Zwischenruf von David Gergely

Das Bahnhofsviertel unter medialem Beschuss

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David Gergely lebt im Bahnhofsviertel. Dass der Kiez in letzter Zeit wieder den Stempel der No-Go-Area aufgedrückt bekommt, ärgert ihn. In seinem Gastbeitrag ruft er den Skeptikern zu, die schönen Seiten zu sehen.

David Gergely /

Frankfurt erlebt seit einiger Zeit einen Imagewandel und ist in aller Munde. Selbst die New York Times wählte unsere Stadt als Platz 12 der „52 Orte, die man 2014 bereisen sollte“. Es tut sich also was! Dafür hauptverantwortlich ist, wie letztes Jahr von internationalen Medien wie dem Guardian bestätigt wurde, das so heftig umstrittene Bahnhofsviertel.

Es repräsentiert die ganze Vielfalt, die Frankfurt so zu bieten hat. Das natürlich recht geballt. Es ist der sogenannte „Melting Pot“ der Stadt. Wo früher fast ausschließlich Fixer, Dealer, Obdachlose Spielhallenbetreiber und Prostituierte unterwegs waren, trifft sich dort heute jeder, der irgendwie zur Frankfurter Szene gehören will. Ein sehr üblicher, urbaner Prozess wie man ihn in hunderten Großstädten beobachten konnte. Meatpacking District oder Brooklyn in New York sind die besten Beispiele. Aber wo gehobelt wird, fallen Späne. Genauso schnell wie all die hippen und neu dazugezogenen Leute das Viertel für sich entdeckt haben, hat sich die alte Brigade halt nicht aus dem Staub gemacht. Eine äußerst spannende Mischung eben. Die Bemühungen um ein geregeltes Miteinander zu erreichen, sind auf allen Seiten groß.

Passiert hier etwas für die Zeitung Berichtenswertes, suchen viele Pressevertreter schnell den Schuldigen bzw. zeigen mit dem Finger auf einzelne Verursacher. Einige Blätter schreiben ähnlich Erschreckendes wie über den „Kotti in Berlin“. Die Polizei würde Herr der Lage werden. Selbst nach gefühlt hunderten täglicher Razzien, sei kein Schwund der Gewalt zu erkennen.

Ich selbst lebe mitten im Bahnhofsviertel. Ich glaube, es läuft viel mehr wie in einer neuen Beziehung: Es gehören immer mindestens zwei dazu, man muss sich auf den anderen einlassen, Kompromisse eingehen. Und Dinge bzw. Leute, die sich neu finden und aus völlig unterschiedlichen Kulturen kommen, müssen eben über die Zeit erstmal zusammenwachsen. Man beschwert sich schnell und laut über die doch vorhandenen Nebenwirkungen dieses unaufhaltsamen Prozesses, vergisst aber bei der Berichterstattung, dass es genau diese Gegensätze hier im Bahnhofsviertel sind, die es so interessant machen.

Es ist laut, es ist hässlich, es ist wunderschön, es ist vielfältig und reich an Kulturen. Es geht nicht darum, die Probleme kleinzureden oder wegzuschauen. Aber alles braucht seine Zeit und es würde vielen Skeptikern guttun, einen Blick auf die positiven Seiten zu werfen. LET’S MAKE THE BHFSVRTL GREAT AGAIN!

Der Autor lebt und arbeitet im Bahnhofsviertel. Sein Kommentar erscheint gleichzeitig im print und online.


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