Die Paranoiden

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Nils Bremer /

protest_in_kelsterbach

Samstag vor einer Woche war ich auf einer Demonstration gegen den Flughafenausbau. Ich bin dafür nach Kelsterbach gefahren, denn dort, hieß es, wolle man vom Bahnhof zum Rathaus und von dort in den besetzten Wald ziehen, um gegen die Abholzung desselben zu demonstrieren. So kam es auch. Doch leider musste ich, nicht zum ersten Mal, erkennen, dass Demonstrationen nichts für mich sind. Denn wie schon beim Ostermarsch, so gab es auch diesmal das Problem, dass man nicht einfach ruhig durch die Straßen zog, sondern dass gewisse Redner, die gedanklich irgendwo zwischen 68er-Romantik und Wackersdorf hängengeblieben sind, die ganze Zeit, nunja, redeten, unterbrochen nur ab und an von einigen Liedern, was auch nicht viel besser war. Ich meine: nichts gegen Ton, Steine, Scherben, aber "Macht kaputt, was Euch kaputt macht" ist nun wirklich ein wenig abgegriffen, selbst wenn einige Unverbesserliche dazu die Faust in den Kelsterbacher Himmel reckten, was irgendwie lustig aussah.

Bis wir am Rathaus angelangt waren, hatte es gut zwei Stunden gedauert. Dort wurde noch mehr geredet. Zuvor waren wir schon eingelullt. Das Rezept: ein Teil Verschwörungstheorien ("Geld und Staat stecken unter einer einzigen Decke"), ein Teil Polizeistaatswahnvorstellungen ("wir bleiben solange hier sitzen, bis die Polizei ihre grundlosen Provokationen stoppt") und großer Teil Misstrauen in die Justiz ("Was hier passiert ist Unrecht, Unrecht, Unrecht"). Dazu eine Prise Büttenrede ("Roland Koch und Wilhelm Bender sind die größten Bannwaldschänder"). Beim Rathaus angekommen, rührt der Redner Wolf Wetzel noch eine gute Portion Stammtischniveau mit hinein. Seine Rede kann man noch auf der Internetseite der Bürgerinitiativen nachlesen, wobei es nicht ganz die ist, die er vor Ort gehalten hat. Wetzel beschimpft erstmal die Presse, was doof für mich ist, weil ich mich der ja irgendwie zugehörig fühle und mit paranoiden Gedanken über Systempresse und Abhängigkeiten, wo keine sind, nicht viel anfangen kann. Außerdem beginnt man auf dem Demowagen nun auch noch verharmlosende Vergleiche zu "anderen" Unrechtssystemen zu machen, etwa mit der DDR und so, weil da würde ja auch einfach ...

Ob das schon der geistige Tiefpunkt der Demo war, kann ich nicht sagen, denn da bin ich gegangen. Seltsam, dass sich mancher wunderte, warum, im Vergleich zu den 80ern, nur so wenige Bürger auf der Straße waren. An den brillanten, geerdeten Rednern, die ganz nüchtern die Sachlage darstellen kann es jedenfalls nicht gelegen haben. Vielleicht war es die Musik.


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