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Foto: Mahnwache in Wächtersbach © Thorsten Stolz/Facebook
Foto: Mahnwache in Wächtersbach © Thorsten Stolz/Facebook

Staatsanwaltschaft vermutet rassistisches Motiv

Mutmaßlicher Schütze von Wächtersbach kündigte Tat an

Am Montagmittag hat ein 55-jähriger Mann in Wächtersbach auf offener Straße einen 26-jährigen Eritreer angeschossen. Der mutmaßliche Täter ist tot, seine Tat war offenbar rassistisch motiviert. Kontakte in die rechtsextreme Szene sind nach bisherigem Kenntnisstand nicht belegt.
Wenige Wochen nach dem Mord an dem Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke (CDU) hat sich in Hessen erneut eine rassistische, möglicherweise rechtsextremistisch motivierte Tat ereignet. Am Montagmittag wurde in der Industriestraße in Wächtersbach ein 26 Jahre alter eritreischer Staatsangehöriger durch Schüsse schwer verletzt. Der mutmaßliche Schütze Roland K., ein 55-jähriger Deutscher aus dem Main-Kinzig-Kreis, schoss aus seinem Auto heraus drei Mal auf den jungen Mann. Nach bisherigem Kenntnisstand verwendete er dafür eine Neun-Millimeter-Pistole, mit der er sein Opfer am Bauch traf. Der Verletzte kam sofort in ein Krankenhaus, wo er notoperiert wurde. Mittlerweile schwebt er nicht mehr in Lebensgefahr.

Staatsanwaltschaft vermutet rassistisches Motiv

Die Tat war wahrscheinlich rassistisch motiviert. Wie Alexander Badle, Oberstaatsanwalt und Sprecher der ermittelnden Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt, mitteilte, habe der Schütze sein Opfer „zufällig, aber dann doch gezielt aufgrund seiner Hautfarbe“ ausgesucht. Roland K. sei zunächst ohne konkretes Ziel in seinem Auto herumgefahren, bis er auf eine Person „ausländischen Aussehens“ stieß. „Das Opfer wurde zufällig Opfer“, sagte Badle. Allerdings habe die Hautfarbe des Mannes eine Rolle gespielt. Die Polizei gehe klar von einem „fremdenfeindlichen Motiv“ aus. Nach derzeitigem Erkenntnisstand habe man keine Verbindung des mutmaßlichen Täters in die rechtsextreme Szene entdeckt, man gehe dem in den Ermittlungen aber weiter nach. Weiter bestätigte die Generalstaatsanwaltschaft, dass bei dem 55-Jährigen knapp 1000 Schuss Munition und fünf Waffen gefunden wurden. Laut Oberstaatsanwalt habe der mutmaßliche Schütze vier halbautomatische und zwei Langwaffen besessen. Roland K. war Mitglied in einem Schützenverein und habe die Waffen legal besessen. Diese wurden von der Polizei in Gewahrsam genommen. Der Tatverdächtige sei nicht polizeibekannt gewesen.

Ein Abschiedsbrief soll das rassistische Motiv Roland K.s belegen. Aufgrund des postmortalen Persönlichkeitsrechts wollte die Staatsanwaltschaft zu dessen Inhalt aber keine weiteren Angaben machen. Laut der FAZ beinhalte der Brief aber ein wichtiges Detail: Der Schütze habe in dem Brief beschrieben, sich selbst töten zu wollen – mit dem Zusatz, einen „Ausländer“ mit in den Tod nehmen zu wollen. Er habe „mit seinem Leben schon abgeschlossen“, so ein Ermittler. Das habe er dann offenbar mit seinem Hass auf Geflüchtete verbunden.

