Ab 17. Dezember steht die Schauspielerin, Sängerin und Musikerin Meret Becker als Hexe in dem Musical „Das große Geheimnis der Brüder Grimm“ auf der Bühne der Jahrhunderthalle. Wir sprachen mit ihr über die fließenden Grenzen zwischen Populär- und Hochkultur, Märchen und andere Leidenschaften.
JOURNAL FRANKFURT: Sie spielen zurzeit häufiger Theater – zuletzt etwa die Brünhild bei den Nibelungen-Festspielen in Worms. Was reizt Sie am Theater?
MERET BECKER: Das Proben. Es ist für einen Filmschauspieler ein absoluter Luxus, einen solchen zeitlichen Aufwand für Proben zu betreiben. Und die Freiheit Fehler machen zu dürfen! Gerade ich, die keine Schule besucht hat, immer direkt vor Kameras ist, und immer ging's direkt um die Wurscht, muss Mut zu Fehlern üben. Denn eigentlich ist es genau das, was einen kreativ werden lässt. (Dieser blöde Klugscheißersatz "Kunst kommt von Können"-so'n Quatsch!)
JF: Sie spielen in Arthouse-Filmen mit, treten nun als Hexe im "Geheimnis der Gebrüder Grimm" auf und möchten, wie man liest, im nächsten Jahr ein Album mit Zirkusmusik aufnehmen. Treffen Sie gar keine Unterschiede zwischen Hoch- und Populärkultur? Was ist für Sie der kleinste gemeinsame Nenner zwischen Brünhild und Zirkusmusik?
MERET BECKER: Die Grenzen sind da sehr fließend und es liegt nicht in meinem Ermessen sie festzulegen, falls das überhaupt möglich ist. Ich habe auch gar kein Interesse Grenzen zu setzten, eher sie aufzubrechen. Vielleicht ist das auch schon die Antwort auf den ersten Teil Ihrer Frage. Brünhild & Zirkusmusi?!....ist beides vor Publikum zu performen.... Du sollst das Publikum nicht langweilen...aus den 10 Billy-Wilder-Geboten (was nicht zwingend heißt, dass ich das schaffe) ...könnte die Antwort auf den zweiten Teil der Frage sein.
JF: Welche Art künstlerischer Projekte interessiert Sie?
MERET BECKER: Wenn man etwas tun muss... egal ob ich selber das Projekt ins Leben rufe oder ob es von jemand anderem kommt - es muss eine Art Zwangshandlung sein, von einer Dringlichkeit angeschoben.
JF: Sie sind nicht nur Schauspielerin, sondern auch Musikerin und Sängerin und treten auch schon mal mit Georgette Dee auf. Wie kriegen Sie alle ihre Leidenschaften unter einen (beruflichen) Hut?
MERET BECKER: Ehrlich gesagt krieg ich sie ja gar nicht unter einen Hut. Vieles bleibt auf der Strecke.
JF: Mit welchen Künstlern arbeiten Sie gern zusammen?
MERET BECKER: ...also Humor ist mir schon extrem wichtig (...obwohl eine Extreme Humorlosigkeit auch schon wieder lustig sein kann...) ...und Sexappeal... Ich darf im besten Falle gar nicht merken das ich arbeite,es muss sich in der Tat wie Spielen anfühlen. aber muss total beschäftigt sein, komplett drin, dass ich tot und mit Schmerzen ins Bett falle, als ob man sich auflöst. Wenn das jemand auslösen kann, dann bin ich glücklich.
JF: Sie sind in einer Künstlerfamilie aufgewachsen. Wie hat sich Ihr Verhältnis zur Kunst, auch zum Kunst- und Filmbusiness über die Jahre verändert?
MERET BECKER: Ich bin ohne jede Reflexion mit Kunst aufgewachsen, sie war einfach immer da. Und sie kam ganz selbstverständlich aus allen Richtungen, vom Showbiz über Theater, Literatur, bildende Kunst...hat alles mitgeatmet. Dadurch, dass ich es nun selbst welche mache, mach ich mir Gedanken und versuche zu formulieren. Ich reflektiere jetzt.
JF: Zurück zu den Brüdern Grimm: Haben Sie durch Ihre Tochter eine andere Verbindung zum Märchen?
MERET BECKER: Ich selbst bin eher altmodisch, auch was die Sicht und Art der Märchen angeht. Fast ein bisschen konservativ. Meine Tochter ist da ganz anders, sie zwingt mich ein bisschen in die Moderne. Das ist große Klasse. Das ist etwas, was ich z.B. auch in der schwarz-amerikanischen Kultur so toll finde - Ich hatte einen Stepplehrer, Carnell Lyons, ein alter schwarzer Ammi der noch mit Fred Astaire & Josephine Baker aufgetreten ist. Der hat sich musikalisch immer auf dem neusten Stand gehalten und auch junge Musik sehr ernst genommen, z.B.Hip-Hop-Beats ect. Das hält wach und lässt einen Austausch zwischen Generationen zu.
JF: Sie spielen häufig Frauen auf der Kippgrenze, energisch, aber fragil, sexy und tough. Wie passt die Hexe da rein?
MERET BECKER: Darüber denke ich nicht nach. Die Hexe ist eine Rolle und ich werde sehen, was sie in diesem speziellem Fall hergeben kann. Spaß machen soll sie!
JF: Was interessiert Sie an dem Musical, das die Geschichte der Brüder Grimm neu erzählen will?
MERET BECKER: Persönlich mag ich Musical nur in Filmen. Ich finde in diesem Falle das kollagenartige spannend. Das hat Tempo. Es gibt mehrere Ebenen: die Dialoge zwischen den beiden Grimm Brüdern wo sie diskutieren wie man Märchen erzählt; dann gibt's Märchenszenen in Form von Musical und Bildern. Es wird auch nicht unbedingt Grimm-getreu nacherzählt. Es wird eher angerissen. Ich fände das Schönste, wenn die Leute nach hause gehen und aus eigenem Interesse das alte Buch rausholen oder ins Internet gehen und nachgucken „Wie war das denn eigentlich nochmal richtig?...“ Da staunt man nämlich, wie das RICHTIG geht!...mit glühenden Kohlen, Gevatter Tod, dem eigensinnigen Kind und vielem Anderen...