzt, das Dach war marode und die Jungs hatten nicht nur darum jahrelang nichts veranstaltet. Zehn lokale Bands, die damals niemand kannte, also alles andere als Top-Akts, waren plötzlich gut für 1.500 zahlende Gäste. So ist das manchmal mit den Unmöglichkeiten.

Low-500-DKK-0652-c-Kinsler
Low500

Journal Frankfurt: Was waren die Auswahlkriterien für die Bands? Es sind ja nicht nur Hazelwood-Künstler?

Das Kriterium ist ganz einfach: Bands, die wir mögen, haben generell Sinn für Humor, lieben die Ironie des Lebens und sind offen für das Absurde, außerordentlich großzügig, zuvorkommend und ausgestattet mit jeder Menge Anstand und Taktgefühl. Keine Auftischer. Keine arroganten Schnösel. Keine Betrüger oder Streikbrecher. Bands, denen wir eine Bühne geben, hinterfragen sich selbst, sind neugierig und sind sich immer bewusst, dass sie die Welt nicht nur nach den eigenen Maßstäben gestalten können – genaue Beobachter mit einem Gefühl für Fairness. Diese Leute machen sehr feine Unterschiede, wenn es um Angelegenheiten der Moral geht. (frei nach Paul Auster)

Journal Frankfurt: Welche musikalische Bandbreite darf das Publikum erwarten und wo geht die musikalische Reise hin?

PreslisaAlso, von einer "musikalischen Reise" würden wir nicht sprechen. Hazelwood war nie ein Spartenlabel. Und im Ernst kann doch anno 09 (außer vielleicht die FDP) niemand mehr ernsthaft eine Welle erwarten. Als Kinder der 80er können wir dem "Hype" als solchem zwar durchaus etwas abgewinnen, aber so ein Hype, wie überhaupt jede Art von Uniformierung, birgt eben auch Gefahren. Einer der wenigen Vorzüge der von Hüsch prophezeiten allgemeinen Verwirrung in ästhetischen Belangen, ist die sich einstellende Pluralität, das Nebeneinander der Passionen, das ja auch Freiheit ist. Zwischen Rock und Pop, Punk und Funk, Hip Hop und New Wave, World und Country, ist also alles vertreten, was bei drei auf der Bühne ist. Natürlich haben wir die nationalen und internationalen Acts sortiert und es gibt für jeden der 7 Festival-Tage ein grobes Motto. Das, was sie alle verbindet, ist die Qualität der Darbietung, weniger die Art.

Journal Frankfurt: Ihr zitiert in eurer Werbung Genesis, aber mitnichten die in die Jahre gekommen Art-Rock-Band, sondern die Bibel. Was hat es damit auf sich?

Wir gehen davon aus, dass die Schöpfungsgeschichte mitnichten beendet ist. Der Mensch ist als Krönung einfach überfordert. Und dann ist da ja noch der siebte Tag. Wir finden, den hätte der liebe Gott nutzen sollen, um noch mal ein bisschen Hand anzulegen, anstatt sich lang zu machen. Wenn ihm partout nichts mehr eingefallen ist, hätte ein kurzer Anruf bei Mohammed oder Buddha wahre Wunder bewirken können. Vielleicht hätten die drei sich ja mal treffen können, auf eine Skatrunde in Mekka, oder so. Fest steht jedenfalls, die Sache mit der Schöpfung ist noch in vollem Gange. Der Big Bum Chak trägt einen guten Teil zur Vollendung bei. Übrigens läuft der Big Bum Chak im Gegensatz zur Genesis volle sieben Tage ohne Pause und alle Glaubensgruppen sind vertreten. Wir wollen doch die Fehler des Alten Herrn nicht wiederholen.

Journal Frankfurt: Wofür steht der Big Bum Chak?

Man kann das Ideale erahnen, aber nicht beschreiben, denn das Ideale ist ein Ding einer höheren Ordnung. Darum sucht der Mensch. Darum all das Streben seit Menschengedenken. Darum bauen wir Pyramiden und schießen Soldaten zum Mond. In einer Zeit, da einige den Anspruch erheben, die letzte Maxime gefunden zu haben, kann ein wenig Erkenntnistheorie nicht schaden. Gott ließ Moses ein paar Forderungen in Stein meißeln. Buddha forderte allgemeines Erwachen. Die Indianer forderten den Skalp des weißen Mannes. Bin Laden auch. Ackermanns Jünger fordern "Rendite". Wir fordern den "Big Bum Chak". Es geht also vor allem darum, auch mal was zu fordern. Erkenntnistheoretisch ist all das natürlich nicht zu belegen.

Journal Frankfurt: Das Festival beginn in der Vor-Wahl-Woche und endet am Tag des Bundestagswahl – schon einmal habt ihr euch in die große Politik eingemischt ...

Ja, wir hatten schon mit dem Motto des sechsten Hazelwood-Festivals "Stoppt Wahlfreiheit!" zum Urnenboykott aufgerufen, konnten die Wahl aber letztlich nicht verhindern. Zugegeben bleibt fraglich, ob es uns diesmal gelingt. Wir bezeichnen uns als "Das Label für den toleranten Stoiker" und so ein Stoiker verfügt über eine Don Quichotte-hafte Beharrlichkeit. Im Ernst ist der Mensch doch völlig ungeeignet sich selbst zu beherrschen. Dafür gibt es Könige, Führer, Ajatollahs mit einer soliden Grundausbildung in Sachen Staatsgewalt. 1789 war kein gutes Jahr für die Menschheit. Klar, Danton, Robespierre und Kollegen haben ordentlich einen los gemacht. Das sei ihnen gegönnt. Aber am Ende haben nicht nur sie den Kopf verloren. Das dritte Reich wurde gewählt. Busch auch! Es gibt derzeit zur Wahl Berechtigte, die allen Ernstes in Erwägung ziehen, Guido – "Der Markt wird's schon richten"– Westerwelle zum Minister zu machen. Am Ende entmündigt sich das Volk selbst.

Journal Frankfurt: Wird es nur Tagestickets geben oder habt ihr auch so etwas wie einen ermäßigten Festivalpass?

Na klar, das gehört doch dazu. Das Tagesticket wird 10,- Euro kosten. Das Festival-Ticket für 7 Tage (25 Bands + 7 DJ-Sets) kostet 38,80 €. Also knappe 7,- Euro pro Tag.

Interview: Detlef Kinsler
Fotos: Promo/Detlef Kinsler


Pro Tag drei, vier Bands – hören Sie rein auf myspace, um sich ein Bild zu machen:

21.09. Montag: + DJ Lucille du Basse
Daturah
Low 500
Gentle Veincut
Kong

22.09. Dienstag: + DJ Luckyshooter
Smokestack Lightnin'
A Tribute To Johnny Cash
House Williams
Preslisa

23.09. Mittwoch: + DJ Team Phonopop
The Tunics (UK)
Verlen
Peoples Temper

24.09. Donnerstag: + DJ Klaus Walter
Pillow Fight Club
Spurv Laerke
Morning Boy


25.09. Freitag: + DJs Sundae Soul
Inuki
Cellard’or
C-Types

26.09. Samstag: + DJ Mahmut
Velveteen
The Audience
Nova Drive
Good Weather Girl (UK)

27.09. Sonntag: + DJ Ding Dong
Major Parkinson (Nor)
B.E.E.S.
Cargo City
Kenneth Minor


Anzeige
Anzeige

Mehr Kultur-News

Anzeige
Anzeige

Ausgeh-Tipps

 
Anzeige
 
Anzeige
Anzeige

Kalender

Anzeige