Schütze kündigte Tat vorher an

Möglicherweise hätte die Tat noch rechtzeitig verhindert werden können: Wie der Hessische Rundfunk (HR) berichtet, habe der 55-Jährige vor und nach den Schüssen auf den 26-jährigen Eritreer in einer Kneipe mit seiner Tat geprahlt. In seiner Stammkneipe soll der Mann erklärt haben, „er knalle nun einen Flüchtling ab“. Anschließend sei er in sein Auto gestiegen und habe dem Eritreer in den Bauch geschossen. Danach fuhr er HR-Informationen zufolge zurück in die Kneipe und erzählte von seiner Tat. Weil ihm der Wirt nicht geglaubt habe, rief Roland K. den Notruf der Polizei an und kündigte weitere Taten an. Wörtlich soll er gesagt haben, „er werde nun einen Halbschwarzen erschießen und dann sich selbst.“ Laut Medienberichten war die rassistische Gesinnung von Rolanf K. bei Nachbarn bekannt. Auch der Wirt der Kneipe „Zum Martinseck“ habe gesagt, Roland K. sei „ein Asylantenhasser“ gewesen. K. soll in der Kneipe mehrmals gesagt haben: „Wenn ich gehe, dann nehme ich einen mit.“

Während der Fahndung fanden Polizeikräfte am Montag gegen 16.15 Uhr in Biebergemünd, einem Nachbarort von Wächtersbach, ein Fahrzeug, in dem sich der 55-Jährige befand. Zu dem Zeitpunkt hatte sich bereits selbst in den Kopf geschossen, er verstarb wenig später im Krankenhaus.

Jahrestag des Utoya-Massakers

Noch ungeklärt ist, ob das Datum der Tat eine Rolle spielt: Am 22. Juli 2011 tötete der Rechtsterrorist Anders Breivik in einem Camp auf der Insel Utoya in Norwegen 77 Menschen. Am 22. Juli 2016 erschoss der David Sonboly neun Menschen in einem Münchener Einkaufszentrum, auch diese Tat war vermutlich rechtsextrem motiviert. Bei seiner Vernehmung gab er an, dass er sich von den Taten Breiviks habe inspirieren lassen. „Es darf nicht zugelassen werden, dass der ‚22. Juli‘ zu einem Symboltag wird, an dem Rechtsterroristen Gewalttaten verüben“, so die Linken-Fraktionsvorsitzende Janine Wissler.

„Wenn sich der Verdacht bewahrheitet, dass der mutmaßliche Täter aus rassistischen Motiven heraus handelte, dann wäre dies, nach dem Mord an Walter Lübcke, der zweite rechtsextreme Mordanschlag in Hessen innerhalb von wenigen Wochen“, sagte Wissler weiter. Am 2. Juni dieses Jahres war der Kasseler Regierungspräsident Walter Lübcke (CDU) im nordhessischen Wolfhagen erschossen worden. Der Neonazi Stephan E., der als dringend tatverdächtig gilt, hatte zunächst ein Geständnis abgelegt, dieses aber später widerrufen.

Mahnwache in Wächtersbach

Unterdessen hatte die Stadt Wächtersbach zu einer Mahnwache gegen Rassismus aufgerufen. Am Dienstagabend fanden sich etwa 400 Menschen in der Industriestraße, dort, wo die Tat verübt wurde, zusammen. Bürgermeister Andreas Weiher (SPD) sagte: „Hier wurde ein weiteres Mal, sieben Wochen nach dem Mord an Walter Lübcke, aus Gedanken eine Tat, die uns erschüttert.“ Thorsten Stolz, Landrat im Main-Kinzig-Kreis betonte: „Das Zusammenkommen ist ein klares Zeichen der Solidarität gegenüber dem angeschossenen Mann. Und ein starkes Zeichen für Frieden, Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit.“
 
24. Juli 2019, 13.14 Uhr
Helen Schindler
 
Helen Schindler
Jahrgang 1993, Studium der Politikwissenschaft an der Goethe-Universität, seit 2017 beim Journal Frankfurt – Mehr von Helen Schindler >>
 
 
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