Am 8. Mai wurde der Frankfurter Saxophonist Gustl Mayer 80 Jahre alt. Gefeiert wird der Geburtstag heute in der Alten Oper. Eingeladen hat die Barrelhouse Jazzband. Gespielt wird im Mozartsaal.
Detlef Kinsler /
Campus Westend, Theodor-W.-Adorno-Platz, Bistro „Sturm & Drang“. Gustl Mayer genießt seinen Kaffee und stellt – noch bevor sein Gegenüber das Diktiergerät platzieren konnte – die erste Frage gleich selbst: „Warum treffen wir uns hier?“ Mayer wohnt ganz in der Nähe. Und er liebt das architektonische Ensemble aus Alt und Neu zwischen Bremerstraße und Hansaallee, geht hier gerne spazieren und kann dabei in Erinnerungen schwelgen. „Ich habe hier als ganz junger Musiker gespielt, in dem alten Gebäude, in dem die Mensa ist, oben im 1. Stock. Das nannte sich damals ,Blue Room’.“ Das IG-Farben-Building war nach dem 2. Weltkrieg Hauptquartier der amerikanischen Streitkräfte. Hinter dem Poelzig-Bau landete der Vier-Sterne-General Dwight D. Eisenhower mit dem Hubschrauber, im Casino wurde abends gejazzt.
Um an diesen Sehnsuchtsort zu gelangen, musste sich der „amerikanophile“ Bub erst einmal verwandeln, raus aus den kurzen Lederhosen. Ein älterer Mitschüler am Helmholtz Gymnasium wusste Rat. Vorm PX-Store bei einem US-Taxifahrer Dollars eintauschen („Mein ganzes gespartes Geld.“), die Kumpels kauften dann für ihn ein. Jeans für einen Dollar, T-Shirt für 30 oder 35 Cent. „Mein Frisör hat mir einen Igel geschnitten, dann sah ich auch aus wie ein Ami“, schmunzelt Mayer. Dass er die Tertia wiederholen musste, erwies sich als Glück. Ein neuer Schulkamerad fragte: weißt du was Jazz ist? Gehört hatte er schon davon, Genaueres wusste er aber nicht. Der Mitschüler hatte drei Schallplatten zuhause. Von Louis Armstrong, Humphrey Lyttelton und Pete Daley. „Wir haben eine Stunde lang die Stücke immer und immer wieder gehört. Dann stand für mich fest: Ich werde Jazzmusiker,“
Dafür war Frankfurt, wo schon 1928 am Dr. Hoch’s Konservatorium eine Jazzklasse eingerichtet wurde, das richtige Pflaster. Horst Lippmanns „Hot Club“, der „Jazzkeller“. Die Klarinette wurde sein erstes Instrument. Gelernt wurde bei Dr. Hoch’s und bei Carlo Bohländer, bei den Two Beat Stompers durfte der Twen mal einsteigen, in Baden-Baden Aufnahmen mit dem jungen Chet Baker machen. In Düsseldorf gewann Gustl nach seinem Wechsel zum Saxophon einen Wettbewerb, stach dabei Klaus Doldinger aus. Sie sind trotzdem Freunde fürs Leben geworden. Der Beginn einer langen Karriere. „Ich habe in allen Jazzstilen experimentiert, aber plötzlich spielten alle im Keller free“, erinnert sich Mayer. „Dieses verrückte Zeugs hat mir gar nicht gefallen.“ Der Jahrgang 36 konnte es sich leisten, auch Nein zu sagen, nur zu spielen, was ihm am Herzen lag. Zumal er als Redakteur sein Geld beim Hessischen Rundfunk (von 1966 bis 1994) verdiente, für den er zuletzt die 54-teilige Reihe „Swing-Raritäten“ fürs Fernsehen produzierte.
So fühlt er sich nach wie vor dem „Modernen Swing“ und dem Mainstream („Der verändert sich ja mit der Zeit.“) verbunden, hat Jazzkreuzfahrten organisiert und bis zu dessen Tod mit Paul Kuhn getourt. Auf Einladung der Barrelhouse Jazzband feiert er am 10. Mai seinen 80. Geburtstag im Mozartsaal der Alten Oper nach, wird mit den Frankfurter Jazzgeschichtlern auftreten, aber mit deren Rhythmussektion und Peter Weniger (Saxophon) als Special Guest auch fünf ausgewählte Titel aus seiner Saxophon-Lieblingsliteratur vorstellen. Gerne eine Ballade, was von Duke Ellington, dazu ein Stück, das für eine Battle der zwei Hörner taugt, vielleicht eine Bebop-Nummer, was von Charlie Parker. „Alles was Spaß macht“, verspricht der Jubilar. „Wir werden uns da noch abstimmen.“ Detlef Kinsler
Weil sein Hobby schon früh zum Beruf wurde, ist Fotografieren eine weitere Leidenschaft des Journal-Frankfurt-Musikredakteurs, der außerdem regelmäßig über Frauenfußball schreibt.