Fast 20 Jahre ist es ehr, dass mit Le Mystère Des Voix Bulgares ein bulgarischer Frauenchor plötzlich weltweit für Furore sorgte und auch in der Peterskirche auftrat. Wie selbstverständlich tauchte die archaische wie schöne Musik im Katalog des britischen 4AD-Labels neben den Cocteau Twins und Dead Can Dance auf, die Pop-Avantgarde in Person von David Byrne oder Eno war begeistert und Kate Bush holte drei der Sängerin ins Studio.
Die Jahre des Hypes sind vorbei, die Sensation hat an Zugkraft verloren, der Name ist einem Rechtstreit zum Opfer gefallen. Heute touren The Bulgarian Voices Angelite im selben Geiste von Land zu Land und kamen auch dieser Tage in die Brotfabrik. 19 Frauen in den bekannt bunten Gewändern, ein Dirigent, der per Flügel auch den Ton vorgab und zwei äußerst unterschiedliche Halbzeiten wo man nach den ersten dreißig Minuten schon ein wenig zu zweifeln schien, ob sich die alte Faszination wieder einstellen würde.
Ein Mitarbeiter der Brotfabrik aus dem Baltikum, des Ton (an diesem Abend gar nicht gefragt, denn der Chor sang a cappella und gänzlich unverstärkt) und Licht machens aber auch der russischen Sprache mächtig, hatte sich beim Tourtross Infos eingeholt – im ersten Teil sangen die Damen fast nur (oder ausschließlich) Kirchenlieder und verließen auch die starre Formation des beinahe Halbkreises nicht. Vieles war dem jungen Mann aus Kirchenbesuchen als Kind bekannt, das Bulgarisch fand verständlich. Schön sangen sie, wie Engel, harmonisch, wohl klingend... Aber irgendwie viel zu „normal“ im vergleich zu dem, was von früher im Gedächtnis geblieben war. Erst im letzten Stück vor der Pause kam dann der erste Thrill auf: ja – so wollte ich das hören...
Die Strenge löste sich schon auf, als die Frauen wieder auf die Bühne kamen, erst einzeln, dann in kleinen Gruppe, kleine Soloparts singe, die sich dann zum Ganzen fügten. Jetzt kamen sie, sie die wohl gesetzten Triller, Jauchzer, Schreie, die spannenden Harmonien, die Reibungen erzeugten, ja beinah auch Dissonanzen. Da waren dann ganz andere Schwingungen im Raum gut für die eine oder andere Gänsehaut. Und da waren sie dann auch, den ungeraden Metren, die „schrägen“ Takte, alles graue Theorie und vollkommen unwichtig beim Genuss dieser Klangwelten.
Gimmick des Abends war die Szene, als dem Dirigenten die Szene zu entgleiten schien. Wie Marktweiber huschten die Frauen durcheinander und alle tratschen singend durcheinander. Kurz gewannt der Chorleiter noch mal die Kontrolle, brachte die Frauen zu einem kollektiven Aufschrei, der wie eine Sirene klang bevor sich das Tohuwabohu wieder durchsetzte, der Bär von einem Mann abwinkte und das Feld räumte. Gegen 19 Frauen hatte er keine Chance